In der Finanzbranche macht sich vor dem EU-Stresstest Angst breit. Denn es gibt kein Sicherheitsnetz mehr, um Geldhäuser zu retten.

Sehr glücklich sah Angela Merkel nicht aus, als sie am Freitag von Journalisten gefragt wurde, ob Banken an der Rettung des Euro beteiligt würden. „Auf gar keinen Fall können wir jetzt im (Rettungsfonds) EFSF eine Beteiligung privater Gläubiger einführen“, sagte die Bundeskanzlerin im Beisein von Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker im Kanzleramt.

Ausgerechnet Merkel also, die doch stets betont, wie wichtig ihr sei, dass die Investoren zur Kasse gebeten werden, mauert jetzt. Dafür hat sie aber auch einen triftigen Grund: Deutschlands Banken haben sich noch immer nicht vollständig von der Finanzkrise erholt und dürften Verluste bei Staatsanleihen in ihrem Portfolio kaum unbeschadet überstehen – ein Problem für den Fall, dass Irland oder Griechenland ihre Schulden nicht voll zurückzahlen können. Aber nicht nur dann.

Schon eine simple Modellrechnung – entworfen in europäischen Amtsstuben – könnte reichen, um die Schwachstellen der Banken schonungslos offenzulegen und die Bundesregierung mit in die Bredouille bringen: der Bankenstresstest der EU. In der deutschen Politik ist man entsprechend nervös. Bestehen die hiesigen Geldhäuser den Test nicht, brauchen sie frisches Kapital. Anders aber als bei einer ähnlichen Prüfung im Vorjahr gibt es in Deutschland kein Sicherheitsnetz mehr, wie man es während der Finanzkrise für Problemfälle aufgespannt hatte. Die Tests, die eigentlich die Kapitalmärkte beruhigen sollen, drohen in einem Desaster zu enden – weil sie Notlagen offenlegen, ohne dafür eine schnelle Lösung zur Hand zu haben.

Im Grunde kennt man das Prozedere bereits aus dem vergangenen Sommer. Damals hatten Europas Finanzaufseher unter Brüsseler Ägide geprüft, wie gut die wichtigsten europäischen Banken einen weiteren Konjunktureinbruch vertragen würden. Nur soll es diesmal deutlich strenger zugehen. Die genauen Kriterien sollen in den kommenden zwei Wochen erarbeitet werden. Sorgen bereitet den deutschen Banken dabei vor allem jenes Element der Tests, das schon bei der ersten Auflage im Vorjahr für Furore sorgte: Einbußen bei europäischen Staatsanleihen. Gerade Deutschlands Banken und Versicherer haben Milliarden in solche Schuldpapiere investiert – auch in die von Krisenländern wie Griechenland, Portugal, Irland und Spanien. Solche Positionen halten zwar auch Banken anderer Länder – doch in Deutschland geht das Problem einher mit teilweise extrem dünnen Kapitaldecken.

Macht EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier seine Ankündigung wahr, diesmal deutlich strengere Maßstäbe anzulegen, dürfte Deutschland deshalb nicht so glimpflich davonkommen wie noch Sommer 2010. Damals fiel nur die sieche Hypo Real Estate durch den Test, und für deren Probleme hatte man schon zuvor eine Lösung entworfen: Der Bankenrettungsfonds SoFFin übernahm Altlasten in einem nicht eben unerheblichen Volumen von 180 Milliarden Euro. Heute steht dieser Ausweg nicht mehr offen – denn der SoFFin hat zum Jahresende seine Pforten für Neufälle geschlossen. Der Bund verzichtete darauf, das dazugehörige Gesetz zu verlängern. In Berlin war man überzeugt, den Hilfsfonds nicht mehr zu brauchen.

Nun droht diese Entscheidung zum Bumerang zu werden. Denn damit stünden Stresstest-Durchfaller diesmal ohne staatliche Hilfe da – schnelle Kapitalhilfen kämen nicht infrage. In der Folge wäre ein derart öffentlich angeschossenes Institut wohl dem Untergang geweiht, kein privater Investor würde ihm Geld leihen. Das „Restrukturierungsgesetz“, das an die Stelle des SoFFin getreten ist, löst das Dilemma nicht – denn es läuft auf eine geordnete Abwicklung hinaus, sortiert eine Pleite also nur, verhindert sie aber nicht. Und das Vertrauen in diese Ordnung ist dabei derart begrenzt, dass in den Rettungsgesprächen für die angeschlagene WestLB im vergangenen Monat kein Beteiligter riskieren wollte, das Gesetz überhaupt nur zu testen.

In Berlin sucht man daher längst nach einem neuen Sicherheitsnetz. Seit Wochen wird im Bundesfinanzministerium überlegt, wie man mit den möglichen Durchfallern des Stresstests umgehen soll. Bislang gibt es vor allem eine Idee: „Ich glaube, dass wir darüber nachdenken müssen, das SoFFin-Gesetz wieder in Kraft zu setzen“, erfuhr die „Welt am Sonntag“ in Regierungskreisen. Damit könnte der Bund strauchelnden Instituten wieder mit Kapitalhilfen oder Bürgschaften unter die Arme greifen. Vermutlich könne man nur so die Finanzmärkte davon überzeugen, dass ein schlechtes Abschneiden der Banken keine Panikwelle lostritt, heißt es in Berlin.

Was lapidar klingt, wäre eine Zäsur. Denn der Bund würde damit nicht nur neue Steuermilliarden für die Banken lockermachen. Er würde zugleich eingestehen, dass Deutschlands Banken die Folgen der Finanzkrise noch lange nicht überwunden haben.

Als mögliche Problemfälle rücken hierzulande vor allem zwei Landesbanken ins Blickfeld: Die NordLB und die Helaba haben die Kapitalanforderungen der Tests im vergangenen Jahr nur knapp erfüllt. Sie gehören zu den wenigen großen Banken im Land, die ohne Staatshilfen durch die Krise kamen – dafür sind ihre Polster aber durch Verluste und Abschreibungen zusammengeschrumpft. „Es ist klar, dass sich der Blick zuerst wieder auf diese beiden Banken richten wird“, räumt man in Landesbanken-Kreisen ein.

Vielleicht ist aber genau das der Grund für die Regierung, am Ende doch von der SoFFin-Neuauflage abzusehen. In Berlin nämlich hält man in erster Linie deren Eigentümer für verantwortlich, also Bundesländer und Sparkassen. Das hat man im Gezerre um die Zukunft der maroden WestLB bewiesen, die trotz nächtlicher Verhandlungsrunden keine weiteren Hilfen vom Bund bekam.

Die drohende Gefahr jedenfalls macht Banker und Aufseher gleichermaßen zornig. „Man hat bisher viel zu wenig darüber nachgedacht, welche Konsequenzen so ein Stresstest haben kann“, schimpft ein Bankenvertreter. Der Schluss der Bankenlobby und so mancher Experten daraus: Ein übermäßig strenger Test ist kontraproduktiv. Dummerweise nur hat die EU den Investoren eine harte Prüfung versprochen – ein Rückzieher würde daher erst recht Misstrauen schüren.

Quelle: Welt Online