Frankfurt/Main. Die Angst vor Inflation hat sich tief ins kollektive Gedächtnis der Deutschen eingebrannt. Die Hyperinflation von 1923 vernichtete die Ersparnisse der kleinen Leute, Banknoten wurden zum wertlosen Papierfetzen. Die Turbulenzen um den Euro nährten zuletzt Sorgen, das Geld im Portemonnaie könnte bald seinen Wert einbüßen. In der Tat stiegen die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr mit 2,3 Prozent so stark wie seit 2008 nicht mehr. Doch seit September sinken die Inflationsraten kontinuierlich – ein Trend, der nach Einschätzung von Ökonomen auch 2012 anhalten wird.

Warum sind die Verbraucherpreise 2011 gestiegen?

Vor allem teure Energie und hohe Spritpreise heizten die Teuerung an. Energie insgesamt verteuerte sich im Vergleich zum Vorjahr um 10,0 Prozent. Noch stärker zogen die Preise für Kraftstoffe und Heizöl an. Der Preisauftrieb bei Energie war zum einen eine Folge der höheren Nachfrage weltweit. Zudem sorgten die Spannungen in Nordafrika, namentlich in Libyen, zwischenzeitlich für Unsicherheit auf dem Ölmarkt und zu Schwankungen bei den Ölpreisen.

Führen teure Rohstoffe automatisch zu höheren Verbraucherpreisen?

Nicht unbedingt. Wenn die Kosten für die Herstellung steigen, können Produzenten oder Händler entscheiden, ob sie umgehend die Preise für ihre Produkte anheben, oder zeitweise mit geringeren Gewinnen leben. Machen die Unternehmen ihre Produkte teurer, riskieren sie, dass weniger gekauft wird oder Kunden zur Konkurrenz abwandern. Da vor allem im deutschen Einzelhandel intensiver Wettbewerb herrscht, sind Preiserhöhungen oft schwer durchzusetzen.

Was bewirken die weit geöffneten Geldschleusen der EZB?

Mit Zinsen auf Rekordtief und Milliarden für klamme Banken will die Notenbank die schwächelnde Konjunktur anschieben und ein Austrocknen der Kreditströme verhindern. Die Kehrseite der Medaille: Sie muss die zusätzliche Liquidität auch rechtzeitig wieder aus dem System ziehen, damit sie nicht durch ihre expansive Geldpolitik die Inflation befeuert, die sie eigentlich bekämpfen will. Wenn mehr Geld im Umlauf ist, sorgt das tendenziell für mehr Inflation. Noch parken viele Banken die Milliarden bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Das heißt, das Geld kommt gar nicht wirklich in Umlauf. Manche Volkswirte sind jedoch skeptisch, dass es der EZB gelingen wird, die zusätzlichen Milliarden wieder aus dem Markt zu ziehen. Sie rechnen daher mittel- bis langfristig mit deutlich höheren Inflationsraten.

Was ist eigentlich so schlecht an Inflation?

Inflation steht für Geldentwertung. Das heißt: Je mehr das Geld entwertet wird, desto weniger Waren und Dienstleistungen können Verbraucher kaufen. Die Kaufkraft sinkt also, ebenso der Wert der Ersparnisse. Auf der anderen Seite zehrt Inflation aber auch Schulden auf. Billiges Geld kann zu Inflation und zur Überhitzung der Wirtschaft führen. Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker warnte einmal: „Inflation ist wie Zahnpasta: Sie drückt sich leicht aus der Tube raus, aber sehr schwer wieder rein.“

Wie wird die Preisentwicklung gemessen?

Die Preisentwicklung messen Statistiker mit Hilfe eines Warenkorbes aus gängigen Gütern und Dienstleistungen, der ständig aktualisiert wird. Für das Statistische Bundesamt notieren etwa 600 Preiserheber in 188 Gemeinden Monat für Monat die Preise der gleichen Produkte in denselben Geschäften. Zusätzlich werden für viele Güter Preise im Internet oder in Versandkatalogen erfasst. Insgesamt kommen so monatlich Daten zu 300 000 Einzelpreise zusammen. So wird zum Beispiel erhoben, wie sich die Preise für Bücher, Kinokarten, Benzin oder den Friseurbesuch entwickeln. Das größte Gewicht in dem Warenkorb haben mit gut 30 Prozent Mieten inklusive Nebenkosten. Weitere große Posten sind Nahrungsmittel (10 Prozent), die Ausgaben für Verkehr (13 Prozent) sowie Freizeit und Kultur (rund 12 Prozent).

Wie aussagekräftig sind die Zahlen der Statistiker?

Oft passen die Daten der Statistiker nicht mit den persönlichen Erfahrungen der Menschen zusammen. Die „gefühlte Inflation“ ist meist deutlich höher als die amtlich gemessene. Steigt der Preis für Benzin oder Brot, merken das Verbraucher fast täglich an der Zapfsäule oder beim Bäcker. Dagegen profitieren viele Verbraucher nicht davon, dass zum Beispiel Notebooks (minus 16,2 Prozent) und Mobiltelefone (minus 14,5 Prozent) im vergangenen Jahr deutlich günstiger waren als 2010 - einfach deswegen, weil solche Geräte in der Regel nicht jedes Jahr neu gekauft werden.

Wie sind die Aussichten für 2012?

Volkswirte erwarten, dass die Inflation im laufenden Jahr sinken wird. Der Preisdruck lässt vor allem deswegen nach, weil der kräftige Aufschwung vorbei ist. Damit können Unternehmen nicht mehr so leicht höhere Preise durchsetzen. Die Deutsche Bundesbank sagt für 2012 eine Teuerungsrate von deutlich unter 2,0 Prozent voraus – der Warnschwelle der EZB: „Der Preisanstieg auf der Verbraucherstufe dürfte seinen Höhepunkt überschritten haben und sich spürbar abschwächen.“ Nach der Prognose verteuert sich Energie nur noch um vier Prozent, auch Nahrungsmitteln werden sich weniger schnell verteuern als zuletzt. Hingegen erwartet die Notenbank, dass steigende Löhne den Preisdruck etwas verstärken.