Potentielle Börsenkandidaten zittern vor den Unruhen in Nordafrika. Sie befürchten, dass der hohe Ölpreis den Traum vom großen Geld vereitelt.

Die heiße Phase hat nun auch in Hamburg begonnen: Der TUI-Aufsichtsrat gab grünes Licht für den womöglich größten deutschen Börsengang seit mehr als drei Jahren. Das Gremium beauftragte den Vorstand des Reiseveranstalters, entsprechende Schritte für das Debüt der Konzerntochter Hapag-Lloyd einzuleiten. Dem Vernehmen nach soll das Unternehmen bereits Mitte April auf dem Kurszettel stehen.

Mit einem erwarteten Erlös von einer Milliarde Euro wäre es die größte Emission, seit der Hamburger Hafen (HHLA) im November 2007 bei Anlegern 1,16 Milliarden Euro einsammelte. Damit zeichnet sich eine rege Emissionstätigkeit in der Woche vom 11. April an ab. Auch beim hessischen Schlauch- und Rohrschellenproduzenten Norma und dem Berliner Immobilienunternehmen GSW laufen die Vorbereitungen auf die Tage vor Ostern hinaus.

Beide würden mit einem erwarteten Volumen von 500 Millionen Euro und mehr zu den gewichtigen Börsengängen gehören. Der Kabelnetzbetreiber Kabel BW könnte ebenfalls noch dazukommen – auch er würde wohl im Milliardenbereich landen. Der Besitzer EQT, ein schwedischer Finanzinvestor, prüft allerdings parallel den direkten Verkauf seiner Anteile. Nur wenn EQT nicht den angepeilten Preis von rund drei Milliarden Euro bekommt, werde es noch vor Ostern einen Teilverkauf über die Börse geben, heißt es aus Finanzkreisen.

Öffentlich äußern will sich noch kein Verkäufer zu seinem genauen Zeitplan. Aus gutem Grund: Ob überhaupt ein Unternehmen noch vor den Feiertagen an die Börse kommt, hängt nicht zuletzt von der politischen Entwicklung in Nordafrika und den arabischen Staaten ab. „Die aktuelle Unsicherheit mit Blick auf Libyen und Saudi-Arabien lässt viele Unternehmen noch abwarten“, sagt Christoph Demuth, verantwortlich für die Begleitung von Börsengängen bei der Equinet Bank in Frankfurt. Je früher ein Verkäufer mit konkreten Plänen an die Öffentlichkeit gehe, desto eher könne er plötzlich in die Defensive geraten. „Die kurzfristige Verschiebung eines IPOs ist nie gut“, so Demuth weiter.

Die Unternehmen und ihre Berater sind gewarnt. In den vergangenen Jahren sorgten immer wieder politische Ereignisse für kurzfristige Absagen. So war es im Dezember 2009. Damals vermieste unter anderem die plötzlich aufgekommene Schuldenproblematik in Dubai vielen Investoren die Laune, Aktien neuer Unternehmen zu zeichnen. Die Hochtief-Tochter Concessions musste wegen zu geringem Anlegerinteresse das Listing kurzfristig absagen.

Griechenland-Krise lässt Börsenträume platzen

Ähnlich erging es dem deutlich kleineren Energieunternehmen Scan Energy. Im Vorjahr ließ die Griechenland-Krise die Börsenträume mancher Unternehmen platzen. Der Immobilienkonzern GSW stoppte unter anderem deshalb seinen ersten Anlauf. Auch andere Kandidaten legten ihre Pläne zurück in die Schublade. Ein guter Indikator, ob die Zeit für einen Börsengang reif ist, sind die Volatilitätsindizes VDax oder das Pendant VIX. Je niedriger sie notieren, desto besser ist in der Regel die Stimmung der Anleger.

„Es ist nicht immer einfach, ein passendes Fenster zu finden“, sagt Stefan Weiner, Leiter der deutschen Börsengangabteilung der US-Investmentbank JP Morgan. Bei Werten der Schwankungsindizes unter 20 bis 25 sei die Zeit günstig, der Risikoappetit der Anleger hoch. So verwundert es denn auch nicht, dass im März des vergangenen Jahres gleich einer Reihe von Unternehmen der Sprung auf das Parkett glückte.

In den vergangenen Tagen hat die Verunsicherung der Marktteilnehmer bereits wieder deutlich zugenommen, der VDax ist an die 20er-Marke herangelaufen. Noch gibt es keinen Grund, Börsenpläne grundsätzlich infrage zu stellen. „Doch die Ereignisse rund um den Ölpreis und auch die immer noch schwelende Euro-Krise haben sicherlich das Potenzial, die Stimmung der Anleger abzukühlen“, sagt Joachim von der Goltz von der UBS. Größere Aktienpakete im Rahmen einer Kapitalerhöhung bei Anlegern zu platzieren sei auch in diesen Tagen kein Problem.

Doch ein Börsengang lässt sich nicht innerhalb weniger Tage umsetzen. „Da sind die Unternehmen vier Wochen ‚im Feuer‘“, so von der Goltz. Das ist die Zeit, die von der Ankündigung der Pläne über das Verschicken der Analystenreports, die Werbetour bei Investoren sowie die Zeichnungsfrist bis hin zum Listing der Aktien vergeht. Wer also noch vor Ostern an den Markt will, muss sich in den kommenden zwei Wochen festlegen, ob er einen Versuch wagt oder nicht.

Die nächste Gelegenheit wird es dann wohl erst im Juni geben. Das hat einen technischen Grund: Im Börsenprospekt dürfen nur noch bis Mitte Mai die Geschäftszahlen des vergangenen Jahres auftauchen, danach müssen zusätzlich die Ergebnisse des ersten Quartals genannt werden – deren Zusammenstellung dauert. Unternehmen wie der Unterwäschehersteller Schiesser peilen dem Vernehmen nach eher das Ende des zweiten Quartals an.

Für das Gesamtjahr sind die Prognosen durchaus optimistisch: „Wir erwarten für 2011 zwischen 20 und 30 Börsengänge in Deutschland, sofern das Marktumfeld sich durch die politische Krise in Nordafrika und Nahost nicht zu stark verschlechtert“, sagt Michael Oppermann, Unternehmensberater von Ernst&Young. Bei dieser Zählung sind allerdings auch Emissionen mit einem Volumen von wenigen Millionen Euro dabei. Im globalen Vergleich steht Deutschland als reife Volkswirtschaft mit Blick auf Börsengänge nicht besonders gut da. Das Wachstum findet in den Schwellenländern statt, 2010 entfielen auf diese Märkte 70 Prozent der weltweiten Anzahl der Transaktionen.

Quelle: Welt Online