Berlin. Mal wieder schaut die ganze Welt gebannt nach Athen: Wenn in der Nacht zum Freitag die Frist für den freiwilligen Forderungsverzicht der privaten Gläubiger Griechenlands ausläuft, hat dies weitreichende Folgen. Das Ergebnis entscheidet nicht nur, wie es in dem schwer angeschlagenen Euro-Staat weitergeht. Vom Erfolg des Forderungsverzichts ist nach Einschätzung vieler Experten auch abhängig, welche finanzielle Feuerkraft Europa aufbringen muss, um glaubhaft zu machen, dass es kein Herausbrechen von Gliedern aus der Kette der Euro-Länder zulassen wird.

Die Ausgangslage

Die privaten Gläubiger, namentlich Banken, Versicherungen und Fonds, müssen entscheiden, ob sie das Angebot der griechischen Regierung annehmen, alte Anleihen in neue zu tauschen. Mit diesem Tausch verzichten sie auf 53,5 Prozent des Nennwertes ihrer Papiere. Inklusive der Zinseffekte beläuft sich das Zugeständnis nach Angaben aus der Bankenbranche gar auf rund 74 Prozent. Damit soll Griechenland um insgesamt 107 Milliarden Euro entschuldet werden. Dieser Betrag kommt aber nur zusammen, wenn mindestens 90 Prozent der Gläubiger mitmachen.

Wenn es an umfassender Akzeptanz fehlt

Wenn weniger Gläubiger zur Teilnahme bereit sind, kann Griechenland die Unwilligen dazu zwingen – und wird dies nach Einschätzung der meisten Experten auch tun. Das Mittel, um die mit dem Internationalen Bankenverband (IIF) ausgehandelte Teil-Entschuldung durchzusetzen, sind rückwirkend in alte Anleiheverträge eingefügte Klauseln. Die sogenannten CACs hat das Land vor kurzem beschlossen.

Über die Aktivierung dieser Klauseln entscheiden aber die Investoren selbst. Hierzu muss erstens die Mehrheit der Gläubiger an der Abstimmung darüber teilnehmen. Zweitens müssen zwei Drittel dieser Anleihehalter dafür stimmen. Das gilt zumindest für die Staatsanleihen nach griechischem Recht – das sind mehr als 170 Milliarden Euro der insgesamt rund 200 Milliarden Euro an ausstehenden griechischen Schuldenpapieren. Für die übrigen Bonds ist die Quote 75 Prozent.

Wenn die Investoren über die CACs zur Teilnahme an der Umschuldung gezwungen werden, dürften Kreditausfallversicherungen (CDS) fällig werden. Das Volumen der ausstehenden CDS auf griechische Staatsanleihen liegt aber nur noch bei 2,5 Milliarden Euro und ist bei den Emittenten auch weitgehend abgesichert, wie Experten bestätigen. Daher wird der CDS-Fall mittlerweile nicht mehr als großes Risiko angesehen.

Die Wirkung über Griechenland hinaus

Die Bereitschaft der Banken und Versicherungen entscheidet nach Angaben von Experten auch über die Zukunft der Krisenbekämpfung in Europa. Kommt es zum „freiwilligen„ Forderungsverzicht der Gläubiger, „dann brauchen wir möglicherweise keine höheren Brandmauern“, sagte ein europäischer Regierungsvertreter am Rande des jüngsten G20-Ministertreffens in Mexiko-Stadt. Dann könnte das gerade verabredete neue Griechenland-Hilfspaket von 130 Milliarden Euro reichen, um die Finanzmärkte fürs Erste zu beruhigen. Die größten Ansteckungsgefahren für andere europäische Schuldenländer wären kurzfristig gebannt. Daher wäre dann, so argumentieren die Vertreter dieser These, auch keine Aufstockung des neuen europäischen Rettungsinstruments ESM nötig, die Deutschland derzeit nicht will. Auch zusätzliche Hilfen des IWF wären dann zumindest nicht zwingend erforderlich.

Anders sieht es aus, wenn nicht genug Gläubiger für den freiwilligen Forderungsverzicht stimmen. Dann, so argumentieren etliche Volkswirte, wird die Unruhe an die Märkte zurückkehren. Die Gefahr, dass die Krise weiter in Europa um sich greift, nähme erneut zu. Dann müsse den Märkten mit höheren Brandmauern und zusätzlichen Mitteln vom IWF signalisiert werden, dass alles getan wird, um den Kreislauf zu stoppen.

Andere Experten sind sich sicher: Egal wie der freiwillige Forderungsverzicht läuft, führt an höheren Brandmauern der Europäer nichts vorbei. Die Diskussion über die Höhe der Rettungsschirme habe sich inzwischen verselbständigt und vom Fall Griechenlands getrennt. Die Märkte benötigten psychologisch ein machtvolles Zeichen Europas, seinen Währungsraum und dessen Stabilität mit allen Mitteln zu verteidigen.

Wenn alles nicht greift: Die ungeorndete Pleite

Für den Fall, dass weder ein freiwilliger noch ein erzwungener Forderungsverzicht zustande kommt, droht Experten zufolge ein ungeordnetes Chaos. Dann rechnet der Internationale Bankenverband (IIF) einem internen Papier zufolge mit Kosten von über einer Billion Euro. Das nächste Hilfspaket für Griechenland würde nicht umgesetzt. Damit könnte die Regierung in Athen auf breiter Front ihre Rechnungen gegenüber in- und ausländischen Gläubigern nicht mehr zahlen mit unabsehbaren Folgen. Die griechische Wirtschaft könnte vorübergehend zu einem Stillstand kommen und auch andere Euro-Krisenländer, an vorderster Front Portugal, könnten wieder stärker die Angst der Finanzmärkten zu spüren bekommen. (Reuters)