Apple hat das neue iPhone 4 vorgestellt: dünner, schneller und kantiger. Ein Jahr nachdem das aktuelle Apple-Handy iPhone 3GS auf den Markt kam, schiebt das Unternehmen aus Cupertino in Kalifornien sein grundlegend überarbeitetes Telefon nach. Die "Welt am Sonntag" testete es in San Francisco.

* Design: Apple ist sich treu geblieben. Das neue iPhone ist schlicht gehalten, wirkt aber hochwertig. Nicht nur das Display ist mit Glas überzogen, auch die Rückseite wurde so veredelt. Apple nutzt Aluminosilikat-Glas, das 30 Prozent härter sein soll als Plastik. Außerdem ist das neue Gerät mit gerade mal 9,3 Millimeter flacher geworden als sein Vorgänger. Apple-Chef Steve Jobs nannte das iPhone 4 bei seiner Präsentation das "dünnste Smartphone aller Zeiten". Es wird eingefasst von einem Edelstahlrahmen, in dem sich zugleich drei Antennen verstecken.

* Schnelligkeit: Beim Starten von Programmen kommt es praktisch zu keiner Verzögerung mehr. Apple hat seinen A4-Prozessor in das Telefon eingebaut, der eigens für das iPad entwickelt wurde. Damit wird alles noch schneller. Der A4 ist trotz größerer Leistung nicht mehr so stromhungrig wie die bisherigen Chips. Damit reagiert Apple auch auf die Kritik, dass die Akkulaufzeit des Smartphones zu kurz sei. Die Stand-by-Zeit des Gerätes verlängert sich zwar nicht. Aber Nutzer können mit dem neuen iPhone zwei Stunden länger telefonieren, eine Stunde länger surfen oder auch zehn Stunden länger Musik hören.

* Display: Einen großen Sprung haben die Apple-Ingenieure beim Display gemacht. Es ist zwar noch genauso groß wie das des Vorgängers, aber die Auflösung hat sich schlichtweg auf 960 mal 640 Pixel vervierfacht. Tatsächlich sehen Icons, Schriften und auch Fotos deutlich schärfer aus, vor allem bei Vergrößerungen. Das Lesen von Texten wird dadurch merkbar angenehmer. Apple setzt damit einen ambitionierten Standard.

* Kamera: Von der Kamera an der Rückseite des iPhones 4 sollte man keine Wunder erwarten. Im Grunde liefern alle Handy-Kameras höchstens zufriedenstellende Ergebnisse, weil sie nur winzige Linsen haben. Apple hat sich von bislang drei auf nun fünf Megapixel gesteigert. Ein direkter Vergleich mit dem Vorgängermodell zeigt zwar eine deutliche Verbesserung, aber sogar eine billige Digitalkamera ist in jedem Fall überlegen. Wie auch bei anderen Kameras sollte man vom digitalen Zoom die Finger lassen. Das Bild wird dadurch immer schlechter. Wer unbedingt einen Ausschnitt vergrößern will, kann dies auch im Nachhinein noch machen. Fokussiert wird auf dem iPhone, indem man auf dem Display die gewünschte Stelle antippt. Zum ersten Mal hat das iPhone einen LED-Blitz bekommen, der zwar nicht allzu weit reicht, für einen Schnappschuss mit Objekt im Nahbereich aber noch taugt. Apple ist hier jedoch eher in der Position des Aufholers, andere Smartphones in dieser Preisklasse haben Blitz und mindestens fünf Megapixel längst als Standard, Nokias neuestes Handy mit der Bezeichnung N8 bringt es auf zwölf Megapixel.

* Videos: Wie erwartet kann das neue iPhone hochauflösende Videos aufnehmen, es schafft dabei eine Auflösung von 720p und 30 Bilder in der Sekunde. Die Filme sehen auf dem Handy-Display sehr gut aus. Wir hatten leider nicht die Möglichkeit, sie auf einem großen Fernseher zu betrachten. Der Auflösung zufolge müssten sie aber auch dort noch eine sehr annehmbare Qualität abliefern. Mit dem Verkaufsstart des iPhone 4 wird Apple auch eine iMovie-Version für das Handy anbieten. Wer will, kann dann direkt auf dem Smartphone seine Videos bearbeiten. Sie lassen sich darauf schneiden und mit Übergängen, Schriften oder Titeln versehen. Das alles geht zwar erstaunlich gut, es macht auf dem Computer aber mehr Spaß. iMovie für Mac-Rechner verfügt außerdem über deutlich mehr Funktionen.

* Face Time: Mit großem Stolz verweist Apple auf eine zweite Kamera an der Vorderseite des Handys. Auf diese Weise beherrscht das iPhone nun Videotelefone, was Apple "Face Time" nennt. Der Konzern tastet sich sehr vorsichtig an diese Funktion heran. Vorerst können auf diese Art nur zwei iPhone-4-Nutzer miteinander telefonieren, und das auch nur dann, wenn sie sich beide in drahtlosen Internet-Hotspots (WLAN) befinden. Das ist eine künstliche Beschränkung, die eher den langsamen Mobilfunknetzen in den USA geschuldet ist. Tatsächlich sind dort sogar die meisten dieser Hotspots langsamer als die Handynetze in Deutschland. Möglich also, dass diese WLAN-Beschränkung bald schon aufgegeben wird.

Ein wenig wundern mussten sich Beobachter über die Ankündigung von Steve Jobs, mit Mobilfunkanbietern über Videotelefoniestandards sprechen zu wollen. Denn Videotelefonie gibt es schon seit vielen Jahren, mehrere Handyhersteller haben auch Mobiltelefone auf den Markt gebracht, die dazu in der Lage sind. Und auch ein Standard in den Handynetzen existiert bereits. Hat das iPhone 4 erst einmal eine Videoverbindung aufgebaut, sieht der Anrufer seinen Gesprächspartner groß im Display und sich selbst in einem kleinen Fenster, das sich beliebig mit dem Finger verschieben lässt. Das Bild kann jederzeit von der Front- auf die Rückkamera geschaltet werden.

Bislang hat sich die Videotelefonie nicht durchsetzen können, was nicht unbedingt technische Gründe hatte. Es stellt sich vielmehr die grundlegende Frage, ob sich Gesprächspartner überhaupt sehen wollen und bereit sind, ihre Kommunikationsgewohnheiten dafür zu ändern. Leider kann das iPhone 4 keine Videoverbindung mit einem Computer eröffnen, die häufig mit Kameras ausgestattet sind. Dabei verfügt Apple mit iChat über ein eigenes Video-Chat-Programm. Denkbar ist, dass andere Unternehmen wie Skype oder Fring dem iPhone diese Fähigkeit beibringen.

* Multitasking: Zahlreiche neue Funktionen kommen durch die nächste Version des Apple-Betriebssystems iOS 4 auf das iPhone herüber. Dazu gehört das von den Nutzern lange Zeit vermisste Multitasking, das es ermöglicht, mehrere Anwendungen gleichzeitig auszuführen. Auf diese Weise kann beispielsweise im Hintergrund das Internetradio Pandora laufen, während gleichzeitig E-Mails verfasst werden. Bislang musste ein Programm geschlossen werden, um ein anderes zu öffnen. Wer künftig zwischen den geöffneten Programmen wechseln will, muss zweimal auf den Home-Button auf der Handy-Vorderseite drücken. Dann werden die aktiven Anwendungen in einem Streifen am unteren Bildschirmrand angezeigt.

* Ordnung: Zu den sinnvollen Verbesserungen im neuen Betriebssystem gehört auch das Sortieren von Anwendungen auf den Übersichtsseiten. Nun lassen sich Anwendungen einfach in Ordner ziehen. Bislang war das nicht möglich. Außerdem verwaltet das E-Mail-Programm nun mehrere Mail-Konten und stellt zusammenhängende Konversationen auch zusammen in sogenannten Threads dar. Wer übrigens längere Mails schreiben muss, kann beim iOS 4 auch mit dem iPhone zusammen eine drahtlose Bluetooth-Tastatur benutzen. Die neue Software steht ab dem 21. Juni für das iPhone 3 und 3GS zur Verfügung. Das iPhone 3 muss jedoch Abstriche hinnehmen, nicht alle neuen Funktionen sind aus Hardware-Gründen auf diesem Gerät möglich. Leider gehört das Multitasking zu diesen Einschränkungen.

Quelle: Welt Online