Ein Fachanwalt für Steuerrecht ist der Ansicht, dass der Staat durch die Steuer-CD keine 400 Millionen einnehmen wird. Rein rechnerisch sei der Betrag zu hoch. Auch die Steueramnestie von Ex-Finanzminister Hans Eichel habe längst nicht den erhofften Erfolg gehabt. Zudem bezweifelt der Anwalt, dass alle Genannten auch Steuersünder sind.

Der umstrittene Kauf der Steuersünder-CD wird dem Staat nach Überzeugung eines Experten weitaus weniger Geld in die Kasse spülen als gedacht. „Das werden keine 400 Millionen Euro sein. Da müsste ja rein rechnerisch jeder der 1500 Kontoinhaber knapp 270.000 Euro nachzahlen. Vorausgesetzt, alle 1500 haben tatsächlich illegal Geld in der Schweiz“, sagte der Fachanwalt für Steuer- und Strafrecht, Andreas Hagenkötter. Viel eher baue die Regierung eine Drohkulisse auf, damit es Selbstanzeigen gibt, vermutete Hagenkötter, der in Schleswig-Holstein reumütige Steuerhinterzieher berät.

Schon bei der Steueramnestie 2004/2005 seien fünf Milliarden Euro eingeplant gewesen – doch nicht einmal eine Milliarde sei geflossen. Hagenkötter kritisierte, dass Medien und Politik bei der Diskussion über die CD Fakten missachteten. „Anfangs hieß es, es sei eine CD mit 1500 deutschen Kapitalanlegern angeboten worden. Daraus wurde innerhalb von zwei Tagen, dass es sich um 1500 Steuersünder handelt. Womit ist das gedeckt?“ Der Anbieter der CD habe seine Ware wohl kaum einer Einzelfallprüfung unterzogen – auch wenn die Vermutung nahe liege, dass sich in seiner Namensliste etliche Treffer befinden.

Auch die angeblich erfolgreichen ersten Stichproben machen Hagenkötter stutzig: „Auf der CD kann doch höchstens ein Name ersichtlich sein und die Behauptung, derjenige habe Geld in der Schweiz. Wer will das denn überprüfen? Die Schweizer Bank könnte das, aber doch nicht die deutschen Behörden mal eben auf die Schnelle. Die angeblich beklaute Bank will aber von einem Datenklau nichts wissen.“

Hagenkötter sagte weiter: „Für mich ist das viel Panikmache der Regierung, weil die viele Selbstanzeigen provozieren will.“ Dass diese Taktik aufgeht, halte er für unwahrscheinlich. Der Fall sei nicht vergleichbar mit der Liechtenstein-Affäre, bei der der Geheimdienst BND Daten ankaufte. „Damals gab es diese super inszenierten Bilder vom verhafteten Ex-Post-Chef Zumwinkel. Das hatte hohe emotionale Wirkung und baute eine gewaltige Drohkulisse auf.“

Der Fachanwalt ist überzeugt, dass die großen Steuersünder die Sache zunächst aussitzen. „Die Selbstanzeige ist erst dann nicht mehr möglich, wenn die Tat entdeckt ist – also wenn individuell geprüft worden ist. Mit dem Kauf der CD ist das noch lange nicht der Fall.“

Denn auch, wenn Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt ist, seien die Folgen doch überschaubar. „Wer Ersttäter ist und nur ein paar Zehntausende weggeschleust hat, wird in aller Regel mit einer Geld- oder Bewährungsstrafe nach Hause gehen.“

Quelle: Welt Online