Nach dem Kollaps von Fahrgästen in glutheißen Waggons hat die Bahn ein echtes Imageproblem. Denn die Pannen häufen sich.
Der Ärger um die aufgeheizten ICE-Züge war noch nicht verflogen, da haderte die Deutsche Bahn AG schon wieder mit dem Wetter. In Nordrhein-Westfalen wurde gestern in großen Teilen der Zugverkehr vorübergehend wegen einer Unwetterwarnung gestoppt. Erst nachmittags rollten die entnervten Fahrgäste an ihre Ziele, Flüche und Verwünschungen auf den Lippen.
Die Bahn, die so angestrengt um ein Image als modernes Serviceunternehmen ringt, steckt mal wieder im Schlamassel. Am Wochenende mussten drei Schnellzüge der Baureihe ICE 2 gestoppt werden. Die Klimaanlagen versagten ihren Dienst. Fahrgäste machten bei Temperaturen von 50 Grad Celsius in den Zügen schlapp. Nun verspricht die Bahn, mehr Getränke an Bord zu verteilen. Doch damit bleiben grundsätzliche Fragen unbeantwortet. Können die Züge in Deutschland Sommertemperaturen jenseits von 35 Grad aushalten? Kann man bei solcher Hitze gefahrlos mit der Bahn reisen?
Es gibt leichte Zweifel. Nach den Vorfällen des Wochenendes wurden weitere Hitzepannen bekannt. So sollen in einem Intercity von Passau nach Hamburg in mehreren Wagen die Klimaanlage ausgefallen sein, ebenso in einem Intercity, der von Westerland auf Sylt nach Köln unterwegs war. Zudem gibt es Berichte, wonach schon am Freitag in ICE-Zügen von Düsseldorf nach Berlin die Kühlung versagte.
Bundespolizei ermittelt wegen Körperverletzung
Die Bahn schaltet auf den Krisenabwehr-Modus: Der sieht in der ersten Stufe vor, den Störungen das Prädikat „Einzelfall“ zu geben. Zudem entschuldigte sich Bahnchef Rüdiger Grube bei der Klassenlehrerin, deren Schüler am Samstag völlig entkräftet in Bielefeld aus dem Zug stiegen und teils wegen Flüssigkeitsmangels ins Krankenhaus mussten. Ulrich Homburg, Vorstand für den Personenverkehr, stellte Entschädigungszahlungen in Aussicht.
Doch das wird nicht reichen. Das Unternehmen steht wegen der Hitzepannen unter Druck. Die Bundespolizei ermittelt wegen fahrlässiger Körperverletzung. Und eine Sprecherin des Eisenbahn-Bundesamtes sagt: „Wir haben Ermittlungen aufgenommen.“ Die Aufsichtsbehörde über den Bahnverkehr in Deutschland prüft zweierlei: die Technik der Züge und die innerbetrieblichen Abläufe der Bahn.
Auch wenn die Bahn offiziell von Einzelfällen redet: Innerhalb des Staatskonzerns scheint man sich längst nicht sicher. „Das ist ein ernstes Imageproblem“, heißt es. Und das man mit Hochdruck daran arbeite. Dazu kommt die übliche Begleitmusik bei solchen Fällen. Der Fahrgastverband Pro Bahn schimpft über das Krisenmanagement. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) lässt ausrichten, er erwarte, dass die Züge „bei minus 40 Grad genauso zuverlässig fahren wie bei plus 40 Grad“.
Hersteller von Klimaanlagen kalkulieren Gluthitze ein
Bekommt die Bahn das hin? Diese Frage ist offenbar nicht schnell zu klären. Im Reich der DB AG sind 250 ICEs unterwegs, darunter drei verschiedene Baureihen. Die jüngsten Probleme betreffen die zweite Generation der schnellen Züge, von denen es 54 gibt. Gebaut wurden sie von einem Konsortium aus Siemens, Bombardier und Alstom.
Klar ist: Die technischen Mindestanforderungen an eine Klimaanlage reichen für die derzeit herrschenden Temperaturen nicht aus. Die europäische Norm zur „Luftbehandlung in Schienenfahrzeugen des Fernverkehrs“ (EN 13129-1:2002), ordnet Deutschland der Klimazone zwei zu. Das entspricht einer Temperaturspanne von minus 20 bis plus 35 Grad.
In den vergangenen Tagen war es deutlich wärmer in Deutschland. Allerdings heißt es in Herstellerkreisen, dass gemeinhin eine Maximaltemperatur von plus 40 Grad Celsius kalkuliert wird und die Züge samt Ausstattung dementsprechend gebaut werden. Dass es die Technik hergibt, trotz extremer Temperaturen Schnellzüge fahren zu lassen, beweist Spanien. Dort rasen die Waggons regelmäßig gut gekühlt durch 50 Grad heiße Luft.