Für acht Milliarden Euro müssten alte Shoppingcenter modernisiert werden. Doch Investoren wollen nicht umbauen, sondern erwarten Rendite.
Seit einigen Jahren stehen sie auf der Wunschliste vieler Investoren oben: Handelsimmobilien – allen voran Shoppingcenter. Ob institutionelle oder private Anleger, die sich häufig über geschlossene Fonds an Einkaufszentren beteiligen, in- oder ausländische Investoren – alle setzen auf Konsumtempel made in Germany, die sich in Krisenzeiten als weniger konjunkturanfällig erwiesen haben als Büroinvestments. Dem deutschen Konsumenten sei Dank. Der Einzelhandel hat sich schnell erholt und 2010 ein Plus von 2,3 Prozent erwirtschaftet.
Laut Jones Lang LaSalle (JLL) sind die Center die stärkste Kategorie aller handelsgenutzten Gewerbeimmobilien – weit vor Discountern und Fachmärkten. Handelsimmobilien im Wert von insgesamt fast 7,5 Milliarden Euro haben hierzulande 2010 die Besitzer gewechselt. Der Anteil der Shoppingcenter an dieser Summe lag bei 3,2 Milliarden Euro. Für Jörg Ritter, den Handelsexperten von JLL, hat die Anlageklasse "nach vielen Jahren des Zögerns etlicher Investoren den Durchbruch zur Core-Immobilie geschafft“. Gute Lagen, bonitätsstarke Mieter und der Schutz vor weiterer Konkurrenz am Standort durch striktes Baurecht machen die Anlageklasse aus seiner Sicht auch langfristig immer attraktiver.
Und zwar nicht nur in den deutschen Metropolen. Handelsimmobilien sind bei Anlegern durchaus in kleineren Städten gefragt. Denn gerade dort sind die Netto-Anfangsrenditen höher als in den Großstädten. Laut JLL ziehen Mittelstädte viel Kaufkraft aus dem Umland an. Das machte sie 2010 zu den heimlichen Stars – bis Ende September entfielen rund 70 Prozent des Transaktionsvolumens auf diese Märkte außerhalb der Metropolen. "Der Trend zur Handelsimmobilie ist von Dauer“, ist Ritter überzeugt.
Sofern sich genügend Objekte oder neue Projekte finden – und zwar an den richtigen Standorten und in gutem Zustand. Beides ist ausschlaggebend für den wirtschaftlichen Erfolg – und damit die Rendite der Anleger. Doch viele Center sind in die Jahre gekommen, müssen dringend saniert werden und stehen aus heutiger Sicht schlicht am falschen Platz.
Wurden Anfang der 90er-Jahre rund 40 Prozent der Center außerhalb der Stadtkerne auf die grüne Wiese gesetzt, wird jetzt wieder innerstädtisch gebaut. "Im Gegensatz zu früher sind die heutigen Center kleiner, offener gestaltet und stehen auch im Dialog mit den Innenstädten“, erklärt Stephan Jung, Vorstand des Branchenverbandes German Council of Shopping Centers (GCSC). Der Grund: In den Innenstädten gibt es nicht mehr ausreichend Flächen für Center mit durchschnittlich 34.000 Quadratmeter – wie in den späten 90er-Jahren gebaut. Die bis 2012 geplanten Center haben nur noch eine durchschnittliche Größe von 27.000 Quadratmetern. Außerdem pochen Politiker und Gewerbetreibende auf verträgliche Dimensionen.
Bis zu acht Milliarden Euro investieren
Da geraten die älteren Center schnell ins Hintertreffen. Zumal fast die Hälfte aller deutschen Konsumtempel dringend revitalisiert werden müssen. Experten raten, Einkaufscenter spätestens nach zehn Jahren zu modernisieren, wenn das Objekt sich nachhaltig am Markt positionieren soll. Viele deutsche Einkaufscenter haben seit Jahrzehnten nicht mal einen Fassadenanstrich bekommen.
Sonae Sierra als Spezialist für Shoppingcenter und die GMA Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung gehen in einer aktuellen Untersuchung davon aus, dass rund 200 Einkaufscenter dringend eine Schönheitskur brauchen. "Die Notwendigkeit für Modernisierungen ist riesig“, sagt Thomas Binder, Deutschland-Chef von Sonae Sierra. "Aber an der Umsetzung hapert es gewaltig.“ Geringes Bewusstsein der Verantwortlichen, knappe Kassen, mangelndes Wissen oder ungünstige Eigentümerverhältnisse sind aus seiner Sicht die häufigsten Gründe für vergammelnde Einkaufscenter. Seiner Schätzung nach müssten zwischen fünf und fast acht Milliarden Euro investiert werden, um alle Center optisch, technisch und inhaltlich in dieses Jahrtausend zu hieven und ihren Wert nachhaltig zu steigern.
Realistischerweise geht man aber auch bei Sonae und GMA davon aus, dass sich das Investitionsvolumen höchstens zwischen 2,5 und 3,5 Milliarden Euro bewegen wird. "Verschleppte Modernisierungen können viele negative Folgen haben“, sagt Raimund Ellrott von GMA. "Nicht nur Mieter, Kunden, lokale Einzelhändler und Anleger leiden unter Centern mit schlechter Performance, auch im Konkurrenzkampf der Städte und Regionen ist ein Center ohne Anziehungskraft ein klarer Wettbewerbsnachteil.“
Vor allem Objekte, die sich im Besitz ausländischer Investoren (20,6 Prozent) und im Eigentum von geschlossenen Immobilienfonds (19 Prozent) befinden und stark renovierungsbedürftig sind – bleiben es vielleicht auch. "Ausländische Finanzinvestoren wollen die Objekte häufig nicht länger als drei Jahre halten“, erklärt GCSC-Vorstand Jung. "In der Zeit wollen sie nicht nur umbauen und dabei auf Rendite verzichten.“
Bei den geschlossenen Fonds müssten sämtliche Anleger erst gefragt werden, ob sie einer Revitalisierung zustimmen – und auch dafür zahlen. "Das sind schwierige Entscheidungen“, so Jung. "Außerdem müssen die Revitalisierungskosten ja auch wieder umgelegt werden, was höhere Mieten in den Shoppingcentern bedeutet. Die Händler wiederum müssten mehr Umsatz machen, um die erhöhte Miete wieder einzufahren.“ Vor diesem Hintergrund ist es aus Jungs Sicht schon sehr positiv, "wenn nur die Hälfte der betroffenen Center modernisiert wird“.
Wie teuer eine Komplettsanierung werden kann, weiß man bei der Deutschen EuroShop nur zu gut. Rund 60 Millionen Euro sind in die Modernisierung und die Erweiterung der Angebotspalette des A10 Centers in Wildau bei Berlin geflossen, wenn im Frühjahr die Arbeiten abgeschlossen werden.
Drei Jahre lang hat sich der börsennotierte Shoppingcenter-Spezialist mit Ankäufen zurückgehalten. Im vergangenen Jahr aber hat die Deutsche EuroShop rund 400 Millionen Euro investiert – mit dabei auch das im Jahr 1996 komplett sanierte Billstedt-Center in Hamburg, für rund 160 Millionen Euro. Die Nettoanfangsrendite liegt nach Angaben von Unternehmenssprecher Patrick Kiss bei etwa sechs Prozent. "Anders als institutionelle Investoren müssen wir die Rendite für unsere Anleger fest im Blick haben“, so Kiss. "Deshalb müssen wir sorgfältig auswählen und können auch nicht jeden Preis bezahlen.“