Die Familie Otto baut 21 neue Einkaufszentren, unter anderem gehen 200 Millionen Euro in das Shoppingcenter an der Hamburger Straße.

Hamburg. Das Hamburger Unternehmen ECE, Europas Marktführer für Einkaufszentren, will trotz Krise kräftig wachsen. Das Abendblatt sprach mit ECE-Chef Alexander Otto, der zuversichtlich ist, dass der Einzelhandel in Deutschland eine gute Zukunft hat.


Abendblatt: Herr Otto, vor 40 Jahren startete Ihr Vater mit dem ersten Einkaufszentrum in Nürnberg. Vor wenigen Tagen haben Sie in Essen ein weiteres großes Center eröffnet. Bereitet es Ihnen keine Sorgen, dass Sie mit solchen Projekten traditionell gewachsene Einzelhändler in einer Stadt verdrängen?
Alexander Otto: Die Städte beschäftigen sich sehr genau mit dem Thema Kaufkraftumlenkung. Sie sehen aber auch die positiven Auswirkungen eines Einkaufszentrums auf die Anziehungskraft einer Stadt. Große Supermärkte oder Markthallen gibt es in Innenstädten doch oft nur noch in Einkaufszentren. Zudem vermieten wir Flächen an kleine Fachgeschäfte. In Essen beispielsweise haben wir jetzt einen Händler, der sich auf Bürsten spezialisiert hat. Von der Haarbürste bis zum Rasierpinsel gibt es dort alles - natürlich handgemacht.


Abendblatt: Niedliche Geschichte.


Otto: Nein, wir meinen es mit dem Branchenmix ernst. In Einkaufszentren besteht die Möglichkeit, nicht nur den Gewinn zu optimieren, sondern auch bei den Nutzungen zu experimentieren. Bei uns kommen nicht nur Filialisten zum Zuge. Deshalb sind Einkaufszentren eine Chance für den Facheinzelhandel.


Abendblatt: Klar, dass Sie dieses Argument bringen. Wie sieht Ihre Mieterstruktur konkret aus?


Otto: Wir haben deutlich höhere Fachhandelsquoten als Einkaufsmeilen wie die Mönckebergstraße. Dort sind über 90 Prozent Filialisten und nur zehn Prozent unabhängige Geschäfte. Im Alstertal-Einkaufszentrum sind knapp 50 Prozent der Mieter Einzelgeschäfte.


Abendblatt: Wie rechnet sich das? Kleine Händler können vermutlich nicht die hohen Mieten bezahlen, die Sie von den Ketten verlangen können.


Otto: Wir haben sehr differenzierte Mietensysteme und schauen dabei immer nach dem Umsatzpotenzial und besprechen auf dieser Basis gemeinsam mit dem Mieter die Kosten pro Quadratmeter.


Abendblatt: Bitte etwas genauer. Wie viel bezahlen kleine Geschäfte wie etwa der Bäcker im Einkaufszentrum, wie viel die Handelsketten?


Otto: Unsere Bandbreite reicht je nach Lage und Branche von zehn Euro pro Quadratmeter bis hin zu einem dreistelligen Betrag.


Abendblatt: Sie wollen 200 Millionen Euro in das Einkaufszentrum Hamburger Straße investieren. Wie wollen Sie ein vom Ruf her ruiniertes Einkaufszentrum wieder revitalisieren?


Otto: Wir sind auf einem guten Weg. Der Vermietungsstand liegt schon bei über 95 Prozent, obwohl wir erst im nächsten Frühjahr eröffnen werden.


Abendblatt: Dennoch, der Ruf wurde kaputt gemacht.


Otto: Wir haben gute Mieter wie TK Maxx mit wechselnder Markenware, C&A, ein Elektronikmarkt wird dabei sein und Supermärkte. Als Erstes wollen wir die Kunden aus dem direkten Umfeld, also von der Uhlenhorst und Barmbek, wieder für den Standort begeistern. In dieser Region ist die wohl höchste Bevölkerungsdichte in Hamburg und es ist auch genug Kaufkraft vorhanden. Daneben arbeiten viele Menschen in den Büros, denen wir mit Hamburgs erstem Foodcourt ein attraktives Angebot machen. Hinzu kommt die verkehrsgünstige Lage. Am Einkaufscenter ist ein Schnittpunkt des öffentlichen Nahverkehrs mit U-Bahn und Bussen. Zudem wird die Straße täglich von im Schnitt 80 000 Pkw befahren.


Abendblatt: Wie wird sich die Krise in Zukunft auf den privaten Konsum in Deutschland auswirken?


Otto: Ich denke, kaum. Wir in Deutschland profitieren jetzt davon, dass wir in der Vergangenheit nur relativ moderat gewachsen sind. Große Sprünge haben wir selbst 2006 und 2007 nicht gemacht, als es in allen anderen europäischen Ländern deutliches Wachstum gab. Deshalb werden wir auch keinen großen Einbruch haben. Ich bin also recht optimistisch. Allerdings müssen wir abwarten, welchen Einfluss die zunehmende Arbeitslosigkeit auf den Einzelhandel haben wird. Ich denke, dass wir dies schon spüren werden, aber nicht in dem Ausmaß, wie es etwa auf der Iberischen Halbinsel der Fall ist, wo es zweistellige Einbrüche gibt.


Abendblatt: Heute haben Sie 114 Einkaufszentren. Wo wollen Sie in fünf Jahren hin?


Otto: Wir haben derzeit 21 neue Center in Bau und Planung - aber in diesen Zeiten ergeben sich manchmal auch sehr kurzfristig weitere Gelegenheiten.


Abendblatt: Die Banken zeigen sich in der Krise bei der Kreditvergabe zurückhaltend. Ist ECE betroffen?


Otto: Wir sind mit den Banken ausgesprochen zufrieden. Uns ist es gelungen, 2009 vier Projekte zu starten. In Oldenburg haben wir 115 Millionen Euro, in Dortmund 300 Millionen Euro investiert. Hinzu kommen Erweiterungsbauten in Dresden und Frankfurt mit bis zu 165 Millionen Euro. Aber wir sehen eine Verschiebung bei den Banken. Die klassischen Immobilienfinanzierer wurden durch Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken ersetzt, die bei den derzeit niedrigen Zinsen die Chance nutzen, bei der Vergabe gut abgesicherter Kredite hohe Margen zu erzielen. Wir zum Beispiel finanzieren nur 60 Prozent des Investitionsvolumens fremd. Der Rest ist Eigenkapital.


Abendblatt: Da lernen Sie ja ganz neue Banker kennen.


Otto: Auch. Zudem kommen die Immobilienfinanzierer zurück auf den Markt. Selbst die HRE, die nur mit Staatshilfe überlebte, macht wieder Finanzierungsangebote.


Abendblatt: Wie steht ECE in der Krise da?


Otto: Gut. Wir waren glücklicherweise nie auf der Iberischen Halbinsel unterwegs, sondern haben nach der Wiedervereinigung konsequent in Osteuropa investiert. Natürlich verzögern sich auch bei uns Projekte wie etwa in Bulgarien und in der Türkei, aber in der Krise kann man sich auch auf anderen Märkten umsehen. Dieses Jahr haben wir uns mit 20 Prozent beim amerikanischen Einkaufszentrenbetreiber DDR eingekauft und sind somit größter Investor geworden. Wir haben noch die Möglichkeit, unseren Anteil dort auf 30 Prozent aufzustocken.


Abendblatt: Bei den rund 3000 ECE-Mitarbeitern herrscht Unruhe. Wie man hört, werden Stellen abgebaut und Aufhebungsverträge angeboten, auch in Hamburg, wo 1500 Mitarbeiter in der Zentrale arbeiten.

Otto:
Wir sind in den vergangenen zehn Jahren rasant gewachsen, haben unsere Mitarbeiterzahl verdoppelt, ohne die Strukturen anzupassen. Das müssen wir jetzt nachholen. Wir müssen die Abläufe verbessern und uns zugleich darauf einstellen, dass es in Osteuropa derzeit nicht so schnell vorangeht, wie es mal geplant war. Deshalb haben wir zum Beispiel Zeitverträge mit Mitarbeitern nicht verlängert und auch einigen Mitarbeitern in der Hamburger Zentrale, zum Beispiel im Bereich Bauen und Architektur, Aufhebungsverträge angeboten.


Abendblatt: Wie viele Stellen werden in Hamburg konkret abgebaut?


Otto: Das kann ich nicht sagen, da der Prozess noch nicht beendet ist. Ich bin aber sicher, dass die ECE am Ende unserer Neuausrichtung nicht weniger Mitarbeiter haben wird als heute.