In 44 Fällen soll der Manager gegen das Gesetz verstoßen haben. Gefängnis nicht ausgeschlossen.
Hamburg. Der ehemalige Personalvorstand von Volkswagen, Peter Hartz, hatte schon 1997 die Maxime ausgegeben: Der Betriebsratschef Klaus Volkert solle "großzügig und wertschätzend" behandelt werden, man solle dabei "nicht kleinlich" sein. Die Folge waren "Sonderbonuszahlungen" an Volkert in Höhe von fast zwei Millionen Euro, 400 000 Euro für seine brasilianische Geliebte Adriana Barros und als Dreingabe immer wieder Aufwendungen für Bordellbesuche, Lustreisen und Sexpartys.
Dieser offenbar nicht unmittelbar dem Unternehmenszweck dienende Griff in die VW-Kasse kommt Hartz jetzt teuer zu stehen. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hat Anklage gegen den Macher der Hartz-IV-Gesetze erhoben. Dem 65-Jährigen, der derzeit in seiner saarländischen Heimat als Unternehmensberater arbeitet, könnte schlimmstenfalls ein zehnjähriger Aufenthalt im Gefängnis bevorstehen. In 23 der 44 Untreue-Fälle wird Hartz zusätzlich die Begünstigung eines Betriebsrates vorgeworfen. Er ist der erste Angeklagte in der Affäre, gegen zwölf weitere Verdächtige wird noch ermittelt.
Hartz hat jetzt bis zum 23. November Zeit, sich zu erklären oder Einwendungen gegen die Eröffnung eines Prozesses vorzubringen, teilte das Landgericht Braunschweig mit. Mit einer Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens sei daher nicht vor Ende Dezember zu rechnen. Ein Prozess könnte frühestens im Frühjahr 2007 beginnen, bis dahin müssten noch die 17 Hauptbände nebst elf Beweismittelordner gesichtet werden.
Und die gehen bis in die Einzelheiten der pikanten Affäre. So habe Hartz nicht nur von 1994 bis 2005 die zwei Millionen Euro "Sonderbonuszahlungen" an Volkert gewährt. Er habe dazu auch ursprünglich vorgesehene Kontrollmechanismen abgeschafft, fanden die Staatsanwälte heraus.
Nach Informationen des Abendblatts soll Volkert sich bei dem damaligen VW-Chef Ferdinand Piëch darüber beschwert haben, dass die von dem damaligen Einkaufsmanager Lopez mitgebrachten Jungmanager mit einem bei VW bisher unüblich üppigen Gehalt ausgestattet waren. Piëch soll Volkert an Hartz verwiesen haben. Und der wiederum habe dann versucht, Volkert mit einer erhöhten Bonusleistung entgegenzukommen. Dies soll Volkert in seiner Vernehmung im Februar selbst zugegeben haben.
Auch Piëch soll nach Abendblatt-Informationen vor Gericht Ende März dazu ausgesagt haben. So habe er sich zwar nicht erinnern können, von Herrn Volkert persönlich darauf angesprochen worden zu sein. Er wollte es aber auch nicht ausschließen. Wenn es um das Verteilen von Geld gegangen sei, habe er sich in diesen unangenehmen Fällen dadurch aus der Schlinge gezogen, dass er es an jemand anderen delegiert habe, soll Piëch ausgesagt haben. Jedenfalls soll das Sondergehalt bei VW auch nicht offen gelegt worden sein, ermittelten die Staatsanwälte.
Ähnlich verworren gestaltete sich die Bezahlung von Volkerts Geliebter, der Brasilianerin Adriana Barros, die für das Geld allerdings nicht für VW arbeitete. Barros soll von 2000 bis 2004 insgesamt 400 000 Euro erhalten haben. Und ein mit ihr mündlich geschlossener "Agenturvertrag" sei nur vorgespielt gewesen, um die Geldflüsse "mit dem Schein der Legalität zu schmücken", sagt die Staatsanwaltschaft. Die Ermittler seien überzeugt, dass Hartz dies gewusst und gebilligt habe.
Nach den Ergebnissen der Untersuchungen hat Hartz seinen Mitarbeiter Klaus-Joachim Gebauer schon 1997 generell angewiesen, den Betriebsratsvorsitzenden Volkert persönlich und finanziell zuvorkommend zu behandeln. Der ebenfalls von VW geschasste Gebauer, der inzwischen wieder in sein Haus in Wolfsburg gezogen ist und versucht, mit Hilfe seiner Kontakte etwas Geld zu verdienen ("Kennen Sie vielleicht jemanden, der ein paar Tonnen Gold kaufen will?"), ist damit weiter entlastet. Schon der VW-Werksarzt soll im September vor Gericht gesagt haben, dass Gebauer von Hartz beauftragt worden sei, sich um Volkert zu kümmern, und dass dieser mit seiner Aufgabe nicht ganz glücklich gewesen sei, weil er eigentlich etwas Verantwortungsvolleres machen wollte - er hätte ja studiert.
Ob die fristlose Kündigung Gebauers unter diesen Umständen rechtens war, wird am 19. Dezember nun ein prominenter Zeuge mitentscheiden. Dann muss der jetzt ebenfalls geschasste VW-Chef Bernd Pischetsrieder beim Landesarbeitsgericht in Hannover persönlich erscheinen und über die Details der Abrechnung von Lustreisen aussagen.