Model: Der Weg zum lukrativen Vertrag ist lang - dafür winken Millionengagen. Traumkarriere: Wie die Hamburger Agentur Mega Models Talente auf den Laufsteg bringt.

Hamburg. Sie gilt als zickig und eigenwillig. Schlagzeilen machte sie nicht nur wegen ihrer Schönheit, sondern auch, weil sie angeblich gern mal zuschlägt. Die Rede ist vom britischen Topmodel Naomi Campbell. Erst kürzlich verprügelte sie die italienische Schauspielerin Yvonne Scio, angeblich aus Eifersucht. Vor Jahren schlug sie sich mit ihrem damaligen Freund, Formel-1-Teamchef Flavio Briatore. Ihrem Image dürften diese Ausrutscher jedoch nicht geschadet haben, im Gegenteil.

"Skandale und berühmte Männer gehören bei vielen Models zum Business", sagt Ted Linow, Inhaber der Hamburger Agentur Mega Model Agency. Die Agentur vertritt neben Naomi Campell auch Tatjana Patitz und Eva Herzigova. Topmodels wie diese stünden heute für wesentlich mehr als nur für ihr Aussehen. Sie sind ein Produkt, denen der Kunde bestimmte Eigenschaften zuschreibt. Wer eine Campell für 60 000 Euro oder noch mehr am Tag bucht, erwartet auch eine Campbell. "Inklusive Starallüren, Bodyguards und Limousine", sagt Linow. Der Markenwert des schlagkräftigen Models soll mittlerweile bei 14,3 Millionen Euro liegen.

Ermittelt wurde diese Zahl von der Düsseldorfer Unternehmensberatung BBDO, die basierend auf den zu erwartenden Zahlungsströmen und der Markenstärke ein Top-20-Ranking erstellt hat. Auf Platz eins ist demnach mit 42,6 Millionen Euro die Tschechin Karolina Kurkova (Kampagnen u. a. für Dior, Versace und La Perla). Platz zwei belegt die Deutsche Julia Stegner mit 36,5 Millionen Euro (Boss, Yves Saint Laurent), danach folgt auf Nummer drei Heidi Klum mit 28,3 Millionen Euro (Douglas, Katjes, McDonald's).

Viel Geld, an dem möglichst viele mitverdienen wollen. Je 20 Prozent Agenturprovision sowohl vom Werbekunden wie vom Model sind heute üblich. Aber: "Bis die Mädchen wirklich Werbeverträge in Millionenhöhe abschließen, ist es ein langer, beschwerlicher und einsamer Weg", sagt Ted Linow. Er ist seit 1991 mit der Agentur Mega Models in Hamburg im Geschäft und hat früher selber auf dem Laufsteg gestanden. 80 weibliche und 40 männliche Models hat er mit seinem Büro in der Kaiser-Wilhelm-Straße als Mutteragentur derzeit direkt unter Vertrag, weltweit vertreten die zwanzig Mitarbeiter von Mega Models für Deutschland rund 430 Models.

"Wir sind immer auf der Suche nach neuen Gesichtern, casten bei Konzerten in ganz Deutschland", so Linow. Die heute international erfolgreiche Christina Kruse entdeckte er vor Jahren auf dem Jungfernstieg. Die diesjährige Gewinnerin des begehrten Nachwuchspreises "New Faces Award", Hartje Andresen, jobbte vor zwei Jahren noch in der Eisdiele "Eiszeit" am Mittelweg. Jetzt wirbt die 1,75 Meter große junge Frau für das neue Parfüm von Jil Sander, zuvor mußte sie aber erst "wie in einer Ausbildung" das Modeln lernen.

"Bis ein Mädchen den ersten Euro verdient, müssen erstmal mindestens 10 000 Euro investiert werden", so Linow. Er rechnet vor: 1000 Euro kostet das erste Testshooting. die richtige Bewerbungsmappe, Setcard genannt, nochmal rund 500 Euro. Für Models von außerhalb muß die Unterbringung in sogenannten Modelwohnungen bezahlt werden - etwa 150 Euro pro Woche. Hinzu kommt Taschengeld von 140 Euro pro Woche und eine Bahncard. Friseurbesuch, Ernährungsplan-Erstellung, Fitness-Studio und Reisekosten müssen genauso von der Agentur vorfinanziert werden wie "modelgerechte Kleidung". Dafür geht ein Stylist mit den Nachwuchstalenten zu H & M und "stylt sie von Kopf bis Fuß" auf Model.

"Wenn ein Model plötzlich zunimmt oder nicht gebucht wird, liegt das Risiko bei der Agentur", sagt Ted Linow. Ein gutes Gesicht wie Hartje Andresen hat die Anfangsinvestitionen jedoch schnell wieder eingespielt. Für redaktionelle Fotos bekommen Anfänger Tagesgagen zwischen 400 bis 800 Euro. Für Katalogaufnahmen gibt es 800 Euro, Mädchen wie Hartje Andresen erhalten Tagesgagen um 6000 Euro. Eine richtige Kampagne bringt je nach Model um die 70 000 Euro, bei Topmodels 500 000 Euro und mehr. Veröffentlichungen im Ausland werden zusätzlich honoriert. "Wir verdienen sehr gut, der deutsche Markt hat im Gegensatz zu anderen noch Potential", sagt Ted Linow.

Kein Wunder also, daß Agenturen wie Pilze aus dem Boden schießen. "Heute darf praktisch jeder gründen", sagt Thorsten Fuhrberg, Sprecher vom Verband lizensierter Modellagenturen (VELMA). Er schätzt die Zahl auf rund 2000 Agenturen in Deutschland, geht aber davon aus, daß die 26 Mitgliedsagenturen von VELMA rund 90 Prozent des deutschen Auftragsvolumens abdecken. Erfolgreiche Unternehmen kämen auf einen Jahresumsatz zwischen einer und vier Millionen Euro.

Aus seiner Arbeit kennt Fuhrberg auch die Schattenseiten der Branche. Es gebe viele schwarze Schafe, die mit unrealistischen Angeboten locken. Besonders im Internet. "Auf keinen Fall sollte für die Aufnahme in eine Datenbank oder Kartei gezahlt werden", so der Experte, der pro Tag etwa 15 Anfragen von verunsicherten Jugendlichen oder deren Eltern zu beantworten hat.

Rund 15 Bewerbungen treffen auch täglich bei Ted Linow in der Agentur ein, nur wenige werden zu einem Testshooting eingeladen. Für weibliche Models, die in dieser Branche mehr Geld verdienen als Männer, gilt: unter eine Körpergröße von 1,75 Meter geht meist nichts. Die Maße sind immer noch 90 Zentimeter Oberweite, 60 Zentimeter Taille und eher weniger als 90 Zentimeter Hüfte - bei Kleidergröße 36. Sie ist die Normgröße, damit die Kleider bei Modenschauen allen Models passen.

Ted Linow hat allein in diesem Jahr 16 Talente entdeckt, denen er eine internationale Karriere zutraut. Und vielleicht ist ein künftiges Topmodel dabei.