Die Nachfrage nach Pflegeprodukten steigt weiter an. Auch die plastischen Chirurgen erwarten weiteres Wachstum.
Hamburg. Gedämpftes Licht in warmen Farben, leise Musik im Hintergrund, ergonomisch geformte Liegen in den Kabinen, die sich beheizen lassen: Fünf davon bietet das Dove Spa im Erdgeschoss der neuen Zentrale von Unilever in der HafenCity - für eine kleine Pause vom Alltag. "Morgens waren drei schwangere Frauen da, die Gesichts- und Fußmassagen genommen haben", sagt Diplom-Kosmetikerin Alexandra Burger, die das Spa auf eigene Rechnung betreibt. Aber auch um 18 Uhr kommt noch ein Kunde. Obwohl das Haus erst Anfang September geöffnet hat, seien sie selbst und ihre vier Mitarbeiterinnen gut ausgelastet, versichert die Chefin. Regeneration und Kosmetik im täglichen Umfeld von arbeitenden Menschen anzubieten hat sich in England in 27 Spas bereits bewährt.
Neuen Schwung gibt der Beiersdorf-Konzern dem Geschäft mit der Schönheit schon seit April 2006, als das erste Nivea-Haus am Jungfernstieg öffnete. Inzwischen gibt es drei - die beiden anderen in Dubai und Berlin. Allein gut 270 000 Kunden wurden 2008 in Hamburg betreut. "Das Bedürfnis nach kurzzeitiger Entspannung und Pflege nimmt zu", sagt eine Konzernsprecherin. Während aber Beiersdorf auf 800 Quadratmeter in Hamburg mit eigenem Personal arbeitet und nur Nivea-Produkte anbietet, steht im nur 170 Quadratmeter großen Dove Spa eine spezielle Linie mit 38 Produkten zum Verkauf, die nur hier erhältlich sind. 30 Minuten Rückenmassage kosten im Unilever-Haus 29, die 120-minütige Behandlung von Schwangeren 99 Euro.
Die Konzepte von Unilever und Beiersdorf zielen auf einen lukrativen Milliarden-Markt, auf dem vor allem Konzerne wie auch Procter&Gamble agieren. Trotz Krise wurde in diesem Jahr bis Ende August nicht weniger für Körperpflege und Schönheit ausgegeben als zuvor, hat die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ermittelt. "Fast jeder Deutsche kaufte mindestens einmal in diesem Jahr ein Schönheitsprodukt im Handel", sagt Cornelia Hillgärtner, Beraterin bei der GfK. Die Zahl der Packungen stieg um 1,8 Prozent auf 2,6 Milliarden, der Umsatz um 0,4 Prozent auf 7,22 Milliarden Euro. Auch im gesamten Markt für Körperpflege- und Waschmittel geht es seit 2004 bergauf, so der zuständige Industrieverband. So kletterte der bundesweite Umsatz 2008 von 11,4 auf 12,6 Milliarden Euro.
"Wir gehen für die Körperpflege in diesem Jahr von einem stabilen Geschäft aus", sagt Unilever-Deutschland-Sprecher Merlin Koene. Hintergrund: Unilevers Marken, zu denen neben Dove auch Axe, Rexona und Signal zählen, sind wie andere Konsumbereiche bisher kaum vom Konjunktureinbruch betroffen. Mit der am Freitag angekündigten Übernahme des Körperpflegegeschäfts von Sara Lee baut Unilever das Geschäft aus. Für Marken wie Duschdas und Badedas mit einem Umsatz von 750 Millionen Euro wurden knapp 1,3 Milliarden Euro auf den Tisch gelegt.
Auch Beiersdorf will in diesem Jahr weitere Marktanteile in der Körperpflege gewinnen. Zwar rechnet der Konzern weltweit mit einem leichten Umsatzminus, glaubt aber in seinem Consumerbereich zulegen zu können. Die Umsatzrendite soll nach elf Prozent im Halbjahr bis zum Jahresende nicht unter zehn Prozent sinken. Nach der Stagnation beim Umsatz 2009 soll die gesamte europäische Körperpflegebranche schon 2010 wieder mit knapp vier und 2011 mit mehr als fünf Prozent wachsen, erwarten britische Analysten.
Von einer Krise hat auch George Khoury, Chef der Hamburger Estetica Clinic, noch nichts bemerkt. "Wir haben in diesem Jahr ein Plus von 15 bis 20 Prozent bei den Patienten", sagt der Professor, der einen Lehrstuhl an der Haybusak-Universität in Eriwan innehat. Der plastische Chirurg, der ein Team von 18 Mitarbeitern leitet, kam in seiner Klinik zuletzt auf 500 bis 700 Operationen pro Jahr. Vor allem gewünscht: Nasenkorrekturen und der Aufbau von Brüsten. Auch Joachim von Finckenstein, der Präsident der deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC), ist sicher: "Wir haben hier einen Wachstumsmarkt."
Auf eine Million schätzt die DGÄPC die Zahl der Eingriffe pro Jahr. Das reicht von 180 000mal Unterspritzen von Falten bis hin zu 5000 bis 6000 Gesichtsoperationen. "Gerade bei den 20- bis 30-Jährigen wächst die Akzeptanz. Die Älteren ziehen nach, weil sie sehen, dass auch Jüngere der plastischen Chirurgie aufgeschlossener gegenüberstehen", sagt von Finckenstein. Dazu komme: Operationen könnten immer sanfter ausgeführt werden. Kleinere Eingriffe seien mit "einem Aufenthalt beim Zahnarzt" vergleichbar, nach dem die Praxis wieder verlassen werden könne.
Allerdings wollen sich 80 Prozent der Deutschen dennoch nicht für eine Schönheitsoperation unters Messer legen, wie eine Umfrage der GfK für die "Apotheken Umschau" ergab. An die, die sich dafür entscheiden, appelliert der Präsident der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland, Heinz G. Bull, das Fachgebiet des jeweiligen Arztes zu prüfen. "Fachfremde Ärzte können ästhetische Eingriffe nicht in Wochenendkursen lernen", sagt Bull. Dennoch würden noch oft Operationen an Körperteilen durchgeführt, die nicht zum Fachgebiet des Arztes gehörten. "Weil die deutlich unter 2000 plastischen Chirurgen die Nachfrage kaum befriedigen könnten, haben auch andere Ärzte Interesse daran", erklärt DGÄPC-Präsident von Finckenstein. Folge des größeren Angebots seien derzeit eher stagnierende Preise bei Brustoperationen. An schwierigere Operationen wie Gesichtsstraffungen trauten sich fachfremde Ärzte aber "kaum heran."
Insgesamt dürften die Deutschen jährlich Milliarden in die Schönheit investieren, für die Nachhilfe mit Skalpell und Spritze nötig ist. Denn kaum ein Eingriff ist unter 1000 Euro zu haben (siehe Tabelle). Doch immer mehr Menschen wollen ungleiche Körper-Proportionen beheben oder ihren Gesichtsausdruck sympathischer machen. "Die Gesellschaft bestraft Menschen, die nicht hübsch genug wirken", sagt Estetica-Chef Khoury. Wer dies verändern könne, erhalte für sein Geld ein nachhaltiges Ergebnis, so von Finckenstein: "Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt."