Urteil: Starre Frist unwirksam. Schönheitsreparaturen muß man nicht zwangsläufig ausführen, so der Bundesgerichtshof. Formulierung im Mietvertrag entscheidend.
Hamburg/Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechte von Mietern bei der Übernahme von Renovierungspflichten erneut gestärkt. Nach einem gestern veröffentlichten Urteil muß der Mieter keine turnusmäßigen Schönheitsreparaturen vornehmen, wenn sein Mietvertrag starre Renovierungsfristen enthält (Az.: VIII ZR 178/05). Auch Zusätze, er müsse "spätestens" oder "mindestens" alle drei Jahre Küche, Bad, WC und die übrigen Räume alle fünf Jahre renovieren, sind demnach nicht zulässig. Damit bestätigten die Karlsruher Richter frühere Urteile in diesem Bereich.
"Wir gehen davon aus, daß mehrere hunderttausend Mietverträge von dieser Rechtsprechung betroffen sind", sagte Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund (DMB), dem Abendblatt. "Diese Mieter müssen jetzt nicht mehr tapezieren und streichen." Zudem entfallen in Verbindung mit starren Renovierungsregelungen laut Urteil auch - an sich zulässige - Klauseln, die den Mieter zur anteiligen Kostenübernahme verpflichten, wenn er vorzeitig auszieht.
"Die Mieter können sich jetzt freuen, oftmals mehrere tausend Euro Renovierungskosten zu sparen", so Ropertz. Es sei deshalb ratsam, neue Verträge, die der Rechtssprechung angepaßt wurden, in einem laufenden Mietverhältnis nicht zu unterschreiben.
In den vergangenen Jahren hatte der BGH bereits mehrfach Renovierungsklauseln für unwirksam erklärt. "Er ersetzt damit Stück für Stück die in diesem Bereich fehlenden Gesetze", sagte Ropertz. Allerdings sei auch das jüngste Urteil nur ein "Mosaikstein", der eine Lücke schließe, die das Gericht bislang offengelassen habe.
Der BGH begründete, die Renovierungsklauseln müßten immer Zusätze wie "in der Regel" enthalten, damit der Mieter die Schönheitsreparaturen dem tatsächlichen Bedarf anpassen könne. Ansonsten sei er unangemessen benachteiligt.
Michael Kopff vom Mieterverein zu Hamburg weist darauf hin, daß der "Hamburger Mietvertrag für Wohnheim" bereits die Formulierung "üblicherweise" bei Renovierungsfristen verwende. Diese sei auch nach dem BGH-Urteil gültig. Das bedeute, der Mieter sei zur Renovierung verpflichtet, müsse die Fristen aber nicht starr einhalten. "Entscheidend ist vielmehr die tatsächliche Abnutzung der Wohnung", sagt Kopff. Zudem gebe es im Hamburger Mietvertrag keine Quotenregelung über die Beteiligung an Renovierungskosten nach Auszug des Mieters. Anders sei dies vor allem in Süddeutschland.
Kopff geht davon aus, daß für die "überwiegende Mehrheit der Mieter" der Hamburger Mietvertrag gelte. Sie seien deshalb nicht vom BGH-Urteil betroffen. Dennoch gebe es daneben Hunderte individuelle Regelungen zwischen Vermieter und Mieter, auf die die Rechtsprechung Auswirkungen haben könnte. "Es lohnt sich deshalb vor Schönheitsreparaturen und vor dem Auszug, sich mit dem Mieterverein in Verbindung zu setzen und den Mietvertrag auf die derzeit geltende Rechtsprechung hin prüfen zu lassen", sagt Kopff. "Denn der Teufel steckt im Detail."
Unterdessen bewertete die Eigentümerschutzgemeinschaft Haus & Grund das aktuelle BGH-Urteil als nicht überraschend. "Es konkretisiert die bereits mehrfach festgestellte Unwirksamkeit von starren Fristenregeln", sagte Verbandspräsident Rüdiger Dorn.
Aktuelle Mietverträge von Haus & Grund seien nicht betroffen, da sie nach den vorherigen Urteilen bereits angepaßt worden seien, ergänzte Sprecher Stefan Diepenbrock gegenüber dem Abendblatt. "Allerdings ist die Situation bei Altmietverträgen für die Vermieter jetzt natürlich nicht erfreulich", sagte er. Sein Verband habe den Eindruck, daß die Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs zunehmend "mieterfreundlich" werde. "Früher hatte das Mietrecht eine soziale Schutzfunktion, weil Wohnraum knapp war." Dies sei bis auf wenige Ballungszentren wie etwa München, Frankfurt oder Hamburg heute nicht mehr so.