Berlin/Hamburg. Nach dem teuersten Tankjahr aller Zeiten müssen die Autofahrer in Deutschland gleich zu Beginn des Jahres schon wieder Rekordpreise an den Zapfsäulen bezahlen. Weil vom Markt keine Entlastung zu erwarten ist, wird der Ruf nach dem Staat lauter.
Was wird als Konsequenz aus der Preisexplosion an der Zapfsäule gefordert?
ADAC-Präsident Peter Meyer fordert, dass Verbraucher mehr als die bisherigen 30 Cent je Kilometer an Pendlerpauschale beim Weg zur Arbeit von der Steuer absetzen können. „Besonders die Pendler leiden unter den weiterhin sehr hohen Sprit-Preisen“, betont Meyer. Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Karl-Heinz Däke, fordert 40 Cent. Seit 2004 seien die Spritpreise um ein Drittel gestiegen.
Deckt die aktuelle Pauschale die Kosten?
Nein, sagt der Steuerzahlerbund. Bei zehn Kilometern Entfernung zur Arbeit gebe es bei 220 Arbeitstagen für Fahrer eines Golf (Benziner) eine jährliche Lücke von 233 Euro, bei 20 Kilometern von 466 Euro und bei 30 Kilometern von 700 Euro. Bei 50 Kilometern wären es bei Golffahrern schon 1166 Euro. Als Basis wurden tatsächliche Kosten von 40,6 Cent je Kilometer genommen. Ein Liter Super E10 kostet derzeit im Bundesdurchschnitt fast 1,64 Euro – so viel wie noch nie.
Was will die Bundesregierung tun?
Erst einmal nichts, auch wenn besonders die Iran-Krise mit Sorge gesehen wird. Energieexperten befürchten, dass das Öl-Embargo in den nächsten Monaten die Spritpreise auf sehr hohem Niveau halten könnte. Eine Überprüfung der Entfernungspauschale ist im Augenblick aber nicht angedacht, heißt es im Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Entfernungspauschale sei eine verkehrsmittelunabhängige Pauschale. Das bedeutet: Wer mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt, kann steuerlich besonders profitieren. Den Staat kostete die Pauschale im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Euro.
Was könnte man tun, wenn die Pauschale nicht erhöht werden soll?
„Derzeit gilt das Prinzip, je höher das Einkommen, desto größer die Steuerersparnis, dadurch aber entsteht eine Gerechtigkeitslücke“, sagt Rainer Hillgärtner vom Auto Club Europa (ACE). Bei den meisten Arbeitnehmern wird die Pauschale bereits mit den Werbungskosten abgedeckt. Der ACE schlägt zur Entlastung vor, den Aufwand für die Fahrt zur Arbeit nicht mehr als Werbungskosten auszuweisen, sondern direkt von der Steuerschuld abziehen zu können. Damit stünde jedem Pendler unabhängig vom Verdienst für jeden Kilometer die gleiche Entlastung zu. Laut ACE sind die Kosten für Autofahrer 2005 bis 2010 um 41 Prozent stärker gestiegen als die Lebenshaltungskosten.
An welchen Stellschrauben könnte sonst noch gedreht werden?
Eine Senkung der steuerlichen Abgaben im Kraftstoffbereich könnte die Verbraucher entlasten. Laut Bundesverband mittelständische Wirtschaft fließen dem Staat jährlich über 40 Milliarden Euro aus der Mineralölsteuer zu. „Wenn das Benzin 1,66 Euro kostet, sind 97 Cent Steuern“, sagt Steuerzahlerbund-Präsident Däke. 55 Prozent des Preises würden in den Steuertopf wandern. „Der Fiskus verdient zudem an den höheren Spritpreisen über höhere Mehrwertsteuereinnahmen.“ Bei geringeren Energiesteuern sei es aber nicht sicher, dass dies an die Autofahrer weitergegeben wird. Der ADAC rät Autofahrern als Sofortmaßnahme zum spritsparenden Fahren, also mit einer niedrigen Motordrehzahl und dem richtigen Reifendruck.
Warum sind die Preise für Benzin und Heizöl so hoch?
Die beiden wichtigsten Faktoren für die Endverbraucherpreise sind die Rohölnotierungen und der Dollarkurs. Ölprodukte werden aus Rohöl gemacht und Rohöl wird in Dollar bezahlt. Beide Faktoren wirken gegenwärtig zulasten des Verbrauchers in Deutschland. Rohöl kostet um die 122 Dollar für ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent. Das ist der höchste Stand seit neun Monaten und deutlich über dem Durchschnitt des Jahres 2011, der bei 111 Dollar je Barrel lag. Gleichzeitig ist der Dollar teurer geworden. Vor neun Monaten bekam ein Ölhändler für einen Euro noch mehr als 1,45 Dollar, gegenwärtig sind es schon seit einem Monat nur noch 1,30 bis 1,33 Dollar. Auf dem europäischen Ölmarkt in Rotterdam ist der Preis für einen Liter Superbenzin deshalb auf Rekordwerte um 62 Eurocent je Liter gestiegen.
Wer profitiert von dem hohen Ölpreis?
In erster Linie die Besitzer von Rohöl, das sind überwiegend Staaten und staatliche Ölgesellschaften. Sie erhalten mehr Einnahmen bei gleichen Förderleistungen. Auch den großen privaten Ölkonzernen wie ExxonMobil, Shell oder BP bescheren die hohen Preise Rekordgewinne. Sie lenken ihre Investitionsmittel immer stärker in die Ölförderung, wo die höchsten Renditen winken. Die Verarbeitung von Rohöl in Raffinerien und der Vertrieb von Ölprodukten über Tankstellen und Händler ist dagegen eher margenschwach. Viele Raffinerien in Europa stehen zum Verkauf, weil es Überkapazitäten gibt, vor allem beim Benzin. Diesel und Heizöl sind dagegen knapp.
Wie stark belastet der hohe Ölpreis die Volkswirtschaft?
Spürbar. Die deutsche Ölrechnung für Rohölimporte erhöhte sich im vergangenen Jahr um 12,1 auf 53,7 Milliarden Euro. Dabei geht der Ölverbrauch in Deutschland seit Jahren zurück; die Importe reduzierten sich 2011 um 2,9 Prozent auf 90,5 Millionen Tonnen. Das meiste Öl, mehr als ein Drittel, bezieht Deutschland aus Russland. Weitere wichtige Lieferländer sind Großbritannien, Norwegen und Kasachstan. (dpa)