Die globale Finanzkrise hat zu dem Beginn einer Weltwirtschaftskrise geführt, die jeden von uns...

Die globale Finanzkrise hat zu dem Beginn einer Weltwirtschaftskrise geführt, die jeden von uns trifft.

Viele Menschen haben Angst - Angst um ihren Arbeitsplatz, um ihren Wohlstand, und noch schlimmer, um ihre Sozialhilfe oder um ihre Rente. Die wahren Schuldigen sind jedoch nicht in erster Linie geldgierige Spekulanten oder Investmentbanken, die aus Gewinnsucht jedes Maß verloren haben, sondern die Regierungen, die es seit Jahren verabsäumt haben, dem internationalen Finanzsystem umfassende strenge Regeln aufzuerlegen.

Diese Regeln müssen ausnahmslos für alle Länder gelten. Dies insbesondere auch für Steueroasen wie z. B. einige der Karibik-Inseln, in denen die Mehrheit aller Investmentfonds der Welt ihren juristischen Sitz haben - an Plätzen ohne jede Finanzaufsicht!

Trotz allem bin ich optimistisch. Ich glaube, jetzt findet ein Umdenken statt, das wir vor allem dem langjährigen Wirken von Peer Steinbrück und Bundeskanzlerin Merkel zu verdanken haben.

Die Hauptschuldigen sind die USA, die bereits vor der jetzt genehmigten Finanzspritze von Milliarden Dollar ein für jeden von uns unvorstellbar großes Finanzloch in Höhe von 9600 Milliarden Dollar in der Staatskasse "erwirtschaftet" hatten.

Bush hat schließlich ein Staatsguthaben von 500 Milliarden Dollar von seinem Vorgänger Bill Clinton übernommen!

Deutschland, ebenfalls ein Schuldnerland, hat ein ebenso notwendiges Rettungspaket von zumindest theoretisch ebenfalls mehreren Hundert Milliarden Euro angekündigt.

Andere Länder haben ähnlich gehandelt.

Die Konsequenz ist klar: Das nur gedruckte Geld wird eine rezessive Entwicklung verursachen und die Inflation verstärken.

Wir werden alle weniger "real netto" in der Tasche haben.

Zur deutschen Innenpolitik: Die Agenda 2010 soll und darf nicht verwässert werden.

Es wäre unverantwortlich, wenn die nächste Regierung nach den gewaltigen Belastungen noch weitere zusätzliche Schulden auf Kosten unserer Kinder machen würde, statt die Staatsschulden zu reduzieren.

Aber: Den Ärmsten der Armen, d. h. den Hartz-IV-Empfängern und den Rentnern mit kleinem Einkommen muss geholfen werden: Sie sollen und dürfen den Teil der Inflation nicht mittragen müssen, der durch die erforderliche zusätzliche Kreditaufnahme und durch die mangelnde Bankenaufsicht (KfW, IKB etc.) entstanden ist.

Die Agenda 2010 gehört aber weiterentwickelt.

Die Bevölkerung - auch ich - hat den Eindruck gewonnen, dass es bei der Agenda 2010 nur um das Sparen geht, getreu dem Motto: Wenn die Ärmsten der Armen nicht weniger bekommen, bekommt niemand etwas mehr.

Für die nächsten zwei Jahrzehnte fehlen mir bisher die großen politischen Ziele.

Im Jahre 2020 werden wir wahrscheinlich nicht mehr Exportweltmeister sein, sollten aber zumindest noch zur Spitzengruppe im Export gehören.

Dieses Ziel werden wir nur erreichen, wenn wir uns bewusst werden, dass Bildung der wichtigste Rohstoff des 21. Jahrhunderts ist.

Wir müssen alles, aber auch wirklich alles dafür tun, damit unsere Kinder und Enkel das beste Bildungssystem bekommen.

Dies bedeutet:

kostenloses Angebot von Krippen- und Kindertagesplätzen,

Einführung des Pflichtvorschuljahres,

Einführung von Ganztagsschulen (wie in vielen Industriestaaten mittlerweile Standard),

Klassenstärke an den Schulen darf je nach Altersstufe 20-25 Kinder keinesfalls überschreiten,

bessere Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie Lehrerinnen und Lehrern,

Verstärkung der Integrationsarbeit auf bundesweiter Ebene.

Dies zu verwirklichen kostet viel Geld.

Daher müssen die Vermögenden, zu denen auch ich gehöre, wieder in die Steuerpolitik mit eingebunden werden. Sonst heißt es zu Recht, dass Sparen immer nur die kleinen Leute betrifft und nur sie den Gürtel enger schnallen müssen.

Es geht nicht um die Erhöhung der Einkommenssteuer!

Es geht um die Erhöhung der Steuern auf das Vermögen von großen Privatvermögen (Erbschafts-, Schenkungs-, Vermögens- und Grundsteuer). Bei uns betragen sie bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt nur ein Viertel dessen, was die Franzosen oder die Engländer zahlen müssen.

Wenn eine Agenda 2020 mit langfristigen Zielen verbunden wird, wenn alle Teile unserer Bevölkerung - auch die Vermögenden - mit einbezogen werden, dann wird unsere neue Regierung im Jahre 2009 im besten Sinne des Wortes "Zukunft" gestalten.

Ein Gedanke noch zur Außenpolitik: Deutschland könnte die führende Friedensnation Europas werden. Es ist das bevölkerungsreichste und wirtschaftlich stärkste Land Europas. Aus zwei von uns begonnenen verbrecherischen Weltkriegen, aber auch aus über 60 Jahren friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens mit unseren europäischen Nachbarn erwächst für uns eine besondere Verantwortung.

Hierfür ein zentrales Beispiel: Wir können auch als Mittelmacht mithelfen, Frieden zu stiften, z. B. im Nahen Osten. Warum sollten wir nicht Gespräche mit der Hamas anregen? Sie ist schließlich die gewählte Regierung von Gaza.

Vielleicht - nur ganz vielleicht - könnten wir so einen wichtigen Stein ins Rollen bringen und damit eine Grundlage für einen Frieden zwischen den Israelis und Palästinensern schaffen, der so dringend nötig ist.

Eine deutsche Regierung, die unsere Zukunft langfristig und verantwortlich gestalten will, muss an diesen Zielen gemessen werden.


Der Hamburger Reeder Peter Krämer (57) ist Mitbegründer der Gesellschaft zur Förderung der Demokratie und des Völkerrechts e. V.