Die Tage der herkömmlichen Glühbirne sind gezählt. Doch viele Deutsche wollen sich mit dem Glühbirnenverbot der Europäischen Union nicht abfinden. Der Protest formiert sich im Internet: Hier finden Elektrosmog-Geängstigte, Ärzte und Lichtdesigner im Widerstand gegen das Brüsseler Diktat zusammen

In der Geschichte der Mailänder Euroluce gab es von jeher viel Licht und viel Schatten. Doch in diesem Frühling hoben die Besucher der weltgrößten Fachmesse für Lichtgestaltung dann doch verwundert den Blick, wenn sie an Ingo Maurers Stand vorbeikamen. Der renommierte Lichtkünstler aus München war bei einer sonst eher lichtscheuen Verrichtung zu beobachten: Er rollte Kondome ab. Und stülpte diese dann über fragile Glühbirnenkörper. Nicht zum Zwecke der Sexualaufklärung, sondern als „einen bewussten Akt zivilen Ungehorsams“.

Das hitzebeständige Silikonpräservativ simuliere, über eine klare Birne gestreift, das Licht matter Glühlampen. Denn die dürfen in der EU ab September nicht mehr verkauft werden. Und Maurer sieht in diesem Verbot nicht weniger als einen Angriff auf das menschliche Wohlbefinden. „Die Glühlampe ist für mich eine Ikone, eine wunderbare Symbiose von Industrie und Poesie“, sagt der Lichtkünstler, der sein Protestkondom nun tatsächlich in den Handel bringen will. Denn er sieht düstere Zeiten auf das Land zukommen. „Wenn keine Glühlampen mehr brennen, werden die Psychiater massenhaften Zulauf bekommen.“

Wer solche Aussagen zum ersten Mal hört, mag den Kopf schütteln und schon jetzt zum Besuch eines Fachmanns raten. Doch Maurer ist kein einsamer, verirrter Rufer, der sich in der Welt von heute nicht mehr zurechtfindet. Er ist Teil einer Massenbewegung. Das Verbot der Glühbirne hat Widerstand wachgerufen, der quer durch alle gesellschaftlichen Schichten geht, von Expertisen unterschiedlichster Fakultäten gespeist wird und sich vor allem im Internet organisiert.

In diversen Foren und Zirkeln tauscht die Leuchtmittel-Résistance immer neue und immer erschreckendere Erkenntnisse über Risiken, Nebenwirkungen und Langzeitfolgen der Energiesparlampe aus. Der Glühbirnendiskurs ist längst zu einem Metakonflikt geworden, der medizinische, religiöse, biologische und epidemiologische Dimensionen annimmt. Quecksilberdämpfe, Entsorgungsproblematik: Anfängerbedenken.

„Das helle Licht der Energiesparlampe hat einen viel zu hohen Blauanteil und versetzt den Körper in einen systemischen Stresszustand“, sagt der Heidelberger Arzt und „Lichtbiologe“ Alexander Wunsch, der lange, unter Kollegen umstrittene Aufsätze über die chronobiologische Bedeutung des Lichts verfasst hat. Die Spektralverteilung des Lichts steuere über Rezeptoren in der Netzhaut indirekt den Hormonhaushalt, erklärt der Mediziner. Ein hoher Blauanteil wirke dabei, im Gegensatz etwa zum Kerzenlicht, aufputschend statt entspannend. Die Zirbeldrüse werde daran gehindert, beruhigendes Melatonin zu bilden, zugleich stelle die Hypophyse die Signale auf Aktivität, Sexualität, Stress. Will sagen: Neonlicht regt uns auf.

Eine Tatsache, aus der Wunsch weitreichende Gefahren für die Gesundheit ableitet. „Das Risiko ist gegeben, dass das Verbot der Glühlampe zu einem Anstieg vieler Zivilisationskrankheiten führt“, sagt er und verweist auf epidemiologische Studien aus Japan und Israel. Brust- und Prostatakrebs, Herzkreislauferkrankungen: alles auch eine Frage des Lichts. Ganz zu schweigen von bestimmten Augenkrankheiten, an denen schon heute ein Drittel der über 65-Jährigen leide und die Wunsch mit dem Blaulicht-Einsatz in Zusammenhang bringt.

Die EU scheint ihre Schutzbefohlenen in eine Lichtseuche zu treiben, gegen welche die Schweinegrippe sich wie ein Hüsterchen ausmacht. Was tun? Bürger könnten auf die Straße gehen und ausgemusterte Birnen zu Barrikaden türmen. Oder sie gehen ins Internet.


Auf der Webseite Gopetion.com kann man nicht nur Petitionen unterstützen, die sich für Schlittenhunde oder die Rettung des Kreuzworträtsels aussprechen. Hier findet sich der Aufruf eines Münsteraner Informationselektronikers für die Glühbirne. 1461 Signaturen hat er beisammen, mehr als der Widerstand gegen ein Paintballverbot (76 Unterschriften) oder die Forderung nach „Breitband für Weissenbrunn“, die bislang sechs Unterstützer fand.

Der Münchner Lichtdesigner Peter Pich investiert nach eigenem Bekunden einen Arbeitstag pro Woche in den Kampf für den Erhalt der Birne; seine Webseite Pro-gluehlampe.de zählt zu den wichtigsten Organen der Bewegung. „Es ist, als ob man Zucker verbieten und stattdessen Süßstoff vorschreiben würde“, umschreibt er seine ästhetischen Vorbehalte gegen die Kaltlichtfront. Sparlampenlicht sehe weiß aus, doch es fehlten Bereiche des Farbspektrums, wodurch es „ungemütlich und unzureichend“ wirke.

Wenn es nur das wäre. Noch ist fraglich, ob der Protest die EU-Kommission in die Knie zwingen kann. Doch nichts hat die Deutschen seit der Invasion der Handymasten so in Schrecken versetzt wie die Invasion der Energiesparlampe, wie die Verordnung 244/2009.

Gefüttert wird das allgemeine Unwohlsein auch von Wolfgang Maes, Sachverständiger für Baubiologie in Neuss. „Wir haben die Energiesparlampen in unserem Labor ausführlich getestet und waren von den Ergebnissen überrascht“, sagt er. Maes präsentiert Messwerte, wonach von den Sparleuchten elektromagnetische Felder ausgehen, die „zigfach über den Computerarbeitsplatzvorschriften“ lägen. Eine Schreibtischlampe strahle stärker als ein 21-Zoll-Monitor. Zudem habe man „Lichtflimmern“ gemessen, dessen gesundheitliche Auswirkungen zwar noch unerforscht seien. Doch in Berichten Flimmerlichtbetroffener wiederholten sich Symptome: „Kopfdruck, Schwindel, Unwohlsein, Zittern, Nervosität, Kältegefühl, neurologische Störungen?...“ Zudem, sagt Maes, „stinken die Dinger“.

Doch wo Widerstand ist, ist die Reaktion nicht fern. Das schon namentlich nur schlecht getarnte „Redaktionsbüro Lichtzeichen“ meldete sich dieser Tage zu Wort und verkündete, die Vorbehalte gegen die Energiesparlampe erwiesen sich „mittlerweile im Wesentlichen als Vorurteile“. Die Lohnschreiber der Lampenhersteller lassen eine Menge Fakten folgen, die ihn wiederherstellen sollen: den Glauben an den schönen Schein. Und zur Not gibt es ja noch das Kondom.

Quelle: Welt Online