Nestlé steckt Millionen in Nahrungsmittel, die Diabetes oder Alzheimer vorbeugen sollen. Verbraucherschützer halten das für einen Werbetrick.
Der Nahrungsmittelriese Nestlé will künftig kräftig in neue Lebensmittel zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten investieren. Der Schweizer Konzern kündigte an, verstärkt spezielle Nahrungsmittel zu entwickeln, um Krankheiten wie Fettleibigkeit, Diabetes, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Alzheimer vorzubeugen und zu heilen. Dazu gründet Nestlé eine neue Tochtergesellschaft, die „Nestlé Health Science“ heißen und Januar 2011 mit der Arbeit beginnen soll.
Der neue Geschäftsbereich geht aus der bereits bestehenden Sparte Nestlé Health Nutrition hervor, die im vergangenen Jahr einen Umsatz von immerhin 1,6 Milliarden Franken (rund 1,2 Milliarden Euro) erzielte. Bei der Gesundheitsernährung geht es um Lebensmittel, deren Wirkung Medikamenten oft sehr ähnlich ist: So produziert Nestlé bereits Spezialgetränke mit extrem vielen Kalorien oder Trinknahrung für Menschen mit Verdauungsstörungen.
Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch kritisiert die Pläne von Nestlé als eine „reine Marketingnummer“. „Was wir im Moment erleben, ist, dass die Lebensmittelindustrie die Gesundheit als Marketingtrend für sich entdeckt hat“, sagt Foodwatch-Sprecher Martin Rücker. Mit einfachen Produkten wie Brot und Butter, die jedoch völlig ausreichend seien, könne man kein Geld verdienen. Daher müssten neue Produkte auf den Markt gebracht werden. „Das fing an mit Wellness- und Light-Produkten, ging über Functional-Food wie zum Beispiel Actimel von Danone bis jetzt zu Nestlé“, sagt Rücker. Auch Heidrun Franke, Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Brandenburg, sieht keinen Nutzen in vorbeugenden Lebensmitteln: „In Studien wurde ermittelt, dass meist nur Menschen, die sich sowieso gesundheitsbewusst ernähren, zu diesen Produkten greifen.“
Nestlé will Millionen in Gesundheitsernährung stecken
Nestlé will nach eigenen Angaben im kommenden Jahrzehnt Hunderte Millionen Franken in den Aufbau eines Forschungszentrums für Gesundheitsernährung stecken. Dieses soll an der Eidgenössischen Technischen Hochschule im schweizerischen Lausanne angesiedelt werden. Dort gewonnene Erkenntnisse über das Altern, den Einfluss der Gene oder Umwelt sollten in Ernährungsstrategien umgewandelt werden, die „gute Gesundheit und langes Leben“ förderten, erklärte Nestlé. Nach Ansicht des Kepler-Analysten Jon Cox könnte das neue Forschungsinstitut in der Tat dabei helfen, Zweifel zu nehmen, dass bestimmte Lebensmittel tatsächlich gesundheitsfördernd seien.
Auch hier ist Foodwatch-Mann Rücker skeptisch: „Lebensmittel und Arzneimittel werden aus gutem Grund getrennt.“ Im Supermarkt könne man die Produkte aus den Regalen greifen, in Apotheken erhielten die Verbraucher aber eine umfassende Beratung. So gebe es bereits ein Danone-Institut, das durch Studien zu belegen versuche, das Produkt Actimel stärke tatsächlich Abwehrkräfte. „Doch keine Studie kann das Werbeversprechen der Firma belegen. Hier wird mit den Unsicherheiten der Verbraucher gespielt.“
Ob die geplante Produktpalette in Deutschland überhaupt vertrieben wird, hält Ernährungsexpertin Franke für zweifelhaft. Die sogenannte Health-Claims-Verordnung der EU verbiete es nämlich, mit Lebensmitteln zu werben, die eine heilende Wirkung hätten. Auch das Werben mit krankheitsvorbeugenden Nahrungsmitteln müsse erst genehmigt werden. „Wir befinden uns hier in einer Grauzone“, sagt Franke. „Was ist Lebens- und was ist Arzneimittel?“ Nahrungsmittel, die eine heilende Wirkung hätten, seien keine Lebensmittel mehr. Sie müssten erst geprüft werden.