In den kommenden Wochen rechnen die Finanzämter mit einem großen Schwung an Selbstanzeigen. Schon jetzt haben sich mehr als 40 Steuersünder gemeldet. Der deutsche Fiskus erhofft sich davon Steuereinnahmen von mehreren Hundert Millionen Euro, die Bundesbürger zuvor hinterzogen haben.
Die Angst vor der Enttarnung verschafft den Steuerfahndern mehr Arbeit. Bei den Finanzämtern sind nach der Ankündigung der Regierung, eine CD mit Daten von mutmaßlich 1500 Steuerflüchtlingen zu kaufen, mehr als 40 Selbstanzeigen eingegangen.
Allein in Hessen zählte die zuständige Oberfinanzdirektion bislang 27 Selbstanzeigen in Zusammenhang mit Kapitalanlagen in der Schweiz. Das ergab eine Umfrage von WELT ONLINE bei den Oberfinanzdirektionen und Finanzministerien aller 16 Bundesländer. In Niedersachen meldeten sich demnach bis Freitagmittag zehn Steuerflüchtlinge, in Schleswig-Holstein vier, in Berlin drei und in Mecklenburg-Vorpommern einer. Auch in anderen Bundesländern gibt es Fälle.
„Wir haben welche, nennen aber keine Zahlen“, sagte ein Sprecher der Oberfinanzdirektion München. Auch das saarländische Finanzministerium bestätigte „vermehrte Eingänge“ in den vergangenen Tagen, in Bremen sprach eine Sprecherin des Finanzsenats von „einigen wenigen Selbstanzeigen“ in dieser Woche. In anderen Bundesländern hat sich dagegen noch niemand angezeigt, oder die Finanzämter haben die Eingänge noch nicht an die übergeordneten Behörden gemeldet. Zu der Höhe der fälligen Nachzahlungen äußerte sich bislang nur Niedersachsen. „Aus den zehn Selbstanzeigen könnten sich Steuermehreinnahmen von 1,2 Millionen Euro ergeben“, sagte eine Sprecherin des Finanzministeriums in Hannover.
Mit einem großen Schwung an Selbstanzeigen rechnen die Finanzämter erst in den kommenden Wochen. In Zusammenhang mit der Liechtenstein-Affäre rund um gestohlene Daten der LGT-Bank gingen vor zwei Jahren mehr als 300 Selbstanzeigen bei den Finanzämtern ein. Wenn Steuerpflichtige eine Selbstanzeige einreichen, müssen sie zwar die fälligen Steuern nachzahlen, können aber auf Straffreiheit hoffen.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte Steuerhinterzieher aufgefordert, Selbstanzeige zu erstatten, bevor die CD mit gestohlenen Schweizer Bankdaten im Besitz der deutschen Steuerbehörden sei. Der anonyme Anbieter verlangt 2,5 Millionen Euro dafür. Die Bundesregierung hatte am Donnerstag nach heftigen Debatten den Ankauf der illegal beschafften CD bestätigt. Der deutsche Fiskus erhofft sich davon Steuereinnahmen von mehreren Hundert Millionen Euro, die Bundesbürger zuvor hinterzogen haben. Das Finanzministerium betonte, das Ausmaß der Steuerhinterziehung sei derzeit nicht absehbar.
Berichte, wonach es sich um mindestens 400 Millionen Euro handeln könnte, sind nach Ansicht von Experten allerdings übertrieben. „Das werden keine 400 Millionen Euro sein. Da müsste ja rein rechnerisch jeder der 1500 Kontoinhaber knapp 270.000 Euro nachzahlen – vorausgesetzt, alle 1500 haben tatsächlich illegal Geld in der Schweiz“, sagt der Fachanwalt für Steuer- und Strafrecht, Andreas Hagenkötter. Das Bundesfinanzministerium wollte sich zur Höhe möglicher Steuernachforderungen nicht äußern. Nicht bestätigt wurden auch Berichte, wonach die Daten von Kunden des Schweizer Bankhauses Credit Suisse stammen.
Wie andere Schweizer Banken will die Credit Suisse den Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung nicht auf sich sitzen lassen. Die Credit Suisse lege ihren Kunden mit Schwarzgeld nahe, sich um eine Legalisierung ihrer Vermögen zu bemühen, sagte der Sprecher der Bank, Marc Dosch: „Wenn ein Neukunde oder ein bestehender Kunde dem Bankberater sagt, er habe Schwarzgeld, dann wird der Bankberater dem Kunden raten, eine unabhängige Steuerberatung einzuholen.“ Man baue sein Geschäftsmodell nicht auf steuerlichen Aspekten auf.
Die Schweizer Banken gehören in der Vermögensverwaltung zur Weltspitze. Die Schweizerische Bankiervereinigung bezifferte allein die von ausländischen Kunden verwalteten Vermögen im Jahr 2008 auf umgerechnet rund zwei Billionen Euro. Der gesamte Finanzsektor der Schweiz zählte vor Ausbruch der Finanzmarktkrise etwa 195.000 Beschäftigte, das sind 5,8 Prozent aller Beschäftigten in der Schweiz.