Nach dem Skandal um Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen bei dem Textildiscounter KiK hat die Gewerkschaft Verdi auch der Lebensmittelkette Netto vorgeworfen, sittenwidrige Stundenlöhne zu zahlen.
Essen. Die Jobcenter zwängen zudem Arbeitslose, solche Stellen anzunehmen, sagte die Verdi-Landeschefin für den Handel in Nordrhein-Westfalen, Liselotte Hinz, den Zeitungen der WAZ-Gruppe vom Mittwoch. Ein der „WAZ“ vorliegender Arbeitsvertrag der Netto-Niederlassung Bottrop weist demnach einen Stundenlohn von 5,50 Euro aus – zuzüglich einem Euro Zulage, welche alle weiteren Ansprüche, etwa auf Urlaubs- oder Weihnachtsgeld, abgelte.
Verdi warf der Edeka-Tochter Netto ein gezieltes Unterlaufen der Tarife vor. Von den bundesweit 72.000 Netto-Mitarbeitern seien mittlerweile 30.000 geringfügig beschäftigt, sagte Verdi-Experte Folkert Küpers, dem Blatt. Der Lebensmittel-Discounter bestätigte diese Zahlen nicht. Der Anteil und der Einsatz von Vollzeit-, Teilzeit- und geringfügig Beschäftigten orientiere sich am jeweiligen Kundenaufkommen in den Filialen, erklärte eine Netto-Sprecherin auf Anfrage.
Die Sprecherin hob hervor, die Löhne des größten Teils der Mitarbeiter lägen „auf beziehungsweise über dem Tarifniveau“. Das Unternehmen strebe an, den Anteil an Teil- und Vollzeitbeschäftigten im Verhältnis zu den geringfügig Beschäftigten zu erhöhen. Diese verdienen laut NRW-Tarifvertrag in der untersten Lohnstufe 8,98 Euro die Stunde, für ungelernte Kräfte gilt ein Tarif von 7,85 Euro. Auch bei den geringfügig Beschäftigten werden laut Netto teilweise mehr als zehn Euro die Stunde bezahlt. Nach Angaben der Sprecherin laufen derzeit Gespräche mit den Netto-Betriebsräten und Verdi zur weiteren Vorgehensweise.
Den Berichten der „WAZ“-Gruppe zufolge erhob Verdi auch schwere Vorwürfe gegen die Jobcenter. Im vorliegenden Fall in Bottrop sei ein Hartz-IV-Empfänger vom Jobcenter unter Androhung von Sanktionen aufgefordert worden, einen 325-Euro-Job bei Netto anzunehmen. Dafür habe er 50 Stunden im Monat arbeiten müssen. Die Landesarbeitsagentur in Nordrhein-Westfalen wies die Vorwürfe auf Nachfrage der Zeitungen zurück.
Der Textildiscounter KiK hatte im vergangenen Jahr nach einer Skandalserie um Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen einen Mindestlohn von 7,50 Euro die Stunde eingeführt. Das Landgericht Hamm hatte das Unternehmen wegen Zahlens sittenwidriger Löhne zu Nachzahlungen an zwei Mitarbeiterinnen verurteilt.