Grüne und Umweltschützer beklagen deutsch-französischen Kompromiss. Industrie begrüßt die EU-Vorgaben.

Hamburg. Den zwischen den beiden wichtigsten europäischen Autoländern Deutschland und Frankreich ausgehandelten Kompromiss über strengere Abgaswerte haben Umweltschützer als Verrat am Klimaschutz kritisiert. Es sei ein klimapolitischer Irrweg, wenn ausgerechnet die Hersteller von "Spritfressern" wie Mercedes, BMW, Porsche und VW bevorzugt werden sollten, monierte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Auch den Grünen und dem Verkehrsclub Deutschland sind die Vorgaben zu lasch.

Nach monatelangen Diskussionen Streit hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy jetzt ihren Streit bei dem Thema beigelegt. Demnach bleibt es zwar beim Ziel, den CO2-Ausstoß der Neuwagenflotte ab 2012 auf 120 Gramm pro Kilometer zu beschränken. Derzeit liegt er im Schnitt bei 160 Gramm. Verbindlich gelten sollten die Grenzwerte für die Hersteller aber erst 2015, drei Jahre später als geplant. Die Höhe der Strafen soll davon abhängen, wie stark das Limit überschritten wird. Erst bei einer deutlichen Abweichung sollen die Strafen in voller Höhe greifen. Auf Druck der deutschen Autobranche sollen zudem bei der Beurteilung eines Neuwagens Öko-Innovationen berücksichtigt werden, wie neuartige Reifen, stromsparende Klimaanlagen oder Solartechnik.

Die Autobauer begrüßten die Verständigung. Wesentliche Forderungen der Branche seien erfüllt worden, jetzt gebe es Planungssicherheit für die nächsten Jahre. "Die Einigung ist eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Vorschlag der EU-Kommission, auch wenn sie noch keine Ideallösung darstellt," sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann.

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer bezeichnete den Kompromiss dagegen als "lächerlich". Es handelt sich um eine "Verschiebung der Probleme von 2012 auf 2015", sagte Dudenhöffer dem Abendblatt. Die als "Durchbruch" verkaufte Einigung bestimme, dass die Hersteller die 120-Gramm-Grenze erst später erreichen müssten. Andererseits sei noch immer offen, ob schwerere Fahrzeuge nur laschere Vorgaben erfüllen müssten. Sei dem nicht so, wäre das "eine Katastrophe für die deutsche Autoindustrie", sagte Dudenhöffer mit Blick auf deutsche Luxusmarken wie BMW und Daimler.

Als Hersteller von PS-starken Autos hofft etwa Porsche noch auf eine Sonderregelung. "Die 120 Gramm Co2 pro Kilometer würden wir niemals schaffen", sagte Porsche-Sprecher Albrecht Bamler. Nach vorläufigen Überlegungen der EU würden auf Porsche Strafen von 400 Millionen Euro pro Jahr zukommen. "Das wäre existenzbedrohend", sagte Bamler. Porsche setzt sich daher bei der EU dafür ein, dass der Hersteller basierend auf den jetzigen Co2-Ausstößen der Porsche-Flotte nur eine Reduzierung von 25 Prozent erreichen muss und damit bereits die Vorgaben erfüllt.

Die Frage, ob Porsche die Klimaschutzziele zusammen mit dem VW-Konzern schafft, an dem der Sportwagenbauer derzeit gut 31 Prozent hält, ist für die Stuttgarter indes zweitrangig. "Wir wollen die Sache selber angehen und uns nicht hinter anderen verstecken", hatte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking kürzlich gesagt. Inwieweit derartige Sonderregelungen wie für Porsche zugelassen werden, müssen jetzt die EU-Umweltminister entscheiden.