Italien muss den Gürtel enger schnallen. Auch die Privilegien und üppige Bezüge gewohnte Politikerkaste im Land soll nun etwas kürzer treten.
Rom. Reform-Ministerpräsident Mario Monti erließ ein Dekret, mit dem die Diäten der Parlamentarier auf knapp 300.000 Euro pro Jahr gedeckelt werden. Ab Ende des Monats soll somit keiner von ihnen mehr als US-Präsident Barack Obama verdienen, der auf etwas mehr als 300.000 Euro kommt. Doch das Grundübel des italienischen Parteiensystems ist mit dieser symbolträchtigen Maßnahme nicht beseitigt: Ämterpatronage und Selbstbedienungsmentalität.
Ein Schlaglicht auf die Verhältnisse wirft der Finanzskandal in der Regionalpartei Lega-Nord: Ein Geflecht von schwarzen Kassen öffnete der Kleptokratie offenbar Tür und Tor. Auch der Sohn des mittlerweile zurückgetretenen Lega-Gründers Umberto Bossi steht im Verdacht, sein Luxusleben aus der Parteikasse finanziert zu haben.
Gerichtsdokumenten zufolge soll sich der 23-jährige Renzo Bossi beispielsweise eine deutsche Nobelkarosse aus Ingolstadt auf Kosten der Lega Nord geleistet haben. Bereits mit 21 Jahren war er als jüngster Abgeordneter in das Landesparlament der Lombardei eingezogen. Dort strich er mehr als 150.000 Euro im Jahr an Diäten ein. Von solchen Summen können die meisten Abgeordneten im US-Kongress nur träumen. Das in der Schuldenkrise zu Reformen gezwungenen Land leistet sich noch immer einen riesigen Abgeordnetenapparat, der selbst die Dimensionen der Supermacht USA sprengt. In den Regionen und nationalen Parlamentskammern zwischen Mailand und Palermo sitzen fast 1000 Abgeordnete und damit doppelt so viele wie in den Vereinigten Staaten. Die Mehrheit von ihnen erhält pro Kopf ein Salär von 11.283 Euro – vor Steuern wohlgemerkt. Hinzu kommt noch eine Pauschale von 3500 Euro.
Trotz der üppigen Appanage kommen immer wieder Fälle ans Licht, in denen sich Politiker ihr Privatvergnügen vom Staat bezahlen lassen. So nahm der frühere Justizminister Clemente Mastella seinen Sohn zum Formel-1-Rennen in Monza mit: Statt wie gewöhnliche Rennsportfans mit der Bahn zu fahren, düsten Vater und Sohn auf Staatskosten mit der Flugbereitschaft zur Strecke. Kostenpunkt: 20.000 Euro.
Auch Wahlkampagnen, Aufwendungen der Fraktionen und selbst Parteizeitungen werden auf Staatskosten finanziert. Nach Berechnungen der Zeitung „Corriere della Sera“ verschlang allein dieser Bereich rund 400 Millionen Euro an Steuergeldern im vorigen Jahr. Dabei sind die etablierten Parteien in Italien nach zahlreichen Skandalen à la Bossi bei der Bevölkerung nicht mehr gut beleumundet. Laut Umfragen würden mehr als 40 Prozent der Italiener bei keiner von ihnen mehr ihr Kreuzchen machen, wenn jetzt Wahlen wären.
Der parteilose Monti schlug 2011 nach dem Ende der Ära des in Sex- und Finanzskandale verwickelten Regierungschefs Silvio Berlusconi mit dem Appell an die Opferbereitschaft seiner Landsleute neue Töne an. Doch älteren Italienern kommt dies nur zu bekannt vor: Auch 1992 hatte der damalige Ministerpräsident Giuliano Amato nach einer Lira-Krise in einer Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede Opferbereitschaft eingefordert. Während viele Italiener nun unter den Sparmaßnahmen Montis ächzen, genießt Amato sein Rentnerdasein. Es wird ihm mit einer monatlichen Pension von mehr als 31.000 Euro vor Steuern versüßt. (Reuters)