Früher waren Unternehmenssitze meist reine Trutzburgen, heute herrscht Transparenz: Deutsche Bank, ThyssenKrupp und Unilever investieren Millionen in ihr Image.

Strandkai 1, Planckstraße 13, Thyssen-Krupp-Allee 1, Gallusanlage 2. Sie gehören zu den ersten Adressen - die Standorte deutscher Firmenzentralen. Die Gebäude und die Büros von Konzernen wie Unilever, ThyssenKrupp, Deutscher Bank oder jungen Firmen wie Tolingo sind wie eine Visitenkarte dieser Unternehmen. "Lage, Architektur und Interieur bestimmen das Image einer Firma maßgeblich mit", erklärt der Münchner Immobilienberater Alexander Stock. So wird Architektur identitätsstiftend.

Immobilien waren schon immer Ausdruck des Zeitgeistes und der Firmen-Philosophie. So glichen vor 30 Jahren die meisten Zentralen großer deutscher Unternehmen unüberwindbaren Festungen, heute bemühen sich viele dieser Firmen, Innovationsgeist und Transparenz auch mit ihren Immobilien auszustrahlen. Beispiele sind die Neubauten von Unilever und ThyssenKrupp. Und auch so manches altes Haus wie der BMW-Turm in München oder die Zwillings-Türme der Deutschen Bank in Frankfurt erhielten ein Facelifting. Der Trend heißt "Corporate Architecture".

Ein Ufo am Hamburger Hafen

Direkt am Wasser der Elbe, im Herzen der Hamburger HafenCity ist ein gläsernes Ufo gelandet: die neue Unilever-Zentrale am Strandkai. Von allen Seiten lässt sich in das Gebäude hineinschauen. Das mit vielen Architektur- und Umweltpreisen ausgezeichnete Gebäude soll für "den Start in eine neue Zukunft" stehen, erklärte Unilever-Chef Harry Brouwer bei der Einweihung: "Es unterstreicht unsere Unternehmenskultur: Wir sind offen, ehrlich und transparent." Klingt gut. Auch bei der Anordnung und Gestaltung der Arbeitsräume haben sich die Erbauer etwas gedacht: Sie sollen die Kommunikation der Kollegen untereinander fördern und eine "optimale Zusammenarbeit" ermöglichen. Der Standort HafenCity stehe zudem für "die Internationalität und Weltoffenheit Unilevers".

Das von Behnisch Architekten konzipierte futuristische Headquarter unterscheidet sich vollkommen von der Vorgänger-Zentrale am Hamburger Dammtorwall: Dort stand ein 22-stöckiger steinerner Wolkenkratzer wie eine Trutzburg auf einer Insel. Einen solchen Monolithen will heute kaum noch jemand als Firmenstandort. Deswegen wird das Gebäude derzeit aufwendig revitalisiert und hat einen jugendlich klingenden Namen erhalten: "Emporio-Hochhaus". Der "Oldie" wurde entkernt, ein Fahrstuhlschacht gebaut und die hässlichen Technikaufbauten auf dem Dach wurden entfernt. Die Tiefgarage weicht drei Untergeschossen und oben kommen zwei Etagen dazu. Künftig hat das Gebäude 24 Geschosse und eine Höhe von 98 Metern.

Etwas weiter südwestlich in der Republik, in Essen, gab vor einigen Jahren ein Global Player das Motto aus: Zurück zu den Wurzeln! 2007 beauftragte der Vorstand des Stahlkonzerns ThyssenKrupp Planungen für eine neue Zentrale. 2010 war sie fertig. Das Besondere: Die neue Heimat des 200 Jahre alten Unternehmens befindet sich auf historischem Boden. Hier hatte Alfred Krupp Anfang des 19. Jahrhunderts seine ersten Gussstahl-Anlagen errichten lassen. Heute ist auf dem 20 Hektar großen Campus das Q1, das größte Gebäude des Areals mit Panoramafenstern nach Norden und Süden, der Blickfang. "Das Haus ist durchschaubar", bringt der Architekt Jürgen Steffens sein Anliegen auf den Punkt.

Anstatt eines Hochhaus-Solitärs hat der Konzern ein Quartier aus mehreren Immobilien aus einem Guss entlang einer Wasserfläche entstehen lassen. Fensterrahmen gibt es nicht, die Scheiben werden von einer Seilkonstruktion gehalten. Ein Novum ist der Sonnenschutz des Hauptgebäudes: Ein beweglicher Schutzschirm aus Stahl verhindert eine Überhitzung bei Sonnenschein. Steffens: "Der Konzern zeigt anhand der Architektursprache auch seine Innovationskraft."

Auch der Mittelstand wünscht sich Offenheit

Auch Hanno von der Decken, Geschäftsführer der Hamburger Internet-Übersetzungsagentur Tolingo, wünschte sich als Firmensitz "etwas Offenes und Transparentes". Im vergangenen Sommer zog er mit seinen 35 Mitarbeitern in eine ehemalige Schiffsschraubenfabrik nach Hamburg-Ottensen. Auf über 600 Quadratmetern sitzen hier jetzt Geschäftsführung, Kundenservice, Verkauf, Technik und Marketing auf drei Ebenen unter einem Glasdach und Stahlträgern. Es gibt nur wenige Türen - und die stehen immer offen. "Das symbolisiert unsere Firmenphilosophie", sagt der Firmenchef. "Wir helfen vor allem Mittelständlern bei der Kommunikation weltweit durch Übersetzungen und schaffen durch neue Technologien Transparenz in einer veralteten Branche."

Um schnell und flexibel zu sein, brauche Tolingo flache Hierarchien und kurze Wege. Der große Raum ist schallgedämpft. Leseecken, Kaffeebar und Lounge-Würfel sind Treffpunkte für die Angestellten. Nachteile gegenüber einem Neubau kann von der Decken in seinem neuen Büro hinter alten Fabrikmauern nicht erkennen. Im Gegenteil: Die Metamorphose einer Manufaktur aus der Zeit der Industrialisierung in eine "Übersetzungsfabrik" des 21. Jahrhunderts sorge für eine besondere Atmosphäre, "die Kreativität fördert und in der wir uns wohl fühlen."

Die zwei Hochhäuser der Deutschen Bank in Frankfurt prägen die die Skyline der Stadt seit Beginn der 1980er-Jahre. Sie symbolisierten Macht und Stärke einer Großbank. Doch im neuen Jahrhundert entschlossen sich die Banker, ihre Türme renovieren zu lassen. Nach drei Jahren Umbauphase berichtet das Geldhaus, dass in der grunderneuerten Firmenzentrale, die heute feierlich eröffnet wird, 74 Prozent weniger Wasser und 55 Prozent weniger Strom verbraucht werden. Der CO2-Ausstoß werde gar um 89 Prozent verringert. 40.000 Quadratmeter Fassaden- und Fensterflächen wurden ausgetauscht. Die Aufzüge gewinnen Strom zurück. Statt klobiger Computer, die die Raumluft aufheizen, werden Bildschirme verwendet, die über kleine Modems mit dem zentralen Rechenzentrum verbunden sind. 200 Mio. Euro ließ die Deutsche Bank die Umwandlung in die "Greentower".

Michael Frielinghaus, Präsident des Bundes Deutscher Architekten BDA, ist überzeugt, dass sich identitätsstiftende Architektur für die Unternehmen lohnt: "Die bauliche Verdeutlichung des Wiedererkennungswerts und der Marke erhöhen Wirtschaftlichkeit und nicht zuletzt Arbeitsproduktivität." Im globalen Wettbewerb könnten Unternehmen mit einem klaren Erscheinungsbild, das vom Produkt bis zum Gebäude reicht, ihren Wiedererkennungswert steigern: "Gerade transnational agierende Unternehmen haben erkannt, dass mit einer funktional guten Architektur ihre Werte und Philosophie glaubhaft zu vermitteln sind."

Quelle: Welt Online