Mehr als 2000 Firmen stellen in der Sportartikelmesse ispo ihre Produkte vor. Dank des harten Winters verkaufen sich Skier und Sportmode blendend.
Die Karawane zieht weiter. Gen Gipfelkreuz. Ein Wanderer stapft mit seinen Schneeschuhen eine Spur in den tiefen Schnee, ihm folgen noch vier weitere Hobby-Alpinisten mit Teleskopstöcken und den Yeti-ähnlichen Tatzen unterm Schuh. Daneben gleiten Tourengeher, die unter ihre Ski Felle geschnallt haben, rhythmisch nach oben. Zahlreiche Spuren haben sich in den Hang eingegraben. Auch schön geschwungene S-Kurven von Snowboardfahrern, die nach einer Verschnaufpause auf dem Gipfel ins Tal rauschen. Der Simetsberg am Walchensee gehört mit seinen 1836 Metern zu den beliebten Münchner „Hausbergen“. Hierher zieht es gerade an den Wochenenden Freizeitsportler, die Tausend Höhenmeter und die Ruhe von der Großstadt suchen.
Oberhalb der Waldgrenze lässt sich nicht nur, wie vergangenes Wochenende, ein grandioses Alpenpanorama bestaunen, es lassen sich auch die Kunden einer Branche beobachten, die mit ihren Vorlieben für teure Ware und neueste Trends die Umsätze bringen. Skischuhe? Plus 26 Prozent. Snowboards? Plus 18 Prozent. Alpinski? Plus 22 Prozent. Die zweistelligen Zuwachsraten im vergangenen Jahr lassen Werner Haizmann, den Präsidenten des Verbandes Deutscher Sportfachhandel (VDS), denn auch von einem „phänomenalen Wintergeschäft“ sprechen. „Wir hatten nun drei gute Winter in Folge. Die Branche schwebt zwar nicht über den Wolken, ist aber richtig gut drauf“, sagt auch Klaus Jost, Chef des weltgrößten Sporthändlerverbunds Intersport.
Die Regel für Wachstum in der Wintersportindustrie ist einfach: Fällt viel Schnee, und der auch noch früh in der Saison, wird es ein gutes Jahr. So wie 2010/11. Bleiben hingegen die Hänge grün so wie 2006/07, und zwar weltweit, ist die Saison katastrophal – und Existenz bedrohend für Hersteller wie Händler.
Was die Branche bewegt, lässt sich seit Sonntag noch bis diesen Mittwoch auf der weltgrößten Sportartikelmesse ispo in München sehen. 2267 Firmen, zehn Prozent mehr als im Vorjahr, aus 49 Ländern zeigen ihre Neuheiten für den kommenden Winter. Da reicht das Angebot von Snowboards, die zum Tourengehen zusammengeklappt werden können, über Rucksäcke mit eingebautem Airbag, Ski, die krumm sind wie eine Banane, Jacken mit GPS-Funktion bis hin zu Stoffen, die die Herzfrequenz messen.
Der Sporthandel in Deutschland wächst seit fünf Jahren kontinuierlich und nimmt damit eine deutlich bessere Entwicklung als der Einzelhandel insgesamt. Der Umsatz mit Sportartikeln betrug Intersport zufolge im vergangenen Jahr 7,86 Mrd. Euro, sieben Prozent oder 500 Mio. Euro mehr als im Jahr 2009. Wintersportartikel erzielten ein Umsatzplus von 25 Prozent. Rund zwei Mrd. Euro werden mit ihnen in Deutschland erlöst. Bisweilen konnten die Lieferanten im vergangenen Jahr mit der hohen Nachfrage nicht Schritt halten. Bei Langlaufski, schwarzen Skihosen, Holzschlitten und Kinderbekleidung für den Winter hieß es denn auch desöfteren: Ausverkauft.
Der milde Januar sorgte hingegen bei den beiden großen Händlergemeinschaften Intersport und Sport 2000 für einen mäßigen Start ins Jahr 2011. Die Intersport-Händler setzten 19 Prozent weniger um als im Januar 2010, bei den Sport 2000-Händlern betrug der Rückgang auch beachtliche neun Prozent.
Hoffnungsträger Skisport
Für dieses Jahr erwartet Intersport insgesamt stabile Umsätze, Sport 2000-Chef Andreas Rudolf erhofft sich hingegen „drei Prozent plus X“. Die Hoffnungen ruhen unter anderem auf dem Skisport. Hersteller wie Völkl, K2 und Atomic können sich schon lange nicht mehr damit begnügen, einfach nur flache Bretter mit Stahlkanten zu produzieren. Nachdem vor einigen Jahren die Carver, also taillierte Ski, Einzug hielten und den Markt seither beherrschen, steht nun eine neue Revolution an: „Rocker“, heißen Ski, die an den Schaufel-Enden nach oben gebogen sind. Gerade im Tiefschnee bieten sie mehr Auftrieb, sie erleichtern also das Fahren. Als „ganz wichtige Entwicklung für den Skimarkt“ bezeichnet Intersport-Chef Jost die Rocker-Technologie. Denn Branchenexperten gehen davon aus, dass die Neuheit in der kommenden Saison bereits für 50 bis 70 Prozent des Umsatzes mit Ski sorgen. Der Markt braucht neue Impulse. Denn der Absatz von Alpinski ist tendenziell rückläufig. 2000/2001 wurden noch 684.000 Paar in Deutschland veräußert. 2008/2009 waren es nur noch 364.000. Dank der Rocker und des Winterwetters stieg im vergangenen Jahr der Umsatz mit Alpinski wieder um ein Fünftel. Ob man mittelfristig an alte Verkaufszahlen herankommt, ist fraglich. Denn eine Entwicklung ist ungebrochen stark: Immer mehr Skifahrer leihen sich ihre Ausrüstung. Snowboards sind weiter vor allem bei Jugendlichen beliebt, mit ihren grellen Outfits setzen sie die modischen Akzente auf der Piste. Die Hersteller stemmen sich jedoch gegen eine Absetzbewegung. Denn das Snowboard hat durch Freeride-Ski und Fun-Ski Konkurrenz bekommen.
Mit gutem Gewissen in die Natur
Während Rocker recht neu sind, spielt das Thema Ökologie schon seit längerem eine Rolle. Der Kern des Ski besteht aus heimischen Hölzern, auf dem Belag sind Bienenwachs und Sojaöl aufgetragen, und statt einer Plastikhaut schützt die Oberfläche eine Mischung aus Leinen und Hanf: Wen es raus in die Natur zieht, der möchte das auch mit einem guten ökologischen Gewissen tun. So betont fast jeder Ski-, Rucksack- und Bekleidungshersteller, dass er nachwachsende Rohstoffe für seine Produkte einsetzt.
Zur wichtigsten Größe im Sporthandel hat sich, saisonübergreifend, der Bereich Outdoor aufgeschwungen. Der Boom bei Anoraks, die auch schon mal 600 Euro kosten dürfen, bei Teleskopstöcken, Rucksäcken und Trekkingschuhen geht vorerst weiter. Das Segment Outdoor sorgt für ein gutes Fünftel der Sportartikel-Umsätze – auch weil Jacken, in denen man auch aufs Matterhorn steigen könnte, inzwischen als stadtfein gelten. Der Outdoor-Markt ist von Mittelständlern, darunter vielen Anbietern aus Deutschland, geprägt. Es gibt da nicht den einen großen Platzhirschen, zahlreiche kleinere Spezialanbieter tummeln sich. Nummer eins ist der US-Hersteller North Face, der auf rund eine Milliarde Euro Umsatz kommt. Mit deutlichem Abstand folgt die deutsche Firma Jack Wolfskin, die Finanzinvestoren gehört und seit Monaten zum Verkauf steht. Die Marke mit der Bärentatze setzte 2009 rund 250 Millionen Euro um. Bei Intersport-Händlern ist sie, gemessen an den Umsätzen, inzwischen an Position 2, bei Sport 2000 auf Rang 3 vorgerückt. Marken wie etwa Patagonia, Mammut, Schöffel, Vaude oder Salewa bewegen sich deutlich dahinter. Dabei reicht es nicht mehr, nur in die Produkte zu investieren. So hat die Schweizer Firma Mammut eine eigene Bergsportschule gegründet, in der Kunden Skitouren gehen oder Eisklettern lernen können. Käufer sollen damit enger an die Marke gebunden werden.
Wie viel Potenzial der Outdoorbranche zugemessen wird, zeigt sich auch beim Sportartikelhersteller Adidas. Mit Erlösen durch Outdoor-Artikel in Höhe von 200 Millionen Euro sei man zwar schon heute eine Größe, sagt Adidas-Chef Herbert Hainer. Sein Ziel: „Bis 2015 wollen wir 500 Millionen Euro schaffen.“
Letztlich gehören zum Bereich Outdoor auch Schneeschuhe, die vor nicht allzu langer Zeit noch Trappern in Skandinavien und Kanada vorbehalten waren, in Deutschland inzwischen aber schon in den Regalen der Discounter zu finden sind und an den Wochenenden auf den Bergen rund um München. „Schneeschuhwandern ist ein Freizeitsport, den man auch noch im Alter sehr gut betreiben kann“, beschreibt Jost den Vorteil. der für die gesamte Outdoor-Industrie gilt. Die zahlungskräftige Kundschaft im Alter von 40 bis 70 sorgt für das Gros der Umsätze. Wahrscheinlich auch deshalb wird sie in der Branche gerne „Silver Generation“ genannt oder „Best Ager“, „Menschen im besten Alter“ eben.