Eine der schillerndsten Figuren aus der Welt der Vorstandsetagen und der Gesellschaft tritt ab: L'Oréal-Chef Lindsay Owen-Jones.

Paris. Lindsay Owen-Jones ist ein Mann der Superlative: Höher, schneller, weiter lautet seine Maxime – egal, ob beim Segeln, beim Autorennsport oder bei der Leitung des Weltkonzerns L'Oréal. Unter seiner Ägide stieg die Marktkapitalisierung der Kosmetikgruppe um den Faktor 14 auf heute 53 Milliarden Euro, wie kürzlich der „Figaro“ nachgerechnet hat. In der rund 80-jährigen L'Oréal-Geschichte war der Manager mit dem Auftreten eines Playboys erst der vierte Mann an der Spitze – und er machte das Unternehmen zum Weltmarktführer.

Nach französischen Medienberichten wird er am Tag seines 65. Geburtstags (17. März) als Vorsitzender des Verwaltungsrats zurücktreten und seinem designierten Nachfolger Jean-Paul Agon Platz machen. An diesem Donnerstag will der Verwaltungsrat darüber entscheiden. Schon im April 2006 hatte er Agon seine Funktion als Geschäftsführer übertragen. Auch darin unterscheidet sich Owen-Jones von vielen anderen Topmanagern: Er hat frühzeitig begonnen, den Nachfolger aufzubauen.

„OJ“, wie er von Mitarbeitern und Kollegen genannt wird, war in vielfacher Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Er war der einzige Ausländer an der Spitze eines französischen Unternehmens, das im Leitindex CAC40 zu den ganz Großen zählt; er galt als bestbezahlter und auch am meisten bewunderter Manager Frankreichs. Von der Queen wurde der gebürtige Waliser zum Ritter geschlagen, vom französischen Präsidenten gab es den Titel eines Kommandeurs der Ehrenlegion, von einem spanischen Wirtschaftsmagazin den Titel „Europas bester Manager“.

Als 42-Jähriger hatte der Oxford-Absolvent die Geschicke des Unternehmens in die Hand genommen – nachdem er 1969 dort als Shampoo-Verkäufer begonnen hatte. Selbst in schlechten Jahren verblüffte er mit satten Zuwächsen.

„Es war der Beruf seines Lebens: Jahrelange Eroberungen von Marktanteilen in den Kosmetik-Schützengräben – und das Image eines permanenten „Managers des Jahres“, der fast 20 Jahre lang zweistellige Wachstumsraten vorzulegen verstand“, meinte die Zeitung „Journal du Dimanche“ bewundernd. Sie hatte als erste über den überraschenden Stabwechsel berichtet – Owen-Jones' Mandat läuft offiziell eigentlich erst 2014 aus.

Der Führungswechsel würde das Ende einer Ära bedeuten. Er käme nur wenige Wochen nach einer Einigung im skandalträchtigen Familienstreit der Großaktionärin und Milliardärin Liliane Bettencourt sowie ihrer Tochter Françoise. Dabei war ein großzügiges Bettencourt-Geschenk von 100 Millionen Euro für den erfolgreichen Topmanager Owen-Jones bekanntgeworden.

Dieser betonte, ihn plagten weder Komplexe noch Bedauern, weil er das Geld genommen habe. Immerhin sei er der von Bettencourt entsandte Konzernchef – eine Bemerkung, die beim zweiten Großaktionär, dem schweizerischen Nestlé-Konzern, nach Medienberichten für gehobene Augenbrauen gesorgt haben soll.

Owen-Jones habe auf dem Höhepunkt des Erfolges den Stab übergeben wollen. Der Zeitpunkt ist günstig: L'Oréal wird am Donnerstag nach Börsenschluss die Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahres präsentieren. Erwartet werden erneut überaus positive Zahlen.