Deutschland ist einer der wenigen Industriestaaten, in dem nicht geregelt ist, wie Immobilien-Vermittler arbeiten und bezahlt werden.
Der Verdacht lautet auf bandenmäßigen Betrug: Drei Immobilienvermittler aus dem Landkreis Passau sind in der vergangenen Woche in Untersuchungshaft genommen worden. Sie sollen seit 2005 mit falschen Versprechungen 70 Interessenten zum Kauf völlig überteuerter Eigentumswohnungen verleitet haben. Bei Durchsuchungen von Wohnungen und Geschäftsräumen wurden hohe Bargeldbestände gefunden.
Solche Fälle gibt es immer wieder: Einfache Wohnungsmakler verlassen ihr traditionelles Geschäftsfeld und begeben sich auf halbseidenen Pfad. Zu verlockend sind die hohen Provisions-Beträge, die sich schon mit einem einzigen Vertragsschluss erzielen lassen. In Polizeiberichten kommen Makler regelmäßig vor. Und nicht nur deshalb ist die Branche unbeliebt. Auch die Tätigkeit als Vermittler hinterlässt häufig unzufriedene Kunden. Schlechte Fotos und schlampige Information sind keine Seltenheit. Schließlich kann jeder den Beruf vom heimischen Wohnzimmertisch aus ausüben. Es gibt kein Gesetz, das sagt, wer Makler sein darf und was er für seine Gebühren zu leisten hat – Wildwuchs in einer Branche, die sich ständig selbst in Misskredit bringt.
Und so wenden sich immer mehr Vermieter und Verkäufer von den Maklern ab. Internetportale und Tageszeitungen bieten Kauf- und Mietinteressenten eine gute Marktübersicht, längst schon mit vielen Zusatzfunktionen wie beispielsweise eine automatische Benachrichtigung, wenn ein neues Objekt mit den gewünschten Eigenschaften in die Datenbank gestellt wurde. Viele der Angebote stammen zwar von professionellen Maklern. Doch deren Anteil sinkt. Das bestätigt Raimund Wurzel, Geschäftsführer des Deutschen Immobilienberaterverbundes (DIV), ein Franchise-System 70 von Maklern. „50 Prozent aller privaten Wohnimmobilien werden heute schon in Deutschland ohne Makler verkauft“, sagt Wurzel aus seiner Beobachtung. Die Statistik des Immobilienverbandes Deutschland (IVD), dem 6000 Makler angehören, weist sogar noch weniger aus: „Heute werden nach unseren Untersuchungen noch 30 bis 40 Prozent der Käufe und Vermietungen von Wohnimmobilien in Deutschland von einem Makler betreut“, sagt Sven Johns, Bundesgeschäftsführer des IVD.
Braucht man überhaupt noch Immobilienmakler? Ein paar Fotos mit der Digitalkamera schießen und einen gefälligen Text dazustellen – das kann schließlich jeder. Und vor allem schrecken die vielerorts irrwitzig hohen Provisionen Mieter und Käufer ab. Wer beispielsweise in München eine Eigentumswohnung in guter Lage für 400.000 Euro kaufen möchte, müsste regulär inklusive Mehrwertsteuer 28.560 Euro Provision zahlen. Selbst eine Eigenkapitaldecke von 100.000 Euro wird so um ein Drittel beschnitten, entsprechend wird der Kredit teurer. Käufer zahlen also doppelt, vornehmlich in Regionen, in denen das Angebot knapp und Makler zahlreich sind.
Für wen ist der Makler tätig
Manche Vermittler argumentieren, dass dafür der Kaufpreis um die Höhe des Courtage-Betrags geringer ausfalle – der Käufer also keinen Schaden nehme. Dann allerdings ginge die Rechnung zulasten des Verkäufers. Und hier liegt der Kern des Problems: „In Deutschland ist es doch oft so, dass Käufer und Verkäufer gar nicht genau wissen, für wen der Makler eigentlich tätig wird“, sagt Harald Blumenauer, Geschäftsführer des Vermittlers iMakler. Auftraggeber seien zwar häufig Verkäufer oder Vermieter. Bezahlt wird die Rechnung aber vom Käufer oder Mieter. Zwangsläufig besteht die Motivation des Maklers darin, einen hohen Preis durchzusetzen, aber beim Service für den zahlenden Kunden möglichst wenig Aufwand zu betreiben. Ein klarer Interessenskonflikt.
In vielen anderen entwickelten Ländern ist es üblich, dass der Verkäufer den Vermittler bezahlt. In Deutschland dagegen ist weder geregelt, was ein Immobilienmakler leisten muss noch wie hoch seine Provision beim Kauf von Wohneigentum sein soll. Lediglich bei Mietverträgen gibt es Klarheit: Makler dürfen nach dem Wohnungsvermittlungsgesetz nur eine Provision in Höhe von maximal zwei Monatskaltmieten, zuzüglich Mehrwertsteuer, für ihre Dienste verlangen, urteilte das Oberlandesgericht München (Az.: OLG München 7 U 4005/90). Die Dienste der Makler sind für Mieter allerdings nicht automatisch provisionspflichtig. Voraussetzung ist ein Maklervertrag, aus dem auch hervorgeht, dass der Mieter Provision zu zahlen hat, urteilte der Bundesgerichtshof (Az.: BGH IVa ZR 246/84). Neben der Höhe der Provision ist nämlich oft umstritten, ob der Makler auch einen Auftrag hat. Nicht selten durchforschen Vermittler Zeitungen und Internet und drängeln sich den Kunden auf.
Ein Dickicht von Gebühren
Beim Wohnungsverkauf herrscht ein noch größeres Dickicht aus Gebühren und Gewohnheitsrecht. Zwischen drei und sieben Prozent des Kaufpreises werden ja nach Region gezahlt. Statistiken gibt es nicht. Und eine gesetzliche Regelung ist nicht in Sicht. Die letzten Bundesregierungen hatten es abgelehnt, einen gesetzlichen Rahmen für den Maklerberuf zu schaffen. Das Argument lautet stets: Was der Markt im Laufe der Jahre hervorgebracht hat, kann ja so falsch nicht sein.
Erst vor zehn Tagen lehnte der Bundestag mit Regierungsmehrheit einen Antrag von SPD und Grünen ab. Die hatten gefordert, dass sich künftig Vermieter und Mieter die Maklerprovision zu jeweils 50 Prozent teilen. Die Parlamentarier argumentierten erstaunlich beliebig. Er habe gerade eine Wohnung in Berlin gesucht, berichtete der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak. Und eine gefunden – ohne Provision zahlen zu müssen. Wozu also eine Regulierung? Das Bundesjustizministerium sieht nach der Ablehnung der Anträge von SPD und Grünen im Bundestag keinen Handlungsbedarf – im Gegensatz zu Hunderttausenden Mietern und Käufern.
In München fordern die Grünen angesichts der hohen Mieten sogar die Abschaffung der Maklergebühren. Diese würden wohnungssuchende Familien noch stärker belasten. Makler sollen bei der erfolgreichen Vermittlung eines Mietvertrages zwar ein Entgelt verlangen dürfen, aber nur vom ursprünglichen Auftraggeber. Das könnten Vermieter, aber auch Wohnungssuchende sein.
Wer zahlt die Maklergebühr
Dies sei im Grunde genommen die richtige Denkrichtung, sagt Harald Blumenauer. „Vorbild sollten internationale Gepflogenheiten sein. Grundsätzlich sollte gelten: Wer beauftragt, der soll bezahlen.“ In der Regel sei das die Verkäuferseite, so Blumenauer. An die richtet sich auch seine Firma iMakler, die statt einer kaufpreisabhängigen Provision eine Pauschale in Höhe von 995 Euro verlangt. Dafür bietet iMakler eine Vermittlung, die sich auf sechs Monate erstreckt. Bleibt der Erfolg aus, können die Kunden den Vertrag um weitere sechs Monate verlängern – für dann 495 Euro. Von den häufig fünfstelligen Beträgen ist diese Summe weit entfernt. Ungewohnt für viele Kunden ist allerdings, dass iMakler kein flächendeckendes Filialnetz hat. Dafür aber ist neben der Organisation bis hin zum Notarvertrag ein Wertgutachten eines ortskundigen Sachverständigen im Preis enthalten – „eine Leistung, die viele Makler gar nicht erst anbieten“, betont Blumenauer. Als er vor einigen Jahren mit seiner Geschäftsidee auftauchte, wurde er heftig von seinen Makler-Kollegen angefeindet. Zeitweise versuchte der Branchenverband IVD sogar, ihm zu untersagen, seine Firma mit der Bezeichnung „Makler“ versehen zu dürfen.
Geht es nach den alteingesessenen Maklern, bleibt am besten alles so wie es ist. In Regionen mit knappem Angebot und hohen Preisen zahlen Käufer. In Regionen mit hohem Leerstand dagegen Verkäufer. Die Argumente für dieses Modell und gegen den Vorschlag der Münchener Grünen, die Courtage dem Vermieter beziehungsweise Verkäufer zu überlassen, sind abenteuerlich. Markus Schmidt, Chefanalyst des Düsseldorfer Maklerhauses Aengevelt, erwartet beispielsweise, dass die mit Courtage belasteten Vermieter ihre Kosten auf andere Mieter umwälzen könnten. Zunächst betreffe der Vorschlag der Grünen nur die Neuanmietungen. „Danach erfolgt aufgrund des allgemein steigenden Mietniveaus eine Erhöhung der ortüblichen Mieten, die Bestandsmieten werden nachziehen“, sagt Schmidt. Das Szenario des Experten setzt allerdings eines voraus: Die Courtage müsste so hoch sein wie bisher üblich. Doch würde ein Vermieter tatsächlich mehrere Tausend Euro für die Vermittlung einer einzigen Wohnung überweisen? Sorgen sich die Makler möglicherweise nur um das leichte Geschäft mit Mietern und Käufern, die in gefragten Lagen zahlen müssen?
Verband gegen gesetzliche Regelung
Verbandschef Sven Johns hält freilich an den geltenden Regeln fest. „Ein gesetzlicher Regelungsbedarf ist nicht notwendig“, sagt Johns, „weil die Dienstleistungen des Maklers und ihre Bezahlung von Angebot und Nachfrage geregelt werden sollen, wie das auch bisher der Fall ist.“ In funktionierenden Märkten würden die Provisionen immer von einer Seite je nach Interessenslage getragen. Es stelle sich auch nicht die Frage, ob man Makler künftig noch braucht, meint Johns: „Ein Makler hat im Markt eine Transparenzfunktion aber auch eine Beschleunigungsfunktion.“
Auffällig häufig wird allerdings in eine fragwürdige Richtung beschleunigt, wie zahlreiche Berichte auch von Mitgliedern der „Welt am Sonntag“-Redaktion zeigen. So sollte vor wenigen Jahren ein Mieter ein heikles Dokument unterschreiben, um an die gewünschte Dachgeschosswohnung zu kommen: „Hiermit wird bestätigt, dass keine Provisionsforderung für die Vermittlung der Wohnung besteht. Herr (Mieter) bestätigt mit seiner Unterschrift, dass keine Provisionszahlung (…) erfolgte“, so der Wortlaut des Schreibens, das der Redaktion vorliegt. Der Makler forderte dann trotzdem die üblichen zwei Monatskaltmieten – bar auf die Hand.
Angesichts solcher Auswüchse werden immer mehr Bürger ihre Immobiliengeschäfte selbst in die Hand nehmen. Und wer dennoch einen Makler beauftragt oder mit ihm konfrontiert wird, sollte wenigstens eins tun: hart über die Provision verhandeln.