Die Wut einiger Arbeiter eskaliert: Weil ein Gericht ihre Klage gegen die Werksschließung abwies, rastete eine Gruppe von Continental-Beschäftigten aus, verwüstete Büros und ein Wachhäuschen. Unterdessen haben Arbeiter in Südfrankreich ihren gefangen gehaltenen Boss wieder freigelassen.
Compiègne/Toulouse. In der Präfektur im nordfranzösischen Compiègne warfen die Randalierer Möbel und Computer um, zerrten Akten aus Schränken. Danach zogen einige Beschäftigte zur dem nahegelegenen Continental-Werk von Clairoix, warfen die Scheiben eines Wachhäuschens am Eingang ein und zündeten einen Haufen Reifen an.
Nach Behördenangaben gab es keine Verletzten. Die Zerstörungen seien "nicht akzeptabel" und würden juristisch verfolgt, sagte Premierminister François Fillon am Mittwoch im Radiosender France Inter. Er machte "eine sehr kleine Minderheit" für den Übergriff verantwortlich. Diese erschwere es, eine Lösung für die Fabrik zu finden.
Ein Gericht im ostfranzösischen Sarreguemines hatte am Dienstagnachmittag die Klage der Continental-Mitarbeiter gegen die Werksschließung zurückgewiesen.
"Wir sind wie Löwen, zu allem bereit"
Nach der Gerichtsentscheidung seien die Beschäftigten nicht mehr zu halten gewesen, sagte Xavier Mathieu, Vertreter der Gewerkschaft CGT bei Continental. "Seit fünf Wochen halten wir diese Leute zurück. Schon am ersten Tag wollten sie alles in die Luft sprengen, die Fabrik anzünden." Jetzt sei die Zeit gemäßigter Aktionen vorbei. "Wir sind jetzt keine Schafe mehr, sondern Löwen, die zu allem bereit sind."
Continental hatte am 11. März bekanntgegeben, seine Reifenwerke in Hannover und im nordfranzösischen Clairoix zu schließen. Am Donnerstag wollen mehr als tausend französische Continental-Beschäftigte zur Hauptversammlung des Unternehmens in Hannover anreisen, um gegen die Schließung zu protestieren.
Klage wegen Freiheitsberaubung
Unterdessen haben Arbeiter des US-Autozulieferers Molex in Südfrankreich am Dienstag zwei Topmanager wieder freigelassen, die sie aus Protest gegen Werksschließungen als Geiseln genommen hatten.
Der Durchbruch kam, nachdem der Gewerkschaftsführer Denis Parise vor ein Gericht vorgeladen wurde. Das Unternehmen, eine Tochter der US-Firma Molex Automotives, hatte Klage wegen Freiheitsberaubung eingereicht. Nach seinem Erscheinen vor Gericht verkündete Parise am Dienstag das Ende der Geiselnahme.
Der Vizechef und der Personalchef des Unternehmen waren seit Montagnachmittag am Standort Villemur-sur-Tarn nördlich von Toulouse von rund 50 Mitarbeitern festgehalten worden. Die Manager hatten Verhandlungen abgelehnt. Vizechef Marcus Kerriou erklärte nach seiner Freilassung, er sei erleichtert, aber erschöpft. Die Arbeiter buhten die Manager beim Verlassen des Fabrikgeländes aus.
"Bossnapping" trägt Früchte
Die Elektronikfirma hatte im Oktober bekanntgegeben, dass das Werk mit 300 Mitarbeitern Ende Juni geschlossen werden soll. Die Jobs sollen in die USA und nach China ausgelagert werden.
"Bossnapping", wie die Geiselnahme von Managern in Frankreich genannt wird, steht inzwischen auf der Tagesordnung. Seit März wurden aus Wut über Werksschließungen bereits Manager von sechs Unternehmen vorübergehend festgehalten.
Erst am Montag hatte sich die Firma Caterpillar bereiterklärt, nach gewaltsamen Protesten weniger Stellen als geplant zu streichen. Arbeitgebervertreter fürchten, dadurch könnten die Mitarbeiter anderer Firmen zu drastischen Maßnahmen ermutigt werden.