Laseroperation: Das Geschäft boomt - vor allem im preiswerten Ausland. 1000 statt hierzulande 4000 Euro werden fällig. Der Standard ist hoch, doch es gibt auch Risiken.

Istanbul/Hamburg. Kahle Wände, ein blankpolierter Boden, glänzende Metalloberflächen. An der Tür warnt ein orangefarbenes Schild vor Strahlung. Doktor Bulent Ayan und seine beiden Assistentinnen sind von Kopf bis Fuß vermummt und sehen aus wie Mitarbeiter des Chipherstellers Infineon. "Soll ich Ihre Hand halten?", fragt Arzthelferin Gülcin Ismailoglu. Die meisten nehmen sie gern.

Dann wird das Auge fixiert. Ein grünes Licht blinkt. Der Laser fährt einen Rüssel aus und saugt sich am Augapfel fest. Es wird dunkel. Mit einem Surren schneidet ein Präzisionsskalpell eine Hornhautlamelle ab. Sie wird zurückgeklappt, leuchtende Blitze schießen ins Auge. Nach zehn Minuten sind beide Augen behandelt, die Operation ist gelungen. Vier Dioptrin Kurzsichtigkeit sind Vergangenheit. "Wir sehen uns morgen", sagt Doktor Ayan. "Danach können Sie Istanbul mit ihren neuen Augen entdecken."

Die Lasik-Behandlung in der Eyestar-Klinik im Zentrum der türkischen Hauptstadt hat 1000 Euro gekostet - für beide Augen. In Deutschland müssen dafür 4000 bis 5000 Euro gezahlt werden. Deswegen lassen sich immer mehr Kurzsichtige in einer der vielen Kliniken in Istanbul behandeln. Auch Bratislava, Krakau, Kiew oder Barcelona sind beliebte, weil günstige Ziele des Laser-Tourismus. Etwa 5000 Bundesbürger reisen nach Schätzungen deutscher Verbände pro Jahr zur Lasik-OP ins Ausland - Tendenz stark steigend.

Bei Eyestar sind 90 Prozent der Patienten Ausländer. Sie kommen aus den Niederlanden, Norwegen, der Schweiz und jeder Ecke Deutschlands - wie Schwäbisch-Hall, Niederkrüchten oder Landshut. Einer der prominentesten Kunden war Thomas Wohlfahrt, 2004 Zweiter bei der Sat.1-Talentshow "Star Search". Er habe "gleich nach der OP vor Freude ein kleines Konzert gegeben", wirbt die Klinik im Internet.

Der Standard bei Eyestar ist augenscheinlich gut. Die Operateure sind international ausgebildet und haben mehrere tausend Behandlungen durchgeführt. In der Klinik steht einer der modernsten Laser, die es auf dem Markt gibt, bestätigt der Erlangener Hersteller Wavelight. Die Operation ist so günstig, weil Miet- und Personalkosten in der Türkei ein Vielfaches unter den deutschen liegen. "Solche Preise können wir bei unserem Gehaltsgefüge und den Mietkosten nicht anbieten", sagt Jörg Hassel vom Verband der Spezialkliniken Deutschlands für Augenlaser und Refraktive Chirurgie (VSDAR).

Die hohen Kosten einer Lasik-Operation halten gerade in konjunkturell flauen Zeiten viele Deutsche von diesem Schritt ab. Verbandssekretär Hassel rechnet damit, daß in diesem Jahr 25 Prozent weniger Operationen durchgeführt werden als 2004. "Statt wie erwartet 120 000 werden es wohl nur 90 000 sein", sagt er. Dabei hat Deutschland Nachholpotential. Während in Portugal, Spanien und der USA im Jahr mehr als 5000 von einer Million fehlsichtigen Einwohnern gelasert werden, liegt die Quote hier bei 1800. Erst insgesamt 600 000 von 52 Millionen Deutschen mit Sehfehlern haben sich unter den Laser gelegt. Zum Vergleich: 1,2 Millionen Operationen werden 2005 in Europa (ohne die Bundesrepublik) erwartet, allein 2,3 Millionen sind es in den USA.

"Die Methodik hat sich stark verbessert und gilt als komplikationslos", sagt Georg Eckert vom Berufsverband der Augenärzte Deutschlands (BVA). Trotzdem sei das Thema immer noch "unglaublich angstbesetzt", so die Erfahrung des Laser-Spezialisten Matthias Maus, der unter anderem TV-Moderatorin Ilona Christen von ihrer Sehhilfe befreit hat. Hinzu komme, daß die Brille in Deutschland eine höhere Akzeptanz habe als in anderen Ländern. So sei sie in Portugal oder Spanien ein regelrechter Makel.

Zwar geben sechs von zehn Deutschen in einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) an, sich "auf keinen Fall" im Ausland lasern zu lassen, aber dennoch tun es so viele, daß dort ständig neue Kliniken entstehen oder bestehende ausgebaut werden. So ist in der Türkei, wo Laser-Hersteller Wavelight nach Angaben von Marketingleiterin Katrin Teigeler "eine starke Nachfrage" auch nach 450 000-Euro-Geräten verspürt, ein intensiver Wettbewerb um deutsche Kunden entbrannt. Einige Laser-Zentren bieten Voruntersuchungen schon in Deutschland an und locken Kunden mit attraktiven Reise- und Behandlungspaketen an den Bosporus.

Deutsche Laser-Experten sehen die Entwicklung mit Sorge. Das Risiko von Komplikationen beziffert der Chef der EuroEyes-Kliniken, Jærn Jærgensen, bis zu zwanzigmal höher. Über 100 im Ausland operierte Patienten müßten jährlich nachbehandelt werden. Während in Deutschland strenge ISO-Standards und TÜV-Normen gelten, sind die gesetzlichen Vorschriften gerade außerhalb der EU laxer. Auch gilt etwa in der Türkei keine Gewährleistungspflicht, wenn der Eingriff mißlingt. "Bei einem Kunstfehler haben Patienten schlechte Karten", sagt Hassel. Zudem würden manche Kliniken an der Hygiene und der Wartung der Geräte sparen und die teuren Operationsskalpelle mehrfach verwenden. Deutsche Ärzte wissen auch von in die Türkei ausrangierten Lasern. "Dabei sollte ein Gerät maximal fünf bis sieben Jahre eingesetzt werden", sagt Teigeler.

Ein weiteres Problem besteht in der Vor- und Nachbehandlung. Erst vor Ort kann der Arzt entscheiden, ob ein Patient für den Eingriff überhaupt geeignet ist. Ist er aber erst mal da, wird er ungern weggeschickt. "Ferner ist es für den Chirurg wichtig, den Patienten mehrere Monate nach der Behandlung zu untersuchen, um ein Feedback für seine Arbeit zu bekommen", sagt Laser-Spezialist Maus. Er weist aber darauf hin, daß es neben schwarzen Schafen auch exzellente Ärzte in der Türkei gebe und die "Chance, daß es gut läuft, sehr hoch" sei.

Um mehr Menschen unter den Laser zu bekommen, fallen nun auch in Deutschland die Preise. Einige Anbieter werben mit 1000 Euro je Auge. Klinikvertreter Hassel ist skeptisch: "Wenn der Preis sinkt, leidet die Qualität."