Die Rede ist von “ernst zu nehmendem Versagen des Triebwerks“, die EADS-Aktie sackte ab. Auch Triebwerkbauer Rolls-Royce gerät unter Druck.

Hamburg. Die ersten Minuten des Flugs QF32 vergingen für Ulf Waschbusch im Luftriesen Airbus A380 der australischen Gesellschaft Qantas wie jeder andere Trip in den Urlaub. Doch dann hörte der Deutsche von draußen einen lauten Knall: "Ich sah dort Teile aus der Tragfläche brechen."

Es sei wie im Film gewesen, "ganz surreal, nur dass man nicht im Kino sitzt und einen Horrorfilm anschaut", sagte der 33-jährige Deutsche. "Da waren Flammen - gelbe Flammen", beschrieb Passagierin Rosemary Hegardy den Moment, als eines der vier Triebwerke des Flugzeugs in Brand geriet. "Man konnte schwarze Teile durch den Rauch fliegen sehen, kleine Trümmerteile", sagte die 60-Jährige.

Erst nach der Landung, eine Stunde und 50 Minuten nach dem Abheben, zeigte sich die wahre Dimension des Unfalls: Eine Explosion hatte die hintere Verkleidung des Triebwerksgehäuses abgerissen, auf der Tragfläche klaffte ein 15 bis 20 Zentimeter großes Loch - es wurde offenbar von Motorteilen verursacht, die mit hoher Geschwindigkeit aus dem Düsentriebwerk herausgeschleudert wurden.

Für Experten besteht kein Zweifel daran, dass dies der bisher schwerste Zwischenfall mit einem der Airbus-Riesenjets seit Beginn des Linienbetriebs im Herbst 2007 ist. "Dies war ein ernst zu nehmendes Versagen eines Triebwerkes", sagte Alan Joyce, Chef der Fluggesellschaft Qantas. "Wir unterschätzen die Bedeutung dieser Angelegenheit nicht." Qantas entschied umgehend, die sechs bisher erhaltenen A380-Jets bis zur Klärung der Unfallursache nicht mehr einzusetzen.

"Die A380-Flotte am Boden zu lassen ist für uns keine Kleinigkeit", betonte Joyce. "Wir werden kein Risiko eingehen, was die Sicherheit der Passagiere angeht." Nach den Worten des Qantas-Chefs hätte die Maschine aber auch mit nur zwei Triebwerken fliegen können.

Ähnlich äußerte sich der Sprecher der Pilotenvereinigung Cockpit, Jörg Handwerg: "Es bestand aus meiner Sicht und nach den Informationen, die bisher vorliegen, keine unmittelbare Bedrohung für Leib und Leben der Passagiere." Die australischen Luftfahrtbehörden leiteten eine Untersuchung ein. Airbus teilte mit, das Unternehmen werde den Behörden technische Unterstützung gewähren, man habe ein Spezialistenteam nach Singapur geschickt.

37 der Airbus-Riesenjets fliegen bisher weltweit im Liniendienst

Qantas hat das betroffene Flugzeug im September 2008 erhalten, die Maschine hat seitdem 831 Flüge mit einer Dauer von 8165 Stunden absolviert. Weltweit stehen nach Airbus-Angaben bislang 37 Jets des Typs A380 im Liniendienst. Sie haben auf rund 20 000 Flügen zusammen mehr als sieben Millionen Passagiere befördert.

Auch Singapore Airlines lässt seine Airbus-Riesenflieger vorübergehend am Boden. "Das ist mit Blick auf die Passagiere verständlich, schließlich ereignete sich der Vorfall mit dem Qantas-Jet nach einem Start in Singapur", sagte der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt dem Abendblatt.

Bei der Lufthansa dagegen fliegen die A380-Maschinen weiter, obwohl sie mit dem gleichen Triebwerkstyp des britischen Herstellers Rolls-Royce ausgestattet sind wie der Qantas-Jet. "Wir sehen keinen Grund für Aktionismus", sagte Lufthansa-Sprecher Thomas Jachnow. "Wir beobachten natürlich die Untersuchungen und wir stehen mit den Herstellern des Flugzeugs und der Triebwerke in Kontakt. Es gibt aber keine Veranlassung, unsere A380-Flugzeuge am Boden zu lassen. Wir haben das keine Sekunde erwogen." Lediglich ein einzelner Flug nach Südafrika wurde abgesagt, weil die Zeit für eine zusätzliche Kontrolle der Motoren sonst nicht gereicht hätte.

Negative Reaktionen bei den Passagieren erwartet Jachnow nicht: "Unsere Fluggäste wissen, dass wir eine der sichersten Airlines sind und die Sicherheit für uns oberste Priorität hat." So habe am Donnerstag ein A380 nach Tokio abgehoben "und die Passagiere an Bord sind sehr gelassen geblieben", sagte Jachnow. Es habe keine Umbuchungswünsche gegeben.

Der Unfall bringt den Triebwerksbauer Rolls-Royce unter Druck

Zwar sackte die Aktie des Airbus-Mutterkonzens EADS gestern zeitweise um mehr als vier Prozent ab, doch Branchenexperte Großbongardt erwartet weder für Airbus noch für Qantas einen dauerhaften Imageschaden. Das zeigte sich gestern auch in einem neuen Großauftrag: China orderte 102 Airbus-Jets mit einem Listenpreis von rund zehn Milliarden Euro.

Anders sehe es für den Triebwerksbauer Rolls-Royce aus, so Großbongardt. Denn mit dessen Motoren habe es zuletzt "mehr als nur einen einzigen Vorfall" gegeben. Nicht zuletzt wegen technischer Schwierigkeiten mit den Rolls-Royce-Antrieben verzögert sich die Auslieferung des neuen Boeing-Jets 787 "Dreamliner" immer weiter, außerdem habe sich eines der 787-Triebwerke auf dem Teststand regelrecht "zerlegt".

Von den 17 Kunden, die bislang den Airbus A380 bestellt haben, entschieden sich neun für Motoren von Rolls-Royce und acht für das Konkurrenzprodukt, das von den US-Konzernen General Electric und Pratt & Whitney gemeinsam angeboten wird.