Die Großreeder verdienen wieder in ihrem Geschäft. Die Lage der deutschen Werften wird aber immer bedrohlicher.

Hamburg. Die deutsche Schifffahrtsbranche beendet das Jahr optimistisch. Der Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR), Michael Behrendt, sieht „einen Silberstreif“ in Sicht. 2010 werde der Welthandel 11,4 Prozent wachsen, für 2011 würden 7 Prozent erwartet, sagt er voraus und freut sich, denn mehr Handel bedeute auch mehr Fracht für die Schiffe.

Ganz anders beurteilen die deutschen Werften ihre Lage: 2010 ist eines der schlechtesten Jahre für die Branche. Übermächtige Konkurrenz aus China und große Probleme bei der Finanzierung von Neubauten verdarben den deutschen Werften das Geschäft. Auch für 2011 zeichnen sich keine besseren Zeiten ab, der Anpassungsprozess nach unten geht weiter.

Die deutsche Handelsflotte wuchs 2010 trotz Krise um 200 Stück auf 3645 Schiffe, nur wurden wenige davon in Deutschland gebaut. Deutschland ist nach Japan und Griechenland die drittgrößte Schifffahrtsnation der Welt. Viele Reedereien verdienen auch wieder ordentlich Geld, vor allem die Linienschifffahrt. Die Charterraten genannten Transportpreise ziehen an.

Hapag-Lloyd erwägt Börsengang

Leuchtendes Beispiel für diese Erholung ist die Reederei Hapag-Lloyd. In den ersten neun Monaten 2010 erzielten die Hamburger einen Umsatz von 4,7 Milliarden Euro und ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 744 Millionen Euro. Das Gesamtjahr werde das beste Jahr der Reederei überhaupt werden, sagt Behrendt, der auch Hapag-Chef ist. Als Ergebnis der guten Zahlen prüfen die Besitzer TUI und ein Hamburger Konsortium nun einen Börsengang.

Allerdings erreicht der Aufschwung noch nicht alle Reedereien. Viele kleine Familienbetriebe stecken immer noch in der Krise. „Die Krise ist für viele Unternehmen noch nicht vorbei“, sagt Behrendt. Die kleinen Reeder haben oft nur vier Schiffe oder weniger. Probleme bei einzelnen Schiffen setzen ihnen härter zu als den Branchengiganten.

Vor allem geht es um Finanzierungsklemmen: Die Banken ziehen ihre Finanzierungsrichtlinien an, geben also weniger Kredit oder verlangen höhere Zinsen. Der Verband forderte die Banken auf, bei den Finanzierungen beweglicher zu sein.

Hamburg weltweit wichtigste Stadt für Schiffsfinanzierungen

Als weltweit wichtigste Stadt für Schiffsfinanzierungen gilt Hamburg. Allerdings ist diese Rolle in Gefahr, weil die HSH Nordbank, der größte Schiffsfinanzierer der Welt, im Umbruch steckt. Es wird erwartet, dass die Landesbank von Hamburg und Schleswig-Holstein in den nächsten Jahren privatisiert wird. Ob dann Geschäfte aus Hamburg verlagert werden, ist möglich. „Es ist wichtig, dass die Kompetenz in Hamburg erhalten bleibt“, sagt der Verbandschef.

Im Dezember hatte die HSH Nordbank einen hohen Kredit einer chinesischen Staatsbank erhalten. Branchenbeobachter halten es für möglich, das die Chinesen in das Geschäft der Schiffsfinanzierung einsteigen wollen.

Stichwort China: Das Land baut derzeit seine Werften kräftig aus und ist inzwischen größter Hersteller der Welt. Gefüllt würden die Bauplätze mithilfe von Subventionen, kritisiert der deutsche Verband Schiffbau- und Meerestechnik (VSM). Als Ergebnis haben sich die verbesserte Weltwirtschaftslage und die aufwärtsgerichtete Schifffahrt bei den deutschen Schiffbauunternehmen nicht in mehr Bestellungen niedergeschlagen. Bisher wurden nur 22 Schiffe neu bestellt, weit unter der Jahresproduktion etwa von 2008 von 84. Schon 2009 war die deutsche Produktion auf 54 Neubauten eingebrochen. Zum Vergleich: Weltweit wurden in den ersten drei Quartalen insgesamt 1.678 Schiffe bestellt.

Langsam aber sicher bluten die deutschen Werften aus. Nur noch wenige gut geführte und spezialisierte Firmen wie die Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg können im Wettbewerb mithalten. 18.700 Beschäftigte auf den Werften bedeuten einen Rückgang von fast sieben Prozent über das Jahr. Ohne Militäraufträge und Reparaturarbeiten sähe die Lage noch schlechter aus. „Wir brauchen dringend Aufträge“, sagt Verbandssprecherin Kathrin Ehlert-Larsen.