Die Stimmung bei deutschen Unternehmen ist so schlecht wie zuletzt vor 16 Jahren. Die Arbeitslosigkeit wird 2009 wieder steigen.

Hamburg. Die Aussichten verdüstern sich. Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist laut Ifo-Institut so schlecht wie seit 15 Jahren nicht mehr. Der Geschäftsklimaindex fiel im November auf 85,8 Punkte. "Die Realwirtschaft steckt jetzt in der Rezession", sagt Ifo-Experte Klaus Abberger. Ein Drittel der Betriebe plant für 2009 Entlassungen, wie eine Befragung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) ergab. Die Forscher erwarten, dass die Zahl der Arbeitslosen um 190 000 auf 3,5 Millionen ansteigen wird. Die Bundesregierung hat bereits ein Konjunkturprogramm von zwölf Milliarden Euro angeschoben. Jetzt erwägt sie nach Angaben des "Handelsblatt" die Ausgabe von Konsumgutscheinen von etwa 500 Euro für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Die Europäische Union möchte morgen ein europaweites Konjunkturpaket schnüren, das rund 130 Milliarden Euro schwer sein soll. Das Abendblatt hat renommierte Wirtschaftsforscher befragt, welche Maßnahmen sie für sinnvoll erachten.

Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) Der Direktor des HWWI, Thomas Straubhaar, empfiehlt "massive Steuersenkungen und Abgabenentlastungen" gegen die Krise:

Jeder Steuerzahler sollte dieses Jahr noch zwei Gutscheine je 100 Euro Rückerstattung erhalten.

Der Solidaritätszuschlag soll abgeschafft werden.

Die Mehrwertsteuer muss um ein bis zwei Punkte sinken.

"Wenn die Steuern drastisch gesenkt werden, wären weitere Konjunkturprogramme überflüssig", meint Straubhaar. "Durch eine generelle Steuerentlastungen kann jeder Haushalt selbst entscheiden, wofür er sein Geld ausgeben möchte."

Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Die Ankurbelung des Konsums nennt der IW-Direktor, Michael Hüther, als wichtigste Aufgabe: "Die Inlandsnachfrage muss durch die Erhöhung der verfügbaren Einkommen ab Januar gestärkt werden." Dazu schlägt der Chef des arbeitgebernahen Instituts eine Entlastung von insgesamt 25 Milliarden Euro vor - und zwar:

Der Solidaritätszuschlag müsse abgeschafft werden. Damit hätten die Bürgern insgesamt 12,5 Milliarden Euro mehr zum Ausgeben in den Taschen.

Der Einkommenssteuertarif müsse abgeflacht werden, sodass vor allem die unteren Einkommensklassen wieder mehr Netto vom Brutto erhalten. Hüther: "Der Grenzsteuersatz sollte von jetzt 24 auf 21 Prozent gesenkt werden und deutlich flacher auf 42 Prozent ansteigen als bisher. Diese Maßnahme kostet weitere 12,5 Milliarden Euro.

Rheinisch-Westfälisches Institut (RWI) Der Konjunkturchef des RWI, Roland Döhrn, äußert sich skeptisch über das angeschobene Konjunkturprogramm der Bundesregierung. "Es wurden vor allem neue Subventionstatbestände geschaffen." Döhrn empfiehlt zwei Schritte gegen die Krise:

Die Kommunen sollten mehr Geld - drei bis vier Milliarden Euro - für Investitionen erhalten.

Die Steuerlast müsse durch leistungsfreundlichere Steuersätze in den geringeren Einkommensstufen gesenkt werden.

Institut für Weltwirtschaft (IfW) Das Kieler Institut lehnt milliardenschwere Konjunkturprogramme ab. Wenig hilfreich seien auch Steuerschecks, wie ein Blick in die USA zeige, so der Konjunkturchef Joachim Scheide: "Das hat praktisch keine Effekte gehabt." Das Hauptproblem zur Lösung der Krise bleibe der stockende Kreditfluss der Banken. "Hohe Zinsen und Risikoaufschläge schränken die Investitionen derzeit stark ein." Die Kieler Forscher empfehlen, die Konjunktur über die Geldpolitik zu steuern. "Die Europäische Zentralbank sollte ihre Zinsen bis zum Jahresende deutlich senken", meint der IfW-Ökonom Carsten-Patrick Meier. Ein solcher Schritt könnte die Investitionen schnell stimulieren.

Institut für Wirtschafts- forschung Halle (IWH) "Die Europäische Zentralbank (EZB) sollte möglichst schnell die Leitzinsen weiter senken", sagt Professor Udo Ludwig, Konjunkturexperte des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Aktuell liegt der Zins, zu dem sich die Banken bei der Zentralbank Geld besorgen können, bei 3,25 Prozent. Ludwig sieht Spielraum bis 2,25 Prozent. Das Wort Konjunkturprogramm vermeidet er gern. Dennoch tritt er für Maßnahmen des Staates ein, "die die Wachstumskräfte stärken". "Das Geld des Staates soll in die Infrastruktur und den Bildungsbereich fließen. Was die Bundesregierung bisher dazu angestoßen hat, reicht aber nicht aus."

Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) 25 bis 30 Milliarden Euro sollten vom Staat bereitgestellt werden, um weitere Investitionen auszulösen, sagt Gustav A. Horn, Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Mit einem Teil des Geldes sollen Bildung, Infrastruktur und Energieeinsparung gefördert werden. "Mit einmaligen Barschecks zu Beginn des nächsten Jahres in Höhe von 125 Euro für jeden Bürger vom Kind bis zum Rentner kann die Binnenkonjunktur angekurbelt werden", sagt Horn. Auch die Bürger können etwas tun, sagt Horn: "Geld ausgeben, Anschaffungen vorziehen."

Ifo-Institut Das Ifo-Institut warnt vor übertriebenen Erwartungen an den Staat. "Die Politik kann den Abschwung nicht aufhalten", sagt Ifo-Experte Klaus Abberger. "Dafür sind die Auswirkungen viel zu gravierend." Sein Rat: "Erst mal abwarten, was die schon beschlossenen Maßnahmen bringen und wie sich die Lage am Arbeitsmarkt entwickelt. Abberger rät der Bundesregierung, Pläne für Frühjahr 2009 in der Schublade zu haben. "Wenn sich die Lage durch steigende Arbeitslosenzahlen verschlechtert, wären Steuersenkungen angeraten." Der Experte setzt auf die Abschaffung des Solidaritätszuschlages und die Abflachung des Einkommensteuertarifes. Höhere Erwartungen hat Abberger an die EZB. "Die Leitzinsen müssen in einem Schritt auf 2,50 Prozent gesenkt werden."