Berlin. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel wollten unbedingt im März klären, ob die umstrittene Finanztransaktionssteuer in allen 27 EU-Ländern eingeführt werden kann. Diese Hoffnung konnten die EU-Finanzminister aber bei ihrem Treffen in Brüssel erwartungsgemäß noch nicht erfüllen – stattdessen wird weiter verhandelt. Besonders gut stehen die Aussichten dafür nicht - vor allem wegen des Neins aus Großbritannien, das den Finanzplatz London schützen möchte. Wie sehen die Möglichkeiten in Sachen Finanzsteuer nun aus?

Die unwahrscheintlichste Variante: Die Steuer kommt in der EU

Wenig wahrscheinlich, aber nicht ganz auszuschließen: Alle 27 EU-Länder einigen sich doch noch ausnahmslos auf den Vorschlag der EU-Kommission für eine Finanztransaktionssteuer. Damit käme es dann zur Besteuerung aller Transaktionen zwischen Finanzinstituten, bei denen mindestens ein Beteiligter seinen Sitz in der Union hat. Betroffen wären neben Banken und Versicherungen auch Fonds sowie andere professionelle Akteure am Finanzmarkt. Wegen des Standortprinzips könnten auch Geschäfte außerhalb der EU erfasst werden. Die Steuer müsste vom Käufer wie auch Verkäufer gezahlt werden. Ein einfaches Ausweichen auf Börsenplätze außerhalb der EU wäre nach diesem Modell schwer möglich.

Auf Aktien- und traditionelle Wertpapier-Geschäfte würde ein Steuersatz von 0,1 Prozent des Transaktionsvolumens erhoben. Für Derivatekontrakte – wie Termingeschäfte – läge er bei 0,01 Prozent. Die Steuer soll die meisten Privatkundengeschäfte nicht berühren – also Hypotheken, Kredite, Versicherungsbeiträge - wohl aber Geschäfte mit Aktien und anderen Anteilen. Die EU erhofft sich auf Basis ihres Modells von der neuen Steuer Einnahmen von jährlich 57 Milliarden Euro für die Europäische Union und ihre Mitgliedsländer.

Schäuble und Merkel wäre auch die Euro-Länder-Variante recht

Sollten nicht alle EU-Staaten dieser Steuer zustimmen, wollen Schäuble und Merkel sie nur in den 17 Euro-Ländern einführen. Von noch kleineren Lösungen sprechen sie bislang nicht. Die Aussichten für die Steuer wären in der Euro-Zone besser, denn mit Großbritannien und Schweden gehören wichtige Gegner dem Währungsraum nicht an. Als Grundlage könnte der Kommissionsvorschlag zum Zuge kommen, aber auch andere Modelle. Allerdings gibt es auch im Euro-Raum noch Gegner einer solchen Steuer, wie etwa in Italien oder Finnland.

Zudem haben Merkel und Schäuble noch ein eigenes Problem: Der Koalitionspartner FDP mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler an der Spitze will eine Finanztransaktionssteuer nur im Euro-Raum nicht hinnehmen. Ihr Argument lautet: Sind die Briten nicht im Boot, wird die neue Steuer zum Wettbewerbsnachteil für den Finanzplatz Frankfurt.

Frankreich will vorpreschen – mit einem Zwitter

Frankreich ist notfalls zu einem Alleingang bei der Steuer bereit. Der um seine Wiederwahl kämpfende Präsident Nicolas Sarkozy hat angekündigt, schon bald in seinem Land mit einer solchen Steuer in Höhe von 0,1 Prozent zu starten. Dabei sprach er von Einnahmen von bis zu einer Milliarde Euro für die Staatskasse. Diese relativ geringe Einnahme signalisiert: Sarkozys Modell ist erheblich enger gefasst als das der EU-Kommission. Die Steuer soll nur auf alle Geschäfte mit Wertpapieren französischer Emittenten erhoben werden. Dies aber unabhängig davon, wo Käufer oder Verkäufer sitzen. Zahlen soll nur der Käufer. Sarkozys Konzept beinhaltet zudem viele Ausnahmen – etwa für den Riesen-Markt der Staats- und Firmenanleihen. Letztlich erinnert das französische Modell eher an die britische Stempelsteuer, eine enge Börsenumsatzsteuer, sagt nicht nur die deutsche FDP. Das könnte bereits auf eine Kompromissmöglichkeit in Europa hindeuten: man einigt sich auf eine modifizierte „Stempelsteuer“ nach britischem Vorbild in der EU, nennt das neue Kind aber „Finanztransaktionssteuer“.

Die britische Stempelsteuer

Großbritannien kennt schon seit Jahrhunderten für eine Vielzahl von Rechtsgeschäften eine „Stempelsteuer“. Ihr unterliegt auch die Übertragung von Aktien und anderen Wertpapieren sowie deren Ausgabe. Steuerpflichtig ist der Verkäufer der Papiere. Viele Finanzgeschäfte, insbesondere die modernen Finanzinstrumente, sind allerdings nicht davon erfasst - eine Schwäche. Erhoben wird die Abgabe nur auf Transaktionen mit Wertpapieren von in Großbritannien ansässigen Unternehmen. Der Steuersatz bei der Übertragung solcher Papiere liegt bei 0,5 Prozent des Kaufpreises, bei einigen genau definierten Formen sogar bei 1,5 Prozent. Das jährliche Aufkommen für die Staatskasse lag zuletzt bei rund vier Milliarden Pfund Sterling im Jahr. Viele Befürworter einer Übertragung dieser Steuer auf die EU wollen die Stempelsteuer umfänglich modernisieren, um sie vor allem auf weite Teile des Derivategeschäfts zu erweitern.

Finanzaktivittätssteuer – ein Vorschlag des IWF

Noch nicht ganz vergessen ist ein Vorschlag des Internationalen Währungsfonds für eine sogenannte Finanzaktivitätssteuer. Sie soll nicht, wie die Transaktionssteuer, beim Umsatz ansetzen, sondern bei den Gewinnen aus professionellen Finanzgeschäften. Besteuert würde der Überschuss aus solchen Transaktionen sowie damit verbundene erfolgsabhängige Einkünfte, wie Boni von Bankmanagern. Für sie macht sich derzeit allerdings kaum jemand stark.