Hamburger Kaffeeröster verdreifacht Gewinn im ersten Halbjahr. Nachhaltige Produkte besonders gefragt
Hamburg. Gut 200 zu kleine Filialen mussten geschlossen werden, der Konkurrenzdruck der Discounter nahm zu und manche Artikel lagen wie Blei in den Regalen. Bei Tchibo lief lange vieles schief. Doch jetzt haben die Hamburger offensichtlich die Wende geschafft. Im ersten Halbjahr stieg der Umsatz des Kaffeerösters trotz der geringeren Verkaufsfläche um sechs Prozent auf 1,527 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Der Einzelhandel insgesamt legte nur um 1,5 Prozent zu. Das operative Ergebnis (Ebit) erhöhte sich sogar von 48 auf 147 Millionen Euro. "Tchibo wächst sowohl mit Kaffee als auch im Non-Food-Bereich in allen Regionen", freut sich Thomas Holzgreve, Vorstand der Muttergesellschaft Maxingvest.
Dabei profitiert das Unternehmen im Kerngeschäft, dem Kaffee, nicht nur vom seit 2006 steigenden Verbrauch, sondern auch vom Drang zu neuen Geschmacksrichtungen und Zubereitungsarten. "Kaffee ist wieder in. Es ist gesellschaftlich schick morgens mit einem Coffee-to-go ins Büro zu kommen", sagt Holger Preibisch, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbandes. Zudem tranken die Deutschen 2009 erneut mehr von dem schwarzen Sud. Das Plus lag bei 1,8 Prozent auf 150 Liter.
Kaffeepads und Kapseln sind immer stärker begehrt
Die Wachstumsschübe jedoch gibt es derzeit bei Kapseln und Pads sowie bei den Espresso- und Caffé-Crema-Bohnen, die für Cappuccino und Latte macchiato verwendet werden. So verzehnfachte sich der Verbrauch bei den Einzelportionen für die Kaffeemaschinen zwischen 2004 und 2009 auf 30 000 Tonnen, bei den Spezialbohnen gab es im selben Zeitraum einen Zuwachs von 15 600 auf 48 000 Tonnen. "Wir gehen davon aus", sagt Preibisch, "dass das Wachstum in diesen Bereichen weiter anhält."
Genau auf diesen Märkten legt auch Tchibo zu "Mit mehr als 20 Prozent Marktanteil sind wir im Bereich von Espresso und Caffé Crema Marktführer in Deutschland", sagt Tchibo-Sprecher Arnd Liedtke. Bei den Kaffeekapseln habe das Hamburger Unternehmen "deutlich aufgeholt." Experten sehen hier Senseo und Nespresso vorn. Tchibo, bisher noch Nummer vier, dürfte auf Platz drei vorgerückt sein.
Auch beim Trend zu nachhaltig angebauten Kaffeesorten ist Tchibo mit einem bundesweiten Marktanteil von mehr als 55 Prozent der Primus. In den gut 500 der 850 Filialen, in denen auch ausgeschenkt wird, kommt nur Kaffee mit dem Siegel von Fair Trade oder Rainforest in die Tassen. "Wir bringen diesen Trend voran", so Sprecher Liedtke. "Tchibo hat Feinarbeit geleistet, die Filialen modernisiert, sodass sich die Menschen jetzt eher zum Kaffeetrinken eingeladen fühlen. Das ist sicher der richtige Weg", ist Ulrich Eggert, Handelsexperte aus Köln, sicher. "Es ist interessant zu sehen", urteilt Kai Hudetz, einer der Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung aus der Domstadt, "wie Tchibo sich wieder auf sein Kerngeschäft konzentriert."
Mit einem wichtigen Nebeneffekt. Denn schon durch den Kauf der begehrten Kaffeekapseln kämen die Kunden immer wieder in die Filialen und nähmen auch Artikel aus dem Non-Food-Bereich mit. Ein Plus in einem Geschäft, bei dem die Konkurrenz der Discounter nicht nachgelassen hat. "Die Aktionsware lebt von guten Marktbeobachtern", sagt Hudetz. "Sie müssen Trends frühzeitig erkennen."
Das ist Tchibo offensichtlich zwischen Januar und Juni gelungen. Zu den Änderungen zählt, dass bei den Damen keine Einheitsgrößen mehr angeboten werden, bei denen schlanke und superschlanke Kunden mit einer Größe zufrieden sein mussten. Jetzt gibt es für jede Figur eine Einzelgröße, was der Passform zugute kommen dürfte. Auch von Stars wie Robbie Williams kreierte T-Shirts kamen ins zumeist mittwochs wechselnde Angebot. "Das Problem mit Waren, die liegen bleiben, ist in diesem Jahr kein Thema mehr", versichert Tchibo-Sprecher Liedtke.
Lederhosen und Dirndl kommen zum Oktoberfest in die Filialen
Sogar mit einer eigenen, im August vorgelegten Studie testen die Hamburger das Interesse an Energiesparprodukten. Da sich derzeit 60 Prozent der Deutschen nicht genügend über diesen Bereich informiert fühlen, konnten Wärmereflektoren, einstellbare Thermostate und Wasser sparende Duschköpfe gut verkauft werden, heißt es bei Tchibo. Von Mitte September an sollen nun zum 200-jährigen Jubiläum des Oktoberfestes Lederhosen, Dirndl und Zubehör zum Anrichten bayerischer Speisen in den Filialen stehen.
Werden der Ausflug nach Süddeutschland und danach weitere exklusive Angebote "nur bei Tchibo" zu Treffern, bestehen Chancen für ein gutes Jahr 2010. Denn zur Jahresmitte profitiert die von Holzgreve geführte Holding Maxingvest AG nicht nur von Tchibo, sondern auch von steigenden Umsätzen bei Beiersdorf, das zu 67 Prozent zum Umsatz beiträgt. Insgesamt erlöste die Familienholding 4,697 Milliarden Euro nach 4,379 Milliarden im gleichen Vorjahreszeitraum. Und das Betriebsergebnis verbesserte sich von 326 Millionen auf 586 Millionen Euro.