15 Milliarden Euro sollen durch Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen aufgebracht werden. Diskussion über Forderungsverzicht privater Banken
Hamburg. Brian Cowen hat den mehrtägigen Spekulationen ein Ende gesetzt: 85 Milliarden Euro will Irland aus dem internationalen Rettungsfonds. Die Zahl sei zwar noch nicht beschlossen, über sie werde aber verhandelt, sagt der Premierminister des in eine akute Schuldenkrise geratenen Inselstaates. Doch der Preis für die Hilfsaktion ist hoch. Cowens Finanzminister Brian Lenihan schwor seine Landsleute auf strikte Sparmaßnahmen, soziale Einschnitte sowie höhere Steuern und Abgaben in den nächsten vier Jahren ein. "Diese Selbstverpflichtung wird Vertrauen zu Hause und im Ausland schaffen", sagte er.
15 Milliarden Euro sollen die Iren selbst zur Konsolidierung der Staatsfinanzen beitragen, davon zehn Milliarden Euro über Einschnitte bei den öffentlichen Ausgaben und fünf Milliarden Euro über Steuererhöhungen.
Das gestern von Cowen vorgelegte, 160 Seiten umfassende Programm sieht unter anderem vor, die Mehrwertsteuer von derzeit 21 Prozent auf 23 Prozent zu erhöhen. Außerdem müssen die Iren von 2014 an erstmals für ihr Trinkwasser bezahlen. Der Mindestlohn sinkt um einen Euro auf 7,65 Euro, knapp 25 000 Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst sollen gestrichen werden.
Doch die Sparpläne der innenpolitisch stark unter Druck geratenen Regierung sorgten ebenso wenig wie zuvor die Einigung auf ein Rettungspaket für Irland für Entspannung am Finanzmarkt. Stattdessen kletterten die Zinsen für irische, portugiesische und spanische Staatsanleihen weiter.
So stiegen die Zinsen für Portugals Papiere mit zehnjähriger Laufzeit auf sieben Prozent. "Anleger suchen ihr nächstes Ziel, und Portugal steht auf der Liste", sagte die Analystin Emilie Gay von Capital Economics in London. Für spanische Anleihen erhöhten sich die Zinsen gestern von 4,91 Prozent auf 5,08 Prozent.
Zu der Verunsicherung an den Märkten trugen auch die von der Bundesregierung vorangetriebenen Pläne, private Anleger wie etwa Banken, Versicherungen und Fonds am Risiko von Schuldenkrisen zu beteiligen, erheblich bei. Nach dem Willen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sollen nicht mehr allein die Steuerzahler durch Rettungsaktionen wie für die Griechen und die Iren belastet werden. Dagegen lehnen die Regierungen in Griechenland, Spanien und Irland das Vorhaben ab, weil sie steigende Risikoaufschläge für ihre Staatsanleihen befürchten.
"Ich bin aber überzeugt, dass eine solche Lösung kommen wird, zumal auch Frankreich dafür ist", sagte Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt bei UniCredit, dem Abendblatt. Er kann Ängste, wonach manche Länder dann faktisch vom Kapitalmarkt abgeschnitten würden, weil sie zu hohe Zinsen zahlen müssten, nicht nachvollziehen: "Natürlich werden die Investoren einen Risikoaufschlag fordern, aber ich glaube nicht, dass er auf dem enormen aktuellen Niveau bleibt." Sobald Klarheit über die Konditionen bestehe, werde der Markt ein neues "Gleichgewicht" suchen und finden.
In diesem Jahr haben die 14 größten deutschen Banken zusammen einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zufolge Staatsanleihen von knapp 13 Milliarden Euro in den Büchern. Per 31. März habe allein die Krisenbank Hypo Real Estate (HRE) Papiere im Volumen von gut zehn Milliarden Euro gehalten. Zähle man alle Titel der öffentlichen Hand in Irland, Griechenland, Portugal und Spanien zusammen, bange die HRE um rund 35,5 Milliarden Euro.
Das sei mehr als die Forderungen von Deutscher Bank, Commerzbank, DZ-Bank und der Landesbank Baden-Württemberg, die je sieben bis acht Milliarden Euro der vier Euro-Länder in den Bilanzen stehen hätten. Alle deutschen Großbanken zusammen kämen in dieser Kategorie auf Positionen von gut 75 Milliarden Euro.
Allerdings soll es bei der Neuregelung nicht um solche Altschulden gehen. Noch unklar ist jedoch, ob die privaten Anleger erst ab dem Jahr 2013 - wenn der Euro-Rettungsschirm ausläuft - für Risiken aus neuen Staatsanleihen mithaften müssen oder schon vom kommenden Jahr an.
Eine schnelle Änderung erwartet Rudolf Hickel, Leiter des Instituts Arbeit und Wirtschaft (IAW) an der Universität Bremen. "Ich halte es für absolut richtig, die Investoren an den Risiken zu beteiligen", sagte er. Ein sogenannter Haircut, also ein teilweiser Schuldenerlass, erleichtere schließlich auch die Sanierung der Finanzen des betroffenen Staates. Am Beispiel Russlands, das im Jahr 1998 den Anlegern einen Forderungsverzicht abverlangte, lasse sich zeigen, dass ein solcher Schritt die Investoren keineswegs dauerhaft abschrecke.
"Die Banken werden auch risikobewusster, wenn sie wissen, dass die Rückzahlung der Staatsanleihen nicht zu 100 Prozent garantiert ist", so Hickel. Sollten allerdings dennoch große Geldhäuser ins Wanken geraten, nachdem ein Euro-Land nicht mehr zahlen kann, müsste letztlich doch wieder der Staat haften. "Das kann im Extremfall passieren", räumt Hickel ein.