Nach dem griechischen Schuldenschnitt werden milliardenschwere Kreditausfallversicherungen fällig – mit unsicheren Folgen. Experten befürchten aber keinen gefährlichen Dominoeffekt.

Frankfurt/Main. Nun ist es also doch passiert: Griechenlands Zwangs-Schuldenschnitt löst die gefürchteten Kreditausfallversicherungen aus. Der internationale Derivateverband ISDA hat am Freitagabend entschieden, dass die sogenannten „Credit Default Swaps“ (CDS) fällig werden. Was hat es mit diesen Papieren auf sich – warum sorgen sie für solche Unsicherheit unter Anlegern? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Warum sind die Kreditderivate so gefürchtet?

Sobald das Stichwort CDS fällt, werden an den Finanzmärkten Erinnerungen an die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 wach – damals hätten die Kreditderivate beinahe zu einer verheerenden Kettenreaktion geführt. Zwischenzeitlich schien es, als stünde das gesamte Weltfinanzsystem auf der Kippe. Der zweitgrößte Versicherungskonzern der Welt, AIG, stand unmittelbar vor dem Zusammenbruch und drohte, weitere Finanzriesen mit in den Abgrund zu reißen. Um dies zu verhindern, wurden die ausstehenden CDS-Kontrakte von AIG am Ende mit Steuergeld aus den USA beglichen. Großbanken wie Goldman Sachs, UBS, Societe Generale, Merrill Lynch oder Deutsche Bank sollen Milliardenbeträge eingestrichen haben.

Kann sich ein solches Szenario nun wiederholen?

CDS galten lange als große Unbekannte im griechischen Schuldendrama. Bei den Plänen zur Umschuldung wurde deshalb zunächst alles darangesetzt, dass Kreditausfallversicherungen nicht fällig werden. Inzwischen hat sich der Nebel jedoch weitgehend gelichtet und kaum ein Experte erwartet mehr, dass es diesmal einen gefährlichen Dominoeffekt geben wird. „Was Griechenland betrifft, ist das CDS-Volumen überschaubar“, sagt Christian Schulz, Ökonom von der Berenberg Bank. Obwohl er es nach wie vor für ein Wagnis hält, die CDS auszulösen, rechnet Schulz nicht mit einem Flächenbrand.

Wie groß ist der Markt für CDS auf Griechenland-Anleihen?

Die absoluten Zahlen wirken wenig Angst einflößend: Brutto sollen sich die ausstehenden Kontrakte zwar immerhin auf rund 70 Milliarden Dollar belaufen. Zum Vergleich: Bei Lehman sollen es mehr als 500 Milliarden Dollar gewesen sein. Da der Markt zudem von wenigen Akteuren dominiert wird, die rege untereinander handeln und sowohl CDS kaufen als auch verkaufen, ergibt sich unter dem Strich ein wesentlich niedrigeres Volumen. Rechnet man die ausstehenden Positionen gegeneinander auf, bleiben bei den Kreditderivaten auf griechischen Staatsanleihen netto rund drei Milliarden Euro über. Und auch diese Summe wird nicht komplett an die Versicherungsnehmer fließen. In den meisten Fällen muss nur die Differenz zum aktuellsten Marktwert ausgeglichen werden. Diese will die ISDA am 19. März in einem standardisierten Auktionsverfahren ermitteln. Es dürfte wohl auf etwa 70 Prozent des Nennwerts hinauslaufen.

Wie funktionieren die Papiere?

Wer sich als Anleger entweder vor einer Pleite schützen oder auf eine spekulieren will, kann sich CDS auf die entsprechenden Anleihen kaufen. Er zahlt dafür eine einmalige Prämie als Eintrittsgeld und ab dann einen laufenden Beitrag für einen fest definierten Versicherungszeitraum, als richtungsweisend gilt der Kontrakt über fünf Jahre. Tritt ein sogenanntes „Kreditereignis“ ein, wie jetzt beim griechischen Schuldenschnitt, werden die Ausfallversicherungen fällig. Wann dies der Fall ist, entscheidet die International Swaps and Derivatives Association (ISDA). Das ist ein Branchenverband, in dem Händler und Anbieter organisiert sind. CDS werden unter anderem ausgelöst, wenn die versicherten Anleihen von Insolvenz, Zahlungsboykott oder auch Umschuldung betroffen sind.

Warum stehen Kreditausfallversicherungen so sehr in der Kritik?

Das entscheidungsbefugte Gremium der ISDA hat den Charakter eines exklusiven Clubs von Schwergewichten der Banken- und Investmentszene. Die Mitgliedsliste liest sich wie ein „Who is Who“ der berüchtigten systemrelevanten Großbanken. Zudem ist der Markt nach wie vor wenig reguliert, obwohl sich seit dem Beinahe-Gau 2008 einiges getan hat. Gehandelt wird „Over the Counter“ (OTC), also „über den Tresen“. Es ist aber kaum einzuschätzen, inwieweit CDS zu Spekulationszwecken gehalten werden. Dass man das Wertpapier, gegen dessen Zahlungsausfall man sich versichert, nicht selbst besitzen muss, ist ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt. Häufig wird in diesem Zusammenhang die Metapher von der Brandschutzversicherung auf das Nachbarhaus verwendet. Wer sie besitzt, könnte früher oder später Lust zum Zündeln bekommen.

Hat sich der Fall Griechenland für CDS-Anleger gelohnt?

Zumindest wer früh genug eingestiegen ist, hat ein Riesengeschäft gemacht. Investoren, die sich Anfang 2008 mit Kreditderivaten auf Griechenland-Anleihen eingedeckt haben, mussten nur eine Jahresprämie in Höhe von 22 000 Dollar zahlen, um sich für fünf Jahre gegen einen Ausfall im Volumen von 10 Millionen Dollar abzusichern. Bevor die ISDA am Freitag das Kreditereignis festgestellt hat, lagen zuletzt allein die Abschlusskosten bei 7,68 Millionen Dollar, die jährliche Prämie betrug 100 000 Dollar. Für Spekulanten, die den richtigen Riecher hatten, dürfte Griechenland deshalb eine Goldgrube sein.