Spanien wird bereitet zunehmend Sorgen. Madrid kündigt immer neue Sparvorhaben an, kann das Misstrauen der Anleger aber nicht überwinden.
Madrid. Spanien rückt in der europäischen Finanzkrise immer stärker in den Mittelpunkt. Die Regierung des von Schulden geplagten Landes verkündet ein Sparvorhaben nach dem anderen, aber die Nervosität und die Sorgen auf den Finanzmärkten halten unvermindert an. Die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Eurozone wird das Gespenst einer möglichen internationalen Rettungsaktion nicht los.
Der Staatshaushalt für 2012 ist noch nicht vom Parlament verabschiedet worden, aber er erwies sich schon jetzt als veraltet. Ministerpräsident Mariano Rajoy kündigte über Ostern zusätzliche Einsparungen an. Der konservative Regierungschef will die Ausgaben im Bildungs- und Gesundheitswesen um zehn Milliarden Euro senken. Das Budget für 2012 sah bereits die höchsten Einsparungen in der jüngeren Geschichte des Landes vor: Es soll durch drastische Streichungen in fast allen Bereichen und zusätzliche Steuereinnahmen eine Lücke von über 27 Milliarden Euro schließen.
Die Anleger ließen sich davon aber nicht beeindrucken und blieben misstrauisch. Die Folge: Die Renditen für spanische Staatsanleihen stiegen auf den höchsten Stand seit dem Höhepunkt der Schuldenkrise im November 2011. Mit Zinssätzen in einer Größenordnung von 5,8 Prozent für Zehn-Jahres-Anleihen erreichten sie ein Niveau, das für das von Schulden geplagte Land auf Dauer nicht tragbar ist.
Auch die Ankündigung zusätzlicher Einsparungen brachte nicht die erhoffte Wende. Die Risikozuschläge bei den Zinssätzen für spanische Staatsanleihen stiegen auch am Dienstag unvermindert an. „Man bekommt das Gefühl, dass die Regierung mit ihren Entscheidungen den Ereignissen hinterherläuft“, schrieb die Zeitung „El Mundo“. „El Periódico“ meinte gar: „Rajoy vermittelt den Eindruck, als herrsche in seiner Wirtschaftspolitik ein Durcheinander.“
Dass das jüngste Sparvorhaben das Misstrauen der Anleger in die spanischen Finanzen nicht beheben konnte, dürfte einen einfachen Grund haben: Die Regierung kann selbst nicht darüber entscheiden, wie im Gesundheits- und Bildungswesen zehn Milliarden Euro eingespart werden sollen; denn beide Bereiche liegen in der Zuständigkeit der Regionen. Zwar regiert Rajoys Volkspartei einen großen Teil der 17 Regionen des Landes, aber nicht in den zwei größten, nämlich Andalusien (8,4 Millionen Einwohner) und Katalonien (7,5).
Die Regionen, die in etwa den Bundesländern in Deutschland entsprechen, waren zu einem großen Teil dafür verantwortlich, dass Spanien 2011 sein Defizitziel von 6,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts weit verfehlte und auf eine Neuverschuldung von 8,5 Prozent kam. Finanzminister Cristóbal Montoro drohte, die Zentralregierung werde in Regionen eingreifen, die sich nicht an die Haushaltsstabilität halten. „Bis Ende April wird ein Gesetz verabschiedet werden, das solche Eingriffe zulässt“, betonte der Minister im staatlichen Rundfunk.
Spanien ist auch aus anderen Gründen zu einem Sorgenkind in der Euro-Krise geworden: Die Wirtschaft des Landes steht in diesem Jahr vor einer drastischen Rezession, die Arbeitslosenquote ist mit fast 23 Prozent die höchste in der EU. Auch die Banken sind ein Schwachpunkt. Sie sitzen seit dem Platzen der „Immobilienblase“ im Jahr 2007 auf Unmengen von Krediten, die sie für den Wohnungsbau vergeben hatten und die zu einem großen Teil nicht zurückgezahlt werden können. Die Wirtschaftszeitung „Cinco Días“ bezifferte das Volumen dieser zweifelhaften Kredite auf 150 Milliarden Euro.
Die Verschuldung der privaten Haushalte und Unternehmen ist ein ungleich größeres Problem als die des Staates. Nach einer Aufstellung der Zentralbank betrugen die spanischen Auslandsschulden Ende 2011 insgesamt fast 1,78 Billionen Euro. Kaum ein anderes Land steht bei ausländischen Geldgebern so tief in der Kreide wie Spanien. Der Staat ist an den Auslandsschulden nur mit 16 Prozent beteiligt.