Kuba braucht neue Jobs. Präsident Raul Castro rückt deshalb von den Eckpfeilern des Sozialismus ab und regt zum Unternehmertum an.

Havanna. Angesichts der wirtschaftlichen Probleme in Kub a will Präsident Raul Castro die Selbstständigkeit fördern und Beschränkungen für Kleinunternehmer abschaffen. Das bestehende System aus Zulassungen für Taxifahrer und Friseure solle gelockert und auf andere Branchen ausgeweitet werden, kündigte Castro in einer Rede vor der Nationalversammlung an.

Selbstständige sollten künftig leichter ihr Unternehmen anmelden und dabei auch Arbeitskräfte einstellen dürfen. Wirtschaftsminister Marino Murillo betonte, es gehe nicht um eine grundlegende Reform des sozialistischen Modells: „Der Staat muss die Kontrolle über die Wirtschaft behalten, zumindest über die wichtigsten Dinge.“

Mit der Lockerung sollen nach Castros Vorstellungen neue Jobs für etwa eine Million Kubaner entstehen, die in den nächsten fünf Jahren ihre Arbeitsplätze in Staatsunternehmen verlieren dürften. Er nannte allerdings keine konkrete Zahlen, wie viele neue Zulassungen für Kleinunternehmer auf den Markt kommen sollten. Experten sprachen dennoch von einer möglicherweise bedeutenden Öffnung hin zu mehr Marktwirtschaft.

„Die Kernfrage aber ist, wie viele Kubaner eine Erlaubnis zur Selbstständigkeit erhalten werden und in welchen Wirtschaftsbereichen dies passieren wird“, sagte Kuba-Experte Paolo Spadoni von der Tulane Universität. Von den elf Millionen Kubanern hätten derzeit etwa 143.000 eine Erlaubnis, um als „cuentapropistas“ zu arbeiten.

Kuba hatte bereits nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, einem wichtigen Handelspartner, einen ähnlichen Anlauf unternommen, um der heimischen Wirtschaft einen Schub zu heben. Die damaligen Zulassungen für Kleinunternehmer wurden später aber nicht verlängert, als sich die wirtschaftlichen Bedingungen verbesserten.

In Kuba kontrolliert der Staat etwa 90 Prozent der Wirtschaft. Viele Bürger klagen über extrem niedrige Gehälter. Da das offizielle Warenangebot vielerorts mangelhaft ist, weichen viele Kubaner auf den Schwarzmarkt aus, wo die Preise in den vergangenen Jahren explodiert sind. Die politische Führung ist außerdem in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Sie ließ Bankkonten ausländischer Unternehmen in Kuba einfrieren sowie Importe auf die Karibikinsel drosseln.

In seiner Rede ging Castro auch auf das Verhältnis zu den USA ein. Seit Amtsantritt von US-Präsident Barack Obama habe sich „im Kern nichts geändert“. Auch wenn sich der Ton verbessert habe und es in bestimmten Punkten bilaterale Kontakte gebe, hielten die USA ihr Wirtschaftsembargo gegen Kuba aufrecht. Die Ankündigung, 52 politische Gefangene freizulassen , nannte Castro eine eigenständige Entscheidung seines Landes. Bisher hat Kuba 20 der 52 politischen Gefangenen nach Spanien ausreisen lassen.