Hamburgs zweitgrößter Containerterminalbetreiber im Hafen will 200 neue Jobs schaffen, sagte Eurogate-Chef Emanuel Schiffer im Abendblatt-Gespräch.
Abendblatt:
Seit Jahren steigt der Umschlag in den Seehäfen. Hält der Boom an?
Emanuel Schiffer:
Davon muss man ausgehen. Die Globalisierung lässt sich nicht zurückdrehen und die Fertigung sucht sich immer neue Wege - die sind dann mit zusätzlichem Transport verbunden.
Abendblatt:
Die Risiken?
Schiffer:
Wenn das Barrel Öl plötzlich 200 statt deutlich unter 100 Dollar kostet, China seine Währung aufwertet oder ein neuer Krieg im Mittleren Osten beginnt, ist natürlich ein Einbruch möglich. Doch bei Wachstumsraten von sieben Prozent in Russland oder 25 bis 30 Prozent in Vietnam, die ein mehrfaches Plus im Transport auslösen, sind weltweit zweistellige Zuwachsraten im Umschlag programmiert.
Abendblatt:
Ist Hamburg dafür gerüstet?
Schiffer:
Zunächst einmal: Ich habe keine Angst um den Hamburger Hafen. Er hat eine hohe Anziehungskraft, sodass er immer ausgelastet sein wird.
Abendblatt:
Aber?
Schiffer:
Wir bedauern, dass die Elbvertiefung erst 2010/11 kommen wird. Denn in den Auftragsbüchern der Werften sind bereits 181 Schiffe mit Platz für mehr als 10 000 Standardcontainer (TEU) verzeichnet, die maximale Tiefgänge ab 14,50 Meter haben. Die Auslieferung dieser Schiffe erfolgt zwischen 2008 und 2012. Solche Riesen können Hamburg nur unter großen Einschränkungen anlaufen.
Abendblatt:
Was tut Eurogate, um der Container Herr zu werden?
Schiffer:
Wir investieren allein 2008 rund 450 Millionen Euro für Bremerhaven, Hamburg und Wilhelmshaven. Das ist eine Rekordsumme, nur um Kapazitätsengpässe zu beseitigen. Wir reißen Schuppen und Betriebsgebäude ab, um Platz für die Kisten zu schaffen. Statt drei gibt es jetzt fünf Containerbrücken pro Liegeplatz, die 130 statt vorher 70 Container pro Stunde verladen. Aber die Infrastruktur verändert sich viel langsamer als wir agieren.
Abendblatt:
Aber die Erweiterung des Hamburger Eurogate-Terminals nach Westen ist ja nun durchgeplant.
Schiffer:
40 Hektar neue Flächen und eine Kaimauer von 1000 Meter Länge: Das ist eine neue Kapazität, die in jedem Fall ausgelastet wird. Und zu den 250 neuen Arbeitsplätzen steht Eurogate. Aber auch hier sind wir spät dran. Die ersten Teilflächen werden 2014 bebaubar sein, das erste volle Betriebsjahr wird es dort nicht vor 2016 geben. Das sollte mal 2010 sein.
Abendblatt:
Was tut sich außerhalb der Erweiterung bei den Arbeitsplätzen?
Schiffer:
Wir stellen jetzt schon ein. Für 2008 sind für Hamburg etwa 200 neue Stellen vorgesehen. Wir haben fünf neue Brücken bekommen, die mit ihren 62 Meter langen Auslegern über die größten Containerfrachter der Welt hinwegreichen und im Januar noch drei weitere nachbestellt.
Abendblatt:
Sie haben seit 2001 allein in Hamburg etwa 900 Langzeitarbeitslose eingestellt. Warum wird gerade auf diese Menschen zurückgegriffen?
Schiffer:
Wir haben mit ihnen gute Erfahrungen gemacht. Die Vorauswahl trifft die Bundesagentur für Arbeit. Nach einer erfolgreichen Ausbildung stellen wir die Bewerber zu den bei uns üblichen Bedingungen ein. Mit den ehemaligen Langzeitarbeitslosen setzen wir uns zudem nicht mehr der Kritik von Handwerksfirmen aus, deren Gesellen oftmals rasch zu uns gewechselt sind.
Abendblatt:
Zurück zu den Ausbauprojekten. Wie geht es beim Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven weiter?
Schiffer:
Wir rechnen damit, dass die Bauherren Niedersachsen und Bremen bis Anfang April die Investitionssicherung erreichen. Das heißt: An dem Bauprojekt wird sich nicht mehr viel ändern. Danach gibt es einen Terminplan über 42 Monate. Dann wären wir im Oktober 2011, vor dem Jahr 2012 würde nicht mehr viel passieren. Wir als künftiger Betreiber haben aber heute schon Kunden, deren Schiffe Wilhelmshaven gern 2010 anlaufen würden.
Abendblatt:
Was lässt sich da machen?
Schiffer:
Zum Glück haben wir noch die Terminals in Hamburg und Bremerhaven. An der Weser werden wir im September mit dem Terminal CT4 weitere 1700 Meter Kaimauer erhalten. Vorschreiben können wir den Reedern aber nichts.
Abendblatt:
Wie wird sich der Verkehr aufteilen?
Schiffer:
Der Zuwachs an Containern wird so groß sein, dass keine Überkapazitäten entstehen. In Wilhelmshaven wird der Umschlag von 2012 bis 2018 auf drei Millionen TEU steigen. 2012 werden aber Hamburg und Bremerhaven gemeinsam schon bei 18 Millionen TEU liegen. Es werden weiter große Schiffe nach Hamburg fahren, weil dort sehr viel Ladung ist. Bremerhaven hat den Vorteil der kürzeren Revierfahrt, sodass das Auslaufen bei größeren Tiefgängen einfacher ist. Die größten Schiffe aber werden in Wilhelmshaven anlegen. Das ist nur logisch.
Abendblatt:
Eurogate hat neben Wilhelmshaven das Projekt Ust Luga, 100 Kilometer westlich von St. Petersburg. Wann werden dort erstmals Container verladen?
Schiffer:
Wir sind dort mit 20 Prozent eingestiegen und haben dafür der National Container Company (NCC) eine Option auf 18,2 Prozent in Wilhelmshaven eingeräumt. Anfang 2009 werden dort die ersten 440 Meter Kaimauer von geplanten 1700 Meter fertig sein. Der Hafen wird St. Petersburg entlasten, das kaum mehr das hohe Wachstum in Russland bewältigen kann. In Ust Luga können sich Schiffe begegnen, das Wasser ist tief genug und es gibt genug Flächen für Container. Wir halten das für ein Topinvestment und haben jetzt einen Eurogate-Vertreter für die Region St. Petersburg eingestellt.
Abendblatt:
Sind weitere Terminalbeteiligungen ihres Unternehmens in anderen Ländern absehbar?
Schiffer:
Für Tanger in Marokko sind schon Containerbrücken auf dem Weg. Dort halten wir 20 Prozent und unsere Schwestergesellschaft Contship weitere 20 Prozent. Der Umschlag soll Ende 2008 beginnen. Es gibt auch Ideen, in Indonesien, Mexiko und Malaysia etwas aufzubauen. Bei den großen Hafenverkäufen können wir nicht mithalten. Wenn aber die Aufbauarbeit als Preis für eine spätere Terminalbeteiligung akzeptiert wird, sind wir interessiert.
Abendblatt:
Wie wird das Jahr 2008 für die deutschen Häfen aus Ihrer Sicht verlaufen?
Schiffer:
Bleibt die US-Krise auf das Land beschränkt, gibt es allenfalls einen kleinen Dämpfer. Von Ende Dezember bis Mitte des Jahres werden wir allein in Hamburg drei neue Dienste abfertigen. Hamburg wird so in jedem Fall zulegen - Bremerhaven aber auch.
Interview: Rolf Zamponi