Marktführer verfünffacht Preise der Spezialmetalle für Handys und iPods. Hamburger Firma Auer-Remy ist Deutschlands wichtigster Händler.
Hamburg. Gold hat sich im Jahr 2010 um 27 Prozent verteuert und Silber um 60 Prozent, doch ein anderer Rohstoff stellt die beiden Edelmetalle weit in den Schatten: Der Preis der sogenannten Seltenen Erden hat sich von Juli bis Dezember fast verfünffacht - und das macht der weltweiten Industrie große Sorgen. Denn diese Gruppe von 17 chemischen Elementen ist unverzichtbar für die Produktion zahlreicher technischer Geräte, die ihrerseits immer gefragter werden. So benötigt man die Substanzen für die Fertigung von Apples iPad und iPod ebenso wie für Generatoren von Windkraftanlagen, Akkus der Elektroautos, Flachbildschirme, Energiesparlampen und Handys.
"In der Zukunft besteht das Risiko, dass es zu echten Versorgungsengpässen kommt", sagt Werner Schnappauf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), dem Abendblatt. "Seltene Erden sind für die deutsche Wirtschaft mindestens so wichtig wie Erdöl und Erze", warnt auch August-Wilhelm Scheer, Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und Neue Medien (Bitkom).
Schon im vergangenen Jahr habe die Nachfrage der Kunden immer wieder das Angebot überstiegen, sagt Johannes Lange, Geschäftsführender Gesellschafter des Hamburger Handelshauses Auer-Remy, nach eigenen Angaben die Nummer eins unter den Händlern Seltener Erden für den deutschen Markt: "Wir haben bereits Versorgungsknappheit gesehen und die Situation wird von Woche zu Woche schwieriger. Die Preise werden weiter steigen."
Diese Verteuerung ist die Konsequenz einer Monopolstellung: Von den 124 000 Tonnen dieser Mineralien, die im Jahr 2009 gefördert wurden, entfielen 120 000 Tonnen auf China, was einem Weltmarktanteil von 97 Prozent entspricht. Während aber die Nachfragemengen stetig zunehmen - Analysten der Commerzbank rechnen mit einem Anstieg des Bedarfs auf 190 000 Tonnen bis 2014 -, fährt die Regierung in Peking die Ausfuhrmengen zurück. Für das erste Halbjahr 2011 hat sie die Exportquote um 35 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gekappt. Die offizielle Begründung: schärfere Umweltauflagen für die Bergbaubetriebe. Weil die Metalle mit Säuren aus dem Boden gewaschen werden, bleibt beim Abbau giftiger Schlamm zurück.
Fachleute stehen dieser Erklärung jedoch skeptisch gegenüber. "China erhebt nicht nur bei Seltene-Erden-Metallen, sondern bei sämtlichen Metallrohstoffen Ausfuhrbeschränkungen, teilweise in beträchtlichem Umfang", sagt Schnappauf dazu. Ohne Zweifel sind sich die Asiaten ihrer Angebotsmacht durchaus bewusst.
"Der Mittlere Osten hat sein Öl, China hat Seltene Erden", hatte der Spitzenpolitiker und Wirtschaftsreformer Deng Xiaoping bereits im Jahr 1992 gesagt. Diese Macht spielt man nun immer stärker aus. So hat Peking kürzlich elf weitere Minen unter staatliche Kontrolle gebracht und mit Wirkung vom 1. Januar die Exportzölle auf einige der 17 Elemente heraufgesetzt. Wegen solcher Beschränkungen drohen die USA den Chinesen bereits mit einer Beschwerde vor der Welthandelsorganisation WTO. Doch die Industrie fordert eine schnellere Lösung. "Die Verfahren der WTO sind zu langwierig", sagt Schnappauf. Der BDI werde darauf drängen, dass auf dem Gipfeltreffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) in diesem Jahr in Frankreich über das Thema Seltene Erden gesprochen wird.
Wenn sich nichts ändere, könne die "künstliche Verknappung" in der Folge zu "Preissteigerungen und Lieferengpässen" bei stark nachgefragten technischen Geräten führen, so Scheer.
Experten haben eine Erklärung dafür, warum die Verbraucher davon bislang kaum etwas gespürt haben: Die Hersteller konnten noch auf Lagerbestände zurückgreifen. Außerdem werden die bisher meist nur in vergleichsweise kleinen Umfängen eingesetzt. Aber das wird sich ändern, weil Endprodukte, für die größere Mengen gebraucht werden, demnächst in wesentlich höherer Zahl auf den Markt kommen. Das gilt unter anderem für das Elektroauto, in dem 15 bis 20 Kilogramm Lanthan verbaut werden.
All dies spricht dafür, dass sich die Lage weiter zuspitzt. Dabei sind die zukunftsträchtigen Mineralien trotz ihres Namens tatsächlich gar nicht so rar: Selbst die exotischeren unter ihnen kommen in der Erdkruste immerhin 200-mal so häufig vor wie Gold, manche sind so verbreitet wie Kupfer oder Blei. Grundsätzlich findet man sie fast überall auf der Welt. Doch weil China die Seltenen Erden bis in die 1990er-Jahre hinein zu sehr niedrigen Preisen verkaufte, wurden nach und nach fast alle Förderstätten in anderen Ländern geschlossen - auch wegen der problematischen Umweltbelastungen.
Nun allerdings setzt angesichts der drastischen Verteuerung ein Umdenken ein. "Eine Mine in der Nähe von Las Vegas soll Ende 2012 wieder in Betrieb gehen", sagt Lange, zwei weitere könnten in Australien von 2013 an fördern. "Kurzfristig ändert sich an der Knappheit aber nichts", ist der Hamburger Händler überzeugt, "die nächsten drei oder vier Jahre werden sicherlich schwierig bleiben."
Für Auer-Remy seien die Preisanstiege jedoch lukrativ, räumt Lange ein. Die Firma mit aktuell sieben Beschäftigten gehört seit dem Jahr 2008 zum Hamburger Chemikalienspezialisten Lehmann & Voss. Im Handel mit Seltenen Erden setzt Auer-Remy rund vier Millionen Euro um, das sind etwa 60 Prozent des Gesamtumsatzes. Beliefert werden nach Angaben von Lange "einige Hundert" Kunden in Deutschland - darunter ein großer Teil der DAX- und MDAX-Unternehmen - mit Mengen von bis zu 20 Tonnen pro Jahr. In Hamburg allerdings sei ein Institut der einzige Kunde.