Illegale Filmseiten wie Movie2k.com stellen Kinohits per so genanntem “Stream“ zur Verfügung. Die Angebote boomen, weil die Nutzer im Gegensatz zu Tauschbörsen praktisch nicht entdeckt werden können. Nun steht die Filmbranche vor dramatischen Umsatzverlusten – und wehrt sich verzweifelt.

Das Dilemma der Filmwirtschaft verbirgt sich hinter Movie2k.com. Es ist eine schlichte Webseite, doch ihr Inhalt ist brisant. 19.898 Filme umfasst das illegale Angebot, darunter viele aktuelle Kinohits. „Terminator – Die Erlösung“, „Gran Torino“ mit Clint Eastwood und auch „Slumdog Millionaire“. Sämtliche Filme sind kostenlos. Und lassen sich ganz einfach aufrufen.

Die Filmpiraten haben einen sicheren Weg gefunden, ihr illegales Material im Internet zu verbreiten. Das Zauberwort heißt „Stream“. Das Prinzip ist angelehnt an legale Angebote wie YouTube. Filme lassen sich mit nur einem Mausklick starten, die Daten werden während des Anschauens übertragen. „Das Prinzip ist so einfach, dass jedermann ohne Vorkenntnisse sich Filme illegal im Internet anschauen kann“, sagt Volker Zota von der Fachzeitschrift c't. Qualitativ liegen viele Aufnahmen fast auf DVD-Niveau. Die Zahl der Nutzer schnellt dementsprechend in die Höhe.

Die Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) hat rund 90 Webseiten ausgemacht, die deutschsprachige Filme illegal anbieten. Die erfolgreichsten werden am Tag bis zu 800.000 Mal besucht. Damit verdrängen sie die alten Lieblinge der Raubkopierer: Tauschbörsen, geheime Internet-Computer („FTP-Server“) und „Bittorrent“-Netzwerke. Das Problem der Filmwirtschaft: Sie ist gegen die Streaming-Seiten praktisch machtlos.

Movie2k.com ist ein Portal, das lediglich Verweise („Links“) auf andere Webseiten liefert. Die Betreiber nennen ihr Angebot deswegen „legal“. Zwar ist diese Auffassung umstritten, die Betreiber der ähnlich funktionierenden Seite „Pirate Bay“ wurden kürzlich erst zu langen Haftstrafen verurteilt. Doch tatsächlich liegen die Filmdateien auf Rechnern von anderen Webseiten. Im Fall von Movie2k.com sind das etwa Stream2k.com, Megavideo, Filebase oder Freestreamtube. „Das erhöht den Aufwand für die Fahnder, weil sie gegen mehr Betreiber vorgehen müssen“, sagt c't-Mann Zota.

Noch gravierender für die Branche: Die Anbieter agieren häufig in Ländern, in denen die Justiz kaum etwas gegen Urheberrechtsverletzungen unternimmt, etwa Russland oder die Vereinigten Arabischen Emirate. So versuchte die GVU die Webseite Kino.to zu stoppen, die ähnlich wie Movie2k.com funktioniert. Zunächst errungen die Ermittler einen Sieg in den Niederlanden. Anschließend verlagerten die Betreiber ihre Webseite aber nach Russland. Dort kommt die GVU und ihre Partnerorganisation RAPO nicht voran: "Die in dem Land herschenden Gegebenheiten führen leider zu einem eher schleppenden Verfahrensverlauf", heißt es in einer Stellungnahme. Noch immer ist Kino.to aktiv.

Deswegen versucht die Filmwirtschaft, auch die Nutzer der illegalen Angebote ins Visier zu nehmen. "Schon das bloße Abrufen der rechtswidrig angebotenen Filme verstößt gegen das Urheberrecht", sagt Alexander Graf von Kalckreuth, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Es spiele dabei keine Rolle, ob die Daten dauerhaft auf der Festplatte gespeichert werden. Doch die Streaming-Technik stellt die Fahnder gleichzeitig vor ein kaum lösbares Problem: Sie können die Nutzer praktisch nicht aufspüren. Anders als bei Tauschbörsen hinterlassen sie kaum Spuren. "Die Gefahr einer Entdeckung durch die Filmwirtschaft tendiert bei der derzeitigen Rechtslage gen Null“, so Kalckreuth.

Einzig Provider wie T-Online oder Arcor könnten der Filmindustrie helfen, indem sie die Verbindungsdaten ihrer Kunden massenhaft auswerten. Doch das wollen und müssen sie nicht. „Wir überwachen unsere Kunden nicht“, sagt Telekom-Sprecher Ralf Sauerzapf. Die Daten gibt der Provider nur nach einem richterlichen Beschluss heraus, für den ein konkreter Verdachtsfall vorliegen muss. Das Bundesverfassungsgericht stellte aber gerade in einer einstweiligen Anordnung klar, dass dazu eine "schwere Straftat" vorliegen muss. Was beim Anschauen eines illegalen Films wohl nicht der Fall ist. Zudem wissen die Fahnder nicht einmal, wonach sie bei den Providern fragen müssen: Beim Streaming können sie in der Regel keine IP-Adresse ermitteln, besitzen also keine Online-Kennung des Nutzers.

Die Situation ist für die Branche dramatisch. "Sie muss den Druck auf die Provider erhöhen, wenn sie nicht hohe Umsatzrückgänge erleiden will", sagt Kalckreuth. Ins Gespräch gebracht wird deswegen immer wieder eine Internet-Sperre, wie sie auch bei kinderpornografischen Webseiten zum Einsatz kommen soll. Dafür trommelt die Filmwirtschaft seit Monaten. Passiert ist bislang nichts. Internet-Sperren gelten vor allem unter jungen Wählern als äußerst unpopulär. Die Branche spricht bereits davon, dass sie sich von der Politik im Stich gelassen fühlt.

Als Ausweg gelten legale Angebote. In den USA ist beispielsweise die Seite Hulu.com sehr erfolgreich. Sie veröffentlicht Spielfilme und TV-Serien kostenlos im Internet. Finanziert wird der Dienst durch Werbung. Auch in die Blu-ray setzt die Branche große Hoffnungen. Die Bildqualität der Scheibe ist deutlich größer als die der besten illegalen Streaming-Angebote. Wer Filme auf einem großen Flachbildfernseher anschauen möchte, kommt an der Blu-ray kaum vorbei.

Die Filmpiraten machen derweil munter weiter. Nach Erkenntnissen der GVU besteht der Kern der deutschen Szene aus etwa 80 Personen, die den Wettlauf um die erste Raubkopie eines Films als Sport sehen. Sie besorgen sich das Material über Hintermänner in den Aufnahmestudios, manchmal auch von Filmpreis-Juroren. Oder sie nehmen die deutsche Tonspur während einer Kinovorstellung auf und mischen sie mit Bildmaterial aus dem Ausland – wenn dort die DVD schon im Handel erhältlich ist.

Bei den Betreibern der illegalen Portale handelt es sich um eine zweite Personengruppe. Sie nutzen die Vorarbeit der Piraten, verweisen auf deren Raubkopien. Bei den Portalbetreibern stehen aber wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Die GVU glaubt, dass einige von ihnen Zehntausende Euro im Monat verdienen. So machte Kino.to zuletzt Schlagzeilen, weil die Betreiber Abofallen ausgelegt hatten. Auch Movie2k.com gilt als gefährliche Webseite. Gebremst hat das den Ansturm auf die illegalen Portale allerdings nicht.

Quelle: Welt Online