Die von Schwarz-Gelb geplante Brennelementesteuer verstößt womöglich gegen EU-Recht. Kanzlerin Merkel will die Konzerne nicht zu sehr belasten.
Die von der Bundesregierung im Rahmen des Sparpakets geplante Brennelementesteuer verstößt möglicherweise gegen den Vertrag der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom). Nach Informationen von WELT ONLINE will die EU-Kommission „gründlich“ prüfen, ob die geplante Erhebung mit den Klauseln des Abkommens vereinbar ist. Die Behörde wartet auf die Zustellung des Gesetzestextes.
Die Atomkraftbetreiber E.on, RWE, Vattenfall und EnBW sollen ab Januar 2011 für jedes zur Stromerzeugung verwendete Gramm Plutonium oder Uran 220 Euro zahlen. Pro Jahr gingen damit nach Kalkulation des Bundes 2,3 Mrd. Euro an den Finanzminister.
Nach Meinung von Rechtsexperten könnte die Steuer in mehrfacher Hinsicht einen Vertragsbruch bedeuten. So legt der Euratom-Vertrag fest, dass die Brennelemente Gemeinschaftseigentum sind. Gleichzeitig garantiert er den Mitgliedern unter anderem die Befreiung von direkten Steuern, die auf die Einkünfte aus dem gemeinsamen Eigentum, also in diesem Fall den Brennelementen, erhoben werden könnten.
Zudem trägt der Vertrag dafür Sorge, dass der Handel mit Kernbrennstoffen „diskriminierungsfrei“ auf dem Gebiet der Euratom-Partner stattfindet. Nach Einschätzung von EU-Juristen bedeutet die Steuer jedoch eine Verteuerung der Brennstoffe und wäre daher ein Handelshemmnis. Der Euratom-Vertrag gilt in allen 27 Mitgliedsländern. Er wurde 1957 mit der Unterzeichnung der Römischen Verträge von den Gründungsstaaten der EU abgeschlossen.
Die Brennelementesteuer verstößt womöglich auch in anderen Bereichen gegen EU-Recht. Nach Analyse der Anwaltssozietät Clifford Chance wäre sie mit EU-Richtlinienvorgaben nicht vereinbar, weil so Atomstrom einseitig belastet werde: Der Strom aus Atomkraftwerken würde durch eine Verbrauchssteuer gegenüber Strom aus anderen Energieträgern benachteiligt. „Meine Bedenken gegen die geplante Steuer werden durch diese Hinweise auf rechtliche Probleme nur noch gestärkt“, sagte Herbert Reul (CDU), der Vorsitzende des Industrieausschusses im EU-Parlament, WELT ONLINE.
Auch auf nationaler Ebene drohen der schwarz-gelben Regierung, deren Brennelementesteuer den größten Posten im Sparpaket ausmacht, Probleme. So schloss Rot-Grün 2000 mit den Unternehmen im Rahmen des Atomausstiegs eine Vereinbarung, derzufolge „die Bundesregierung keine Initiative ergreifen wird, mit der die Nutzung der Kernenergie durch einseitige Maßnahmen diskriminiert wird. Dies gilt auch für das Steuerrecht.“ Die Unternehmen wollen sich auf diese Zusage berufen, um die Milliardenbelastung abzuwenden.
Die deutsche Atomindustrie wird im Gegenzug für längere Laufzeiten möglicherweise nicht nur mit der Brennelementesteuer belastet. Derzeit wird in der Koalition über die Einführung einer weiteren Abgabe diskutiert, die der Förderung erneuerbarer Energien zugutekommen soll.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) signalisierte erstmals öffentlich, dass sie den Ärger mit der Branche im Rahmen halten will. „Wir haben jetzt erst einmal ein Konzept mit der Brennelementesteuer, das umzusetzen ist und wo der Schwerpunkt auf der Haushaltskonsolidierung liegt“, sagte die CDU-Chefin in Berlin. Es werde sicher Gesprächsbedarf geben, inwieweit auch ein Teil der Einnahmen für erneuerbare Energien verwendet werden soll. „Aber ich will jetzt völlig klar sagen, wir können auch die Energieunternehmen nicht so belasten, dass sie zum Schluss gar nicht mehr rentabel arbeiten können.“