Behandlungsfehler und Infektionen in Krankenhäusern sind nach EU-Angaben an der Tagesordung. Dabei wären viele medizinische Fehler vermeidbar.
Die EU schlägt Alarm: Jede zehnte Behandlung im Krankenhaus ist fehlerhaft. EU-Gesundheitskommissar John Dalli sagte „Welt Online“: „In der Europäischen Union entsteht bei jeder zehnten medizinischen Behandlung im Krankenhaus ein Schaden für die Patienten. Viele dieser medizinischen Fehler sind vermeidbar.“ So könnten etwa ein besseres Management im Krankenhaus und eine permanente Weiterbildung des medizinischen Personals Abhilfe schaffen. Dalli: „Wir fordern, dass medizinische Behandlungsfehler von den zuständigen Behörden erfasst werden, dass Klagen erleichtert und Entschädigungen für die Betroffenen sicher gestellt werden.“
In Deutschland ist es nach Angaben von Kritikern häufig immer noch äußerst schwierig, Schadensersatzansprüche bei medizinischen Behandlungsfehlern durchzusetzen. Ein so genanntes Patientenrechtegesetz gibt es noch nicht. Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Wolfgang Zöller (CSU), fordert dies schon lange: „Ich möchte ein Patientenrechtegesetz, durch das der Patient mehr als Partner im Gesundheitssystem auftreten kann.“ Zöller will auch ein Melderegister bei Behandlungsfehlern. „Wir brauchen in der Medizin eine neue Fehlerkultur.“ Ärzteverbände warnen dagegen davor, im Gesundheitssystem „in eine Opfer-Täter-Rolle zu verfallen“. Die individuellen Patientenrechte sind, so sieht es jedenfalls die Bundesärztekammer, im Behandlungsvertrag „ausreichend“ gesichert.
Dalli, der ebenso wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, sieht auch bei der Krankenhaushygiene Handlungsbedarf. Die EU-Kommission erwarte, so Dalli, dass die Krankenhäuser „die Hygienemaßnahmen zum Wohl ihrer Patienten konsequent sehr streng kontrollieren und höchste Sicherheitsstandards einhalten“. Es dürfe bei der Krankenhaushygiene nicht gespart werden, auch wenn viele Häuser zunehmend unter finanziellem Druck stehen.
„Die Situation ist alarmierend. Rund 37.000 Menschen sterben pro Jahr in der EU durch Krankenhausinfektionen und 4,1 Millionen Patienten werden jährlich durch Krankenhauskeime infiziert“, sagte der Kommissar aus Malta. Diese Entwicklung kritisiert auch die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). „Bei vielen medizinischen Behandlungen werden die Mindeststandards der Hygiene nicht eingehalten. „Es sterben viele Menschen, die nicht sterben müssten“, sagte DGKH-Sprecher Klaus-Dieter Zastrow, Chefarzt für Hygiene in den Berliner Vivantes-Kliniken.
So seien Intensivstationen vor allem nachts nicht immer ausreichend besetzt, um die notwendigen Hygienemaßnahmen durchzuführen. „Das ist ein Problem“, so Zastrow. Der Mediziner fordert einheitliche Hygienevorschriften in ganz Deutschland. „Der Gesetzgeber muss endlich handeln. Bakterien sind überall gleich, für sie gibt es keine Unterschiede zwischen den Bundesländern.“ Bisher gibt es in den Bundesländern vereinzelt Hygieneverordnungen, die sich aber teilweise stark voneinander unterscheiden. Ein Grundproblem ist dabei: Es fehlen Fachkräfte für Hygiene. Diese Situation dürfte sich erst in ein paar Jahren ändern.
Zastrow: „Um die Hygienesituation in Krankenhäusern zu verbessern, ist es notwendig, dass jedes Krankenhaus mit mehr als 450 Betten einen Facharzt für Hygiene beschäftigt.“ Kleinere Krankenhäuser sollten sich dagegen von einem Facharzt beraten lassen. „Außerdem müssen Krankenschwestern beschäftigt werden, die durch eine einjährige Weiterbildung zur Hygienefachkraft ausgebildet wurden.“
Ein Indikator für die Krankenhaushygiene ist der Wundkeim MRSA. Er tritt in Deutschland rund 20 Mal häufiger auf als in den Niederlanden. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung ist nach Angaben von Hygiene-Experten, dass die betroffenen Patienten in den Niederlanden konsequent und frühzeitig isoliert werden. Hinzu kommt: Aus Kostengründen werden in Deutschland bei Verdacht auf MRSA in vielen Fällen nicht unverzüglich sämtliche antibiotische Tests – das so genannte Antibiogramm – vorgenommen, um das notwendige Gegenmittel gegen den multiresistenten Keim zu finden. Dadurch geht wertvolle Zeit verloren, die den Patienten das Leben kosten kann.