China senkt das Wachstumsziel von acht Prozent auf 7,5 Prozent. China setzt 2012 vor allem auf den Binnenmarkt. Verbraucherausgaben seien für China entscheidend, so Ministerpräsident Wen.

Peking. China senkt erstmals nach Jahren der ungebremsten Entwicklung das Wachstumsziel von acht Prozent auf 7,5 Prozent, dies teilte der chinesische Ministerpräsident Wen Jiabao am Montag mit. Prognosen sagen China hingegen weiter ein Wachstum von sogar acht Prozent vorraus. Dennoch will China mit der Absenkung des Zielwertes für die Wirtschaft verdeutlichen, dass ein Politikwechsel angestrebt wird: weg von schnellem hin zu nachhaltigem Wachstum. Wen setzt dabei vor allen auf den Binnenkonsum, um die Wirtschaftsziele zu erreichen. Bei der Eröffnung der Jahrestagung des Volkskongresses der Kommunistischen Partei sagte Wen, dass steigende Verbraucherausgaben entscheidend für die Zukunft Chinas seien.

Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) hatte bisher in den vergangenen Jahren rasant zugenommen. Das Wirtschaftswachstum stieg allein 2010 um 10,3 Prozent. Im Vorjahr war es etwas rückläufig. Analysten zufolge muss China seine Verbraucherausgaben ankurbeln, stärker auf den Technologiesektor setzen und seine Abhängigkeit von Exporten und Billigkräften reduzieren, um weiter wachsen zu können.

Wen versprach in seiner Rede eine ganze Reihe von Maßnahmen. Die Mindestlöhne sollen erhöht werden, ebenso die Unterstützungsleistungen für Studenten und Bauern. Klamme Privatunternehmen sollen außerdem leichter Kredite bekommen und in Schwierigkeiten geratenen Exportunternehmen soll unter die Arme gegriffen werden. Außerdem forderte Wen mehr bezahlten Urlaub für Arbeiter und Angestellte und einfacheren Zugang zu Verbraucherkrediten.

In seiner fast zweistündigen Rede vor 3.000 Delegierten in der Großen Halle des Volkes in Peking sagte Wen, "die chinesische Wirtschaft ist mit neuen Problemen konfrontiert“. "International wird die Straße zur wirtschaftlichen Erholung ein gewundener Pfad sein“, sagte Wen. "Im Inland ist es dringender, aber auch schwieriger geworden, die institutionellen und strukturellen Probleme zu lösen und die aus ungleichen, unkoordinierten und nicht nachhaltigen Entwicklungen entstehenden Probleme zu lösen.“

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Das von Wen vorgestellte Programm trägt alle Merkmale seiner Politik der vergangenen zehn Jahre. Unter ihm wurden das soziale Sicherungsnetz ausgebaut, Versuche unternommen, das Wachstum über die wohlhabenden Küstengebiete aufs weniger entwickelte Hinterland auszuweiten und die Einkommen der Arbeiter und Bauern zu erhöhen.

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Allerdings geriet seine Politik des schrittweisen Vorgehens in den vergangenen Monaten auch in die Kritik, weil es zu risikoscheu und zu bruchstückhaft sei, um es mit den etablierten Interessen insbesondere der mächtigen Staatsunternehmen und ihrer Unterstützer in der Bürokratie aufnehmen zu können. Eine Umstrukturierung ist nach Überzeugung der Weltbank aber notwendig, wenn China in die Liga der reichen Industrienationen aufsteigen will.

"Die Ausweitung der Binnennachfrage, besonders der Verbrauchernachfrage, die unerlässlich für die langfristige, stabile und robuste wirtschaftliche Entwicklung Chinas ist, steht in diesem Jahr im Fokus unserer Arbeit“, kündigte Wen an. Die Zentralregierung und die örtlichen Regierungen würden ihre Ausgaben um über 14 Prozent auf 12,4 Billionen Yuan (1,5 Billionen Euro) aufstocken, sagte Wen. Die größten Steigerungen sollen bei den sozialen Sicherungssystemen, auf dem Arbeitsmarkt und bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums erfolgen.

Doch China steht auch vor politischen Herausforderungen. Denn unklar ist, wie gut die chinesische Führung auf den bevorstehenden Abgang von Präsident Hu Jintao und vieler ranghoher Parteikader vorbereitet ist und welche Machtkämpfe der Wechsel im Hintergrund auslöst. "Wir sind gerade in einer ruhigen Periode, alles passiert hinter den Kulissen“, sagte Yang Zhaohui, Politikanalyst an der Universität von Peking.

Chinas Nachbarn sorgen sich dagegen über die anhaltende Aufrüstung Chinas. Das Land will seinen Verteidigungshaushalt in diesem Jahr um 11,2 Prozent auf 670,2 Milliarden Yuan (mehr als 80 Milliarden Euro) aufstocken. Chinas offizieller Verteidigungshaushalt ist nach den USA der weltweit zweitgrößte. Die tatsächlichen Ausgaben dürften laut Einschätzung von Experten aber um 50 Prozent höher liegen, da in den offiziellen Angaben Investitionen in Atomraketen und andere Programme nicht enthalten sind.

Von Charles Hutzler