Wie die Hitze die Wirtschaft lahm legt. Es drohen Ernteausfälle. Die Weizenpreise steigen, und im Handel werden die Ventilatoren knapp.

Berlin. Die Hitzewelle bringt auch die deutsche Wirtschaft ins Schwitzen. Kohle- und Kernkraftwerken droht in den nächsten Tagen die Abschaltung, sollte sich das zur Kühlung benötigte Flusswasser auf mehr als 28 Grad erwärmen. Diese Schwelle könnte an Rhein und Neckar schon am Wochenende erreicht werden, sollte die Hitze anhalten, sagte die baden-württembergische Umweltministerin Tanja Gönner (CDU) am Dienstag. In der Landwirtschaft drohen erhebliche Ernteausfälle, der Weizenpreis ist deshalb bereits gestiegen. Viele Einzelhändler freuen sich dagegen über eine steigende Nachfrage nach Getränken, Ventilatoren und Badesachen.

„Mit jedem Hitzetag steigt die Wassertemperatur“, sagte Gönner. „Wir beobachten die weitere Entwicklung deshalb sehr sorgfältig.“ Die Energieversorger müssen ab einer Wassertemperatur von 28 Grad ihre Kohle- und Kernkraftwerke vom Netz nehmen. Sie entnehmen den Flüssen Kühlwasser und leiten es aufgeheizt wieder zurück. Dadurch droht sich die Temperatur noch weiter zu erhöhen, was zu einem Fischsterben wegen Sauerstoffmangel führen könnte. Um die Stabilität der Stromnetze zu garantieren, erwägt Gönner aber Ausnahmen von der Regelung - „soweit ökologisch vertretbar“.

Beim baden-württembergischen Versorger EnBW laufen die Atom- und Kohlekraftwerke bislang normal, sagte ein Sprecher. EnBW erwarte „keine dramatischen Veränderungen“ der Flusstemperaturen, könne einen Anstieg aber nicht ausschließen. Die vier an Rhein und Neckar gelegenen Atomkraftwerke sowie einige Kohlekraftwerke könnten mittels ihrer Kühltürme die Kühlung komplett auf Kreislaufbetrieb umstellen und somit die Einleitung von warmen Wasser in die Flüsse verhindern. Auch bei Wassertemperaturen über 28 Grad könne zur Sicherung der Stromversorgung für die meisten Kraftwerke der Weiterbetrieb beantragt werden.

Ein Sprecher von RWE Power sagte, es gebe bislang keine Einschränkungen im Kraftwerksbetrieb wegen der Hitze. Die Braunkohlekraftwerke würden das Kühlwasser nicht aus den Flüssen entnehmen, sondern aus dem Tagebau. Das Atomkraftwerk Biblis werde zwar mit Wasser aus dem Rhein gekühlt. Dessen Temperatur liege derzeit aber bei 25,5 bis 26 Grad Celsius. E.ON Energie in München sprach von „geringen Einschränkungen bei wenigen Anlagen“.

Folgen hat die Hitze auch für die Landwirte. Die Getreideernte werde in diesem Jahr mit etwa 45 Millionen Tonnen um zehn bis 20 Prozent geringer ausfallen als üblich, sagte ein Sprecher des Deutschen Bauernverbandes zu Reuters. Bei Mais sehe es ähnlich aus. „Die Wetterextreme sind sehr stark in diesem Jahr: Jetzt die Hitze und der fehlende Niederschlag, davor der lange Winter und ein kalter, verregneter Mai“, sagte der Sprecher. „Das alles ist keine Grundlage für eine gute Ernte.“ Weil auch in anderen europäischen Ländern mit Ernteausfällen gerechnet wird, ist der Weizenpreis an der Börse seit Anfang Juni von 138 auf aktuell rund 160 Euro je Tonne gestiegen – ein Plus von rund 16 Prozent.

Vielen Einzelhändlern verschafft die Hitzewelle eine Sonderkonjunktur. In einigen Supermärkten der Metro-Tochter Real werden nach Aussagen eines Sprechers bereits Ventilatoren und tragbare Klimaanlagen knapp. „Die Geräte können teilweise gar nicht so schnell herangeschafft werden, wie sie verkauft werden“, sagte er. Auch die Nachfrage nach Eis, Limonade und Milchgetränken habe deutlich zugelegt. Allerdings profitieren nicht alle Einzelhändler. „Die Hitze hält den einen oder anderen davon ab, einen Schaufensterbummel zu machen“, sagte Kai Falk vom Einzelhandelsverband HDE. „Die Kundenfrequenz gerade in den Innenstädten ist geringer geworden.“ Unter dem Strich profitiere der Handel aber von dem heißen Sommer. „Wir sehen das positiv“, sagte der HDE-Sprecher.