Nach Jahrzehnten politischer Rivalität steuern China und Taiwan auf einen milliardenschweren Handelspakt zu.

Taipeh. Am kommenden Dienstag würden beide Seiten einen Rahmenvertrag zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit unterzeichnen, sagten Vertreter Taiwans am Donnerstag. Mit der Vereinbarung werden die Zölle auf mehr als 800 Produkte abgebaut – zunächst aus der Petrochemie, dem Maschinenbau, der Auto- und der Textilindustrie. Binnen zwei Jahren sollten die Zölle ganz abgeschafft werden, sagten chinesische Vertreter. Kreisen zufolge sollen auch Banken profitieren. Das Abkommen dürfte dem Handel zwischen der Wirtschaftsmacht China und der exportabhängigen Insel Taiwan kräftige Impulse geben. Der Pakt gilt als die bisher umfassendste Vereinbarung der ehemals tief verfeindeten Taiwaner und Chinesen.

Die Vereinbarung im Stil eines Freihandelsabkommens nimmt Zölle auf rund 540 Exportprodukte aus Taiwan nach China ins Visier. Umgekehrt geht es dem taiwanischen Ministerpräsidenten Wu Den Yih zufolge um etwa 270 Waren. Der Zollabbau für Artikel aus Taiwan beläuft sich demnach auf knapp 14 Milliarden, für Waren aus China auf fast drei Milliarden Dollar. Insgesamt profitieren rund 15 Prozent der taiwanischen Exportartikel nach China von der Vereinbarung. Nach und nach sollen weitere Branchen in den Genuss des Zollabbaus zwischen dem Festland und der vorgelagerten Insel kommen.

Im Dienstleistungssektor sollen den Informationen zufolge in China elf und in Taiwan neun Branchen für Investoren der jeweils anderen Seite geöffnet werden. Taiwanischen Banken werde ein Jahr früher der Handel in der chinesischen Währung erlaubt als es bisherige Regelungen vorsehen, sagte eine Person mit unmittelbarer Kenntnis des Abkommens. Umgekehrt dürfen chinesische Banken ihre Vertretungen in Taiwan nach einem Jahr in Filialen umwandeln. Institutionelle Anleger aus China könnten zudem in Taiwan in Derivate investieren. Bei den Dienstleistern würden auch die Film- und Unternehmensbranche in Taiwan sowie in China der Computer-, Luftfahrt- und Medizinsektor geöffnet.

An den Märkten dürfte die Vereinbarung für Begeisterung sorgen, schließlich ist China Taiwans größter Handelspartner und führender Investor. Ein privates Forschungsinstitut in Taiwan prognostiziert, dass das China-Abkommen auf der Insel 260.000 Arbeitsplätze schaffen und das Bruttoinlandsprodukt jährlich um rund 1,7 Prozentpunkte steigern könnte.

Die Regierung Taiwans hat sich energisch für den Handelspakt eingesetzt – aus Sorge, dass die heimische Exportindustrie sonst auf Chinas florierendem Markt abgehängt wird. Kritiker fürchten dagegen, dass die Insel nun von Billigprodukten aus China überschwemmt wird und dass das Abkommen der Vorbote einer politischen Übernahme durch die Pekinger Führung ist. China betrachtet das faktisch selbstverwaltete Taiwan als abtrünnige Provinz und behält sich vor, die Insel auch mit Gewalt unter seine Kontrolle zu bringen.

Das Handelsabkommen soll nächsten Dienstag im chinesischen Chongqing unterzeichnet werden. Damit treffen sich die Partner in einer Stadt mit historischer Bedeutung: Chongqing war unter der Herrschaft der jetzt in Taiwan regierenden Nationalisten für kurze Zeit die Hauptstadt Chinas. Die Nationalisten verloren

1949 den Bürgerkrieg gegen die Kommunisten unter Mao Zedong und zogen sich auf die Insel zurück. Für Jahrzehnte waren die Beziehungen zwischen China und Taiwan von Feindseligkeiten geprägt, die langsame Annäherung gipfelt nun vorerst in dem für die Wirtschaft beider Seiten bedeutsamen Handelspakt.