US-Regierung bewilligt erste Kredite. Europäische Zentralbank pumpt weitere Milliarden in den Markt. Kein deutsches Rettungspaket. Die Finanzkrise erzwingt einen historischen Wandel an der Wall Street: Die beiden letzten bedeutenden US-Investmentbanken Goldman Sachs und Morgan Stanley geben ihren 75 Jahre alten Sonderstatus auf und werden zu regulären Geschäftsbanken.

New York/Hamburg. Damit unterliegen sie künftig denselben Regeln und Transparenzanforderungen wie alle anderen Banken. Bisher waren sie davon befreit und durften weitgehend unkontrolliert hochriskante Geschäfte tätigen, weil sie keine direkten Kundenbeziehungen zu Privatpersonen hatten.

Mit der von Goldman Sachs und Morgan Stanley beantragten und nun von der US-Notenbank genehmigten Änderung des Geschäftsmodells endet eine Ära, die in den 30er-Jahren als Folge der Weltwirtschaftskrise begann: Die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, wobei die einen das klassische Kredit- und Einlagengeschäft betreiben und die anderen sich vor allem auf Wertpapiertransaktionen und Beratung konzentrieren. Während dieses Modell in den USA und in Großbritannien Tradition hatte, hielt man in Deutschland stets am System der Universalbank fest, die alle Leistungen unter einem Dach anbietet.

Noch Anfang dieses Jahres gab es in den USA fünf große Investmentbanken, von denen drei bereits als eigenständige Institute vom Markt verschwunden sind: Bear Stearns musste im März einem Notverkauf an den Finanzkonzern J.P. Morgan Chase zustimmen, Lehman Brothers meldete in der vergangenen Woche Insolvenz an und Merrill Lynch wurde von der Bank of America übernommen.

Ganz freiwillig geben die beiden verbliebenen Investmentbanken ihren Status, der ihnen in guten Zeiten immense Gewinne ermöglichte, nicht auf. Wie es in amerikanischen Finanzkreisen heißt, drängte sie US-Finanzminister Henry Paulson - ausgerechnet ein früherer Chef von Goldman Sachs - dazu, sich stärker der Aufsicht der Notenbank Fed zu unterwerfen. "Paulson wollte ein deutliches Signal für mehr und einheitliche Regulierung setzen", erklärte ein Insider. Als "Gegenleistung" erhalten die beiden Institute nun Zugang zu finanzieller Hilfe der Fed, die bereits erste Kredite bewilligte.

Das neue Geschäftsmodell sichere Goldman Sachs ständigen Zugang zu Liquidität, sagte Firmenchef Lloyd Blankfein. Und bei Morgan Stanley steigt nun die japanische Großbank Mitsubishi UFJ Financial Group (MUFG) mit einer Beteiligung von bis zu 20 Prozent für bis zu 900 Milliarden Yen (5,8 Milliarden Euro) ein. Die MUFG ist gemessen an den Einlagen die größte Bank der Welt. Auch über eine Fusion von Morgan Stanley mit der US-Großbank Wachovia war bereits spekuliert worden.

Nachdem US-Präsident George W. Bush und Paulson am Freitag ein 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket für die amerikanische Finanzbranche angekündigt hatten, lehnt die Bundesregierung ähnliche Hilfsmaßnahmen für Deutschland ab. "Für uns gibt es in den Verantwortlichkeiten und in den Auswirkungen Unterschiede", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm gestern. Aus Sicht der Bundesregierung sei daher eine solche Maßnahme für Deutschland nicht notwendig.

Offenbar stehen die USA auch im Kreis der G-7-Industriestaaten mit ihrer Position allein da. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück erklärte nach einer Schaltkonferenz mit den Finanzministern und Notenbankchefs der G-7, alle lehnten eine Beteiligung an dem US-Programm ab. Auch plane niemand ein vergleichbares Paket. Einhellig würden aber die Bemühungen der Amerikaner zur Eindämmung der Finanzkrise begrüßt.

Steinbrück sprach von einem "bemerkenswerten Programm". Ziel sei es, Kredite aufzukaufen, die nicht mehr bedient werden könnten. Das Paket könne sehr schnell umgesetzt werden. Die amerikanischen Steuerzahler würden aber durch das Rettungspaket zum Teil erheblich belastet, so Steinbrück. Gefragt werden müsse aber, was passieren würde, wenn eine Stützungsmaßnahme nicht greife: "Dann sind die Kosten höher."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erneuerte ihre Forderung nach stärkerer Regulierung sowie mehr Transparenz auf den Finanzmärkten. Sie betonte, Deutschland werde "sehr nachhaltig" darauf achten, dass erste Absprachen der Industrieländer vom Frühjahr nun auch eingehalten werden. Die aktuelle Krise zeige, dass man einiges national regeln könne, "aber das allermeiste muss international geregelt werden", sagte die CDU-Vorsitzende vor rund 1000 Unternehmern in Berlin.

Notenbanken haben den Geldmarkt auch am Montag mit Milliardensummen gestützt. Die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank von England und die Schweizerische Notenbank (SNB) pumpten zusammen mehr als 76 Milliarden Dollar in den Markt, um damit Spannungen zu lindern. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate und Russland griffen ein, um die Liquidität der Banken zu verbessern.

Filmberichte zur Finanzkrise