Die deutschen Unternehmen sind alarmiert: Immer häufiger, so die Experten, geraten ausländische Firmen ins Visier der US-Justiz.
Washington/Stuttgart. Dabei fühlen sich die amerikanischen Ermittler auch für Vergehen zuständig, die weit jenseits der Grenzen passiert sind. Zuletzt traf es den Stuttgarter Autobauer Daimler. Vor anderthalb Jahren war Siemens dran. In beiden Fällen ging es um Korruption.
Daimler hatte sich, was der Konzern mittlerweile zugab, über Jahre hinweg mit Schmiergeldern lukrative Aufträge gesichert. Die Stuttgarter machten ihren Geschäftspartnern auch schöne Geschenke: Das reichte von der Einladung in den Golfclub über Hochzeitspräsente für die Kinder bis hin zur Frei-Haus-Lieferung eines 500000 Dollar teuren, gepanzerten Geländewagens.
Das alles passierte weit weg von den USA: In Afrika, Asien und Europa. Doch der Arm der amerikanischen Justiz reicht weit. Und Daimler hat viele Verbindungen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten: Zu der Zeit, als die meisten Schmiergelder flossen, hieß der Konzern noch DaimlerChrysler. Noch heute hat Daimler ein großes Werk im Land. Außerdem machten die Schwaben den Fehler und nutzen für ihre krummen Geschäfte US-Konten und US-Mittelsmänner.
Die Verfehlungen hielt der Ankläger des US-Justizministeriums dem Autobauer nun haarklein vor. Zwar lobte er die „exzellente Kooperation“ von Daimler. Doch in der Sache blieb er hart: Daimler muss büßen. Zermürbt von jahrelangen Ermittlungen stimmte der Konzern einem Vergleich zu. Der von der schweren Branchenkrise gebeutelte Autohersteller ist damit um 185Millionen Dollar ärmer.
Daimlers oberster Korruptionsbekämpfer Gero Hermann machte vor Gericht nicht einmal den Versuch einer Erklärung. Knapp beantwortete er die Fragen von Richter Richard Leon mit immer wieder der gleichen Formulierung: „Ja, Euer Ehren.“ Zum mühsam ausgehandelten Vergleich sagte er: „Ja, das ist fair.“ Nach nicht einmal zwei Stunden war der Prozess vorbei, ein fast sechs Jahre andauernder Rechtsstreit damit beendet.
Bei Siemens ging alles eine Spur schneller. In rund zwei Jahren arbeiteten die Münchener den bisher größten Korruptionsfall Deutschlands auf. 1,3 Milliarden Euro waren in dunklen Kanälen versickert; bei Daimler waren es „nur“ 56 Millionen Dollar. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme sägte selbst langjährige Vorstände ab, holte eine neue Führung an Bord und baute Siemens zusammen mit dem neuen Konzernlenker Peter Löscher zur mustergültigen Anti- Korruptions-Firma um. Das geschah alles auch, um die US-Justiz gnädig zu stimmen.
Denn die Amerikaner sind berüchtigt dafür, dass sie satt zulangen. Allein die Anklagen gegen die beiden Dax-Konzerne spülten insgesamt knapp 1 Milliarde Dollar in die klamme Staatskasse. Ein einträgliches Geschäft, bei dem auch die Börsenaufsicht SEC mitmischt. Sie überwacht mit gestrengem Blick jede Firma, die an einer US-Börse notiert ist. Dazu gehören auch Daimler und Siemens.
Viele andere deutsche Konzerne haben bereits die Flucht ergriffen. Zwar nennen sie als Gründe, dass ihre Aktien in New York zu wenig gehandelt würden und sich der Aufwand dafür nicht lohne. Doch das harte Durchgreifen der SEC dürfte den Weggang beschleunigt haben. In der jüngeren Vergangenheit verabschiedeten sich der Halbleiter- Konzern Infineon, der Versicherer Allianz und der Energieriese Eon von der Wall Street.
Doch Daimler und Siemens bleiben. Sie versuchen, den quälenden Prozessen noch etwas Positives abzugewinnen. So sagte Daimler-Chef Dieter Zetsche: „Wir sind heute ein besseres und stärkeres Unternehmen.“ Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wusste das schon vorher: Sie hat alle laufenden Korruptionsverfahren bis auf zwei eingestellt.