Gespräch über Umweltschutz, Managergehälter, den Tibet-Konflikt und eigene Zukunftspläne.

Abendblatt:

Herr Otto, Sie zählten Anfang der 80er zu den ersten Unternehmern, die mit Umweltschutz im eigenen Konzern Ernst machten. Was hat sich seitdem in Deutschland verändert?

Michael Otto:

Als ich 1986 den Umweltschutz als weiteres Unternehmensziel bei Otto etabliert habe, war ich schon so etwas wie ein Exot. Viele andere Unternehmenschefs schüttelten mit dem Kopf und auch manche Mitarbeiter konnten mit meinen Plänen zunächst wenig anfangen.



Abendblatt:

Und heute?

Otto:

Heute werden die Themen Umweltschutz und soziale Verantwortung im Unternehmen gelebt. Aber auch außerhalb hat sich viel verändert. Die Kunden möchten mit einem guten Gewissen einkaufen und fordern entsprechende Produkte von den Konzernen ein. Konsum ohne Reue liegt im Trend, auch wenn die Kunden nicht unbedingt bereit sind, für ökologisch und sozial korrekte Produkte auch einen höheren Preis zu zahlen.



Abendblatt:

Sie sind vor Kurzem erst Großvater geworden. Was treibt Sie am stärksten um, wenn Sie an die Zukunft der nächsten Generationen denken?

Otto:

Das sind die zunehmende Kluft zwischen armen und reichen Ländern, die Überfischung der Weltmeere und der Klimawandel. Hier läuft uns die Zeit davon. Beim Kampf gegen die CO2 -Emissionen müssen wir aufs Tempo drücken. Es ist mir unbegreiflich, wie einige intelligente Leute in den Vorstandsetagen großer Unternehmen den Zusammenhang zwischen Treibhausgasen und Erderwärmung in Frage stellen können, obwohl über 3000 hochrangige Wissenschaftler aus aller Welt im UN-Weltklimarat diese Verbindung klar nachgewiesen haben.



Abendblatt:

Konkret zur CO2-Reduzierung: Sollte man das Kohlekraftwerk in Moorburg bauen?

Otto:

Grundsätzlich halte ich den Bau eines Kraftwerks in Hamburg schon für sinnvoll, zumal ein altes Kraftwerk dafür abgeschaltet wird. Die Möglichkeiten zur Einsparung oder der Einsatz regenerativer Energien wie Wind oder Biokraftstoff sind begrenzt oder brauchen Zeit. Ein Gaskraftwerk wäre aber sicherlich besser als ein Kohlekraftwerk, wenn sich dieses wirtschaftlich betreiben lässt. Wichtig ist vor allem, dass das Kraftwerk von der Umweltverträglichkeit her den neuesten Standards entspricht.



Abendblatt:

Sie sprachen eben von der wachsenden Kluft zwischen armen und reichen Ländern. Angesichts steigender Managergehälter und sinkender Reallöhne droht eine Spaltung aber auch in der deutschen Gesellschaft.

Otto:

Es gibt schon einzelne Auswüchse bei Managergehältern, die nicht gut sind. Dies gilt besonders dann, wenn ein Manager eine Fehlleistung gezeigt hat, entlassen wird und dann noch eine hohe Abfindung bekommt. Das ist nicht akzeptabel. Da müssen wir aufpassen, dass so etwas nicht den Zusammenhalt der Gesellschaft beeinträchtigt.



Abendblatt:

Vor allem geht die Schere zwischen Spitzenverdienern und kleinen Angestellten immer weiter auseinander.

Otto:

Hier muss man sehen, dass die große Mehrheit der Topführungskräfte und Unternehmer eine durchaus vernünftige Gehaltsrelation hat. Es wird häufig gesagt, dass der wirtschaftliche Aufschwung unten nicht ankommt. Das kann ich so nicht unterschreiben. Seit eineinhalb Jahren erleben wir einen deutlichen Abbau der Arbeitslosigkeit und das ist letzten Endes doch das Entscheidende: dass man Arbeit hat und wieder ins Erwerbsleben hineinkommt.



Abendblatt:

Trotz des Aufschwungs, der aus ihrer Sicht bei vielen ankommt, scheint sich nicht nur der finanzielle Graben zwischen Managern und Angestellten zu vergrößern. Zuletzt wurden Mitarbeiter bei Lidl sogar bespitzelt. Wie wichtig ist aus Ihrer Sicht Vertrauen für den Erfolg eines Unternehmens?

Otto:

Vertrauen zwischen Führungskräften und Mitarbeitern ist ein ganz wertvolles Gut und Voraussetzung für den Erfolg eines Unternehmens. Ich selbst habe nur selten persönliche Enttäuschungen erlebt und die wiegen nicht so schwer, dass ich das Grundvertrauen zu meinen Mitarbeitern infrage stellen würde.



Abendblatt:

Wäre eine Videoüberwachung bei Otto denkbar?

Otto:

Es hat mich schon geschockt, von einer flächendeckenden Überwachung des Personals zu hören. In der Otto-Gruppe setzen wir Videoüberwachung nur in unseren Ladengeschäften zur Diebstahlsüberwachung ein. Darüber hinaus käme eine Überwachung nur bei einem ganz konkreten Verdacht auf eine strafbare Handlung gegenüber einem Mitarbeiter zum Einsatz und auch dann nur mit Genehmigung des Betriebsrats.



Abendblatt:

Ein ganz anderes Thema, das die Welt bewegt, sind die Menschenrechtsverletzungen in Tibet. Sind Sie für einen Boykott der Olympischen Spiele?

Otto:

Es ist schlimm, was im Augenblick in Tibet passiert. Von einem Boykott halte ich aber nichts, weil man damit nur die Sportler treffen würde, die sich seit Jahren auf die Olympischen Spiele vorbereiten. Man sollte lieber die Athleten ermutigen, dass sie in China Menschenrechtsverletzungen offen ansprechen.



Abendblatt:

Müssten nicht auch die Unternehmen, die wie der Otto-Konzern mit China Handel treiben, etwas unternehmen?

Otto:

Auch hier sehe ich in einem Boykott gegenüber China keine Lösung. Im Gegenteil: Durch den wachsenden Handel ist es vielmehr zu einer Öffnung Chinas und auch zu mehr Aktivitäten etwa im Umweltschutz oder bei sozialen Standards gekommen.



Abendblatt:

Was tut der Otto-Konzern konkret?

Otto:

Wir tragen unsere sozialen und ökologischen Standards in jene Länder hinein, in denen wir einkaufen. Die Einhaltung unserer Vorgaben lassen wir regelmäßig und unabhängig überprüfen - etwa auch mit unbeeinflussten Befragungen von Mitarbeitern unserer Lieferanten.



Abendblatt:

Das hilft Tibet jetzt aber wenig.

Otto:

Die Wirtschaft allein wäre überfordert. Die Politik ist gefragt und auch die Medien, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten. Ein Wundermittel gibt es hier sicher aber nicht.



Abendblatt:

Sie haben vor einigen Monaten den Vorstandsvorsitz im Konzern abgegeben und sind an die Spitze des Aufsichtsrats gewechselt. Wie sieht Ihr Arbeitsalltag jetzt aus?

Otto:

Ich komme nach wie vor fast täglich ins Unternehmen, allerdings etwas später als früher, also so gegen 9.30 Uhr und gehe auch etwas eher. Mir bleibt jetzt mehr Zeit, mich um strategische Fragestellungen, um meine Aufsichtsmandate, Ehrenämter und meine Stiftungen wie Cotton made in Africa zu kümmern, bei der wir Baumwollbauern in Afrika unterstützen.



Abendblatt:

Wie sehr juckt es Sie in den Fingern, wieder direkt ins Tagesgeschäft einzugreifen?

Otto:

Ich sehe den Wechsel mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Wenn es um große Projekte geht, die Erschließung neuer Märkte wie Russland etwa, dann wäre ich gern noch direkt dabei. Andererseits bin ich jetzt auch viel Routinearbeit los.



Abendblatt:

Reizen Sie neue Aufgaben?

Otto:

Es gab und gibt zahlreiche Angebote, die ich aber alle erst mal zurückgestellt habe. In der zweiten Hälfte dieses Jahres könnte ich mich für etwas Neues entscheiden.



Abendblatt:

Ein politisches Amt?

Otto:

Lassen Sie sich überraschen. Für die Politik bin ich aber, fürchte ich, schon verdorben. Wer sein Leben lang unabhängig als Unternehmer gehandelt hat, mit schnellen Entscheidungen und Umsetzungen, fügt sich nur schwer in langwierige politische Entscheidungsprozesse ein.



Abendblatt:

Was machen Sie, wenn Sie nicht im Konzern oder in einer Ihrer Stiftungen sitzen?

Otto:

Ich genieße die Zeit mit meiner Familie, reise gerne, treibe Sport, gehe gerne ins Theater oder Konzert.



Abendblatt:

Auch mal ins Fußballstadion?

Otto:

Eher selten, wenn dann zum HSV.



Abendblatt:

Haben Sie früher selbst Fußball gespielt?

Otto:

Ja, als Verteidiger bei Victoria, das war aber noch in der Schulzeit.



Abendblatt:

Sie werden an diesem Sonnabend 65 Jahre alt. Wie sehr unterscheiden sich Ihre Lebensverhältnisse heute von denen in den Anfangsjahren?

Otto:

Das ist schon ein dramatischer Unterschied. Ich bin ja mit meinen Eltern als Flüchtling aus Westpreußen nach Hamburg gekommen. In der Nachkriegszeit gab es schon den einen oder anderen Abend, an dem wir als Kinder hungrig ins Bett gegangen sind. Dennoch gab es nach dem Krieg eine faszinierende Aufbruchstimmung, jeder hat jede Arbeit angenommen.



Abendblatt:

Man denkt immer, Sie wären schon mit dem goldenen Löffel im Mund geboren.

Otto:

Keineswegs. Noch vor Gründung des Versandhandels, als mein Vater mit einer kleinen Schuhfabrik anfing, hab ich als Fünfjähriger Lederreste eingesammelt, um sie dann beim nächsten Schuster zu verkaufen und so ein kleines Taschengeld zu verdienen.



Abendblatt:

Wie feiern Sie jetzt Ihren Geburtstag?

Otto:

Das wird eine ganz kleine Feier, im engsten Familienkreis, fern von Hamburg.