Der MyVideo-Macher sieht kein Ende des Wachstums. Dass sich um Web 2.0-Firmen wie YouTube oder StudiVZ eine Blase bildet, glaubt er nicht.

ABENDBLATT: Herr Vollmann, Sie betreuen seit 2006 die Videoplattform MyVideo.de in Sachen Onlinemarketing und haben mitgeholfen, sie in kürzester Zeit zu den meistgenutzten Internetseiten in Deutschland zu machen. Was war Ihr Geheimrezept?

CHRISTIAN VOLLMANN: Ein Geheimrezept gibt es nicht. Und wenn, dann würde ich es nicht verraten, weil es sonst wertlos wäre. Man muss hart arbeiten und der Konkurrenz immer ein Stück voraus sein, das ist die Grundlage für den Erfolg.

ABENDBLATT: YouTube, StudiVZ und andere Web 2.0-Seiten sind von null auf hundert geschossen und wurden dann für viel Geld von großen Firmen gekauft. Auch bei MyVideo.de ist nur ein halbes Jahr nach dem Start im März 2006 ProSiebenSat.1 eingestiegen. Etwas Besonderes müssen Sie doch gemacht haben, um dorthin zu kommen.

VOLLMANN: Man muss alle Kanäle des Internetmarketings nutzen: Werbebanner schalten, Suchmaschinen-Optimierung betreiben und Vertriebspartner finden. Dabei kann man viel falsch machen. Und ganz ohne Geld geht es auch nicht, zumal die Konkurrenz immer härter wird.

ABENDBLATT: Wie viel Glück braucht man, um in der Masse von Millionen Webseiten hervorzustechen?

VOLLMANN: Klar gibt es immer wieder Online-Phänomene, die entstehen, indem sich Internetnutzer kettenartig darauf aufmerksam machen. Man kann das vergleichen mit dem Flügelschlag eines Schmetterlings, der einen Tornado auslöst. Aber das ist doch eher selten - und vor allem kaum planbar.

ABENDBLATT: Derzeit gehen fast täglich neue Communities online - für Mütter, Familien, Schüler oder Sportler. Sind wir schon in einer Hype-Phase?

VOLLMANN: Von einem Hype würde ich noch nicht sprechen. Denn anders als im Jahr 2000 ist heute die DSL-Verbreitung sehr hoch und damit die Internetnutzung auf einem ganz anderen Niveau. Zudem fließt immer mehr Werbegeld in die Onlinewelt. Ich denke, wir befinden uns derzeit in einem typischen Technologiezyklus: Nach der Anfangsphase entsteht ein Hype, es folgt Enttäuschung und dann erst die eigentliche substanzielle Wachstumsphase, in der wir gerade sind. Eine Sättigung des Marktes sehe ich nicht.

ABENDBLATT: Aber die Bewertungen von Internetfirmen sind schon recht hoch und erscheinen zuweilen übertrieben.

VOLLMANN: Das liegt daran, dass wieder viel Wagniskapital im Markt ist und die Nachfrage nach Online-Aktivitäten etwa durch Verlage wächst. Um erfolgreiche Projekte entsteht dann ein Bieterwettbewerb. Ich denke aber nicht, dass die Preise weiter deutlich steigen werden.

ABENDBLATT: Nachdem Sie Anteile an StudiVZ abgegeben haben, sind Sie selbst in die Start-up-Finanzierung eingestiegen. Was soll in Ihrem Leben noch kommen, wenn Sie schon als 29-Jähriger ein Business Angel sind, also jungen Firmen auf die Beine helfen?

VOLLMANN: Es ist nicht so, dass ich nicht mehr arbeiten müsste. Außerdem macht es mir großen Spaß, jungen Gründern, die in derselben Situation sind wie ich vor vier, fünf Jahren, mit meinem Wissen zu unterstützen. Ich bin nicht der Mann mit dem großen Geldtopf, falls Sie das denken.

ABENDBLATT: An welchen Projekten sind Sie beteiligt?

VOLLMANN: Unter anderem an der Medientauschbörse Hitflip.de und der Microblogging-Website Frazr.de, wo man beschreiben kann, was man gerade macht.

ABENDBLATT: Wie viele Anfragen bekommen Sie auf den Tisch?

VOLLMANN: Pro Tag wird mir im Schnitt ein neues Projekt gezeigt. Es gibt aber nur wenige, an die ich glaube. Und dann muss mich auch noch das Team überzeugen. Wenn es das tut, investiere ich mit anderen Partnern und stelle dem Start-up mein Know-how, vor allem im Bereich Onlinemarketing, zur Verfügung.

ABENDBLATT: Was sind die kommenden Trends? Und was bringt das ominöse Web 3.0?

VOLLMANN: Mit dem Begriff Web 3.0 kann ich nicht viel anfangen. Er bedeutet eigentlich nur, dass sich das Mitmachnetz Web 2.0 weiterentwickelt. Die großen Innovationen sehe ich derzeit nicht. Sicher ist, dass Marktplätze im Internet weiter wachsen werden, weil sie online einfach besser funktionieren als in der Offline-Welt.

ABENDBLATT: Könnte es sein, dass es irgendwann wieder eine junge Generation gibt, die statt vor dem Bildschirm zu sitzen auf der Straße Fußball spielt oder ein Buch liest - zumindest häufiger als die Jugendlichen von heute?

VOLLMANN: Ich erwarte keinen Knick in der Onlinenutzung. Das Internet wird sich zu einem ganz normalen Medium entwickeln, so wie Radio, Fernsehen und Zeitung. Insgesamt wird der Kampf um Nutzer immer härter, denn die Aufmerksamkeit der Menschen sinkt.