Am morgigen Donnerstag muss sich der Ex-Postchef wegen Steuerhinterziehung vor dem Landgericht Bochum verantworten. Der einstige Vorzeigemanager wird wohl mit einer Bewährungs- und Geldstrafe davonkommen. Die Verlierer des Falls sind die frühere Anklägerin Margrit Lichtinghagen - und die Justiz selbst.
Bochum/Düsseldorf. Die Akte wird immer umfangreicher. Neben zahlreichen Dossiers und amtlichen Papieren stapeln sich neuerdings diverse Presseartikel in dem Vorgang, der an prominenter Stelle auf dem Schreibtisch des Düsseldorfer Generalstaatsanwaltes liegt. Da finden sich Hinweise einer ehemaligen Staatsanwältin, sie fühle sich "in den Abgrund geschubst", und an anderer Stelle wird darüber orakelt, ob es denn in der Causa Zumwinkel eine Absprache gegeben hat oder ob das eine Fehlinformation ist.
Die frühere Anklägerin in der Sache, Margrit Lichtinghagen, bremst ihren Mitteilungsdrang kaum; wer über ihre Mobilfunknummer verfügt, erhält bereitwillig Antworten auf all diese Fragen, die normalerweise der Geheimhaltung unterliegen.
Der Düsseldorfer Generalstaatsanwalt Gregor Steinforth sammelt all diese Unterlagen und fügt sie seiner Akte Bochum hinzu. Seit ihn die Justizministerin des Landes, Roswitha Müller-Piepenkötter, gebeten hat, die Vorgänge rings um die Bochumer Staatsanwaltschaft zu untersuchen, vergeht kaum ein Tag, an dem es nicht einen neuen Sachstand gibt.
"Die haben der Justiz geschadet"
Während der Generalstaatsanwalt der delikaten Frage nachgehen muss, ob es in der Bochumer Behörde nur Unzulänglichkeiten oder vielleicht auch gravierende Fehler gegeben hat, ergötzt sich das breite Publikum an einem Schauspiel, das am Ende einen Verlierer kennt. "Die haben der Justiz geschadet", steht für den Vertreter einer anderen Anklagebehörde unzweideutig fest - der sich diese Offenheit freilich erst erlaubt, wenn man ihm Anonymität zusichert.
Damit scheint vor Beginn des Prozesses gegen Klaus Zumwinkel am morgigen Donnerstag festzustehen, dass dieses Verfahren nicht nur für den ehemaligen Postchef zu einem drastischen Ansehensverlust geführt hat. Auch die Justiz selbst hat erheblichen Schaden genommen.
14. Februar 2008: Staatsanwaltschaft schlägt zu
Für die Öffentlichkeit hatte die Sache am frühen Morgen des 14. Februar 2008 begonnen. Damals hatten sich die Kollegen des ZDF morgens früh vor der Kölner Villa von Klaus Zumwinkel aufgebaut, weil sie wussten, dass die Staatsanwaltschaft dort zuschlagen würde.
Der Name des deutschen Spitzenmanagers fand sich auf einer CD mit potenziellen Steuersündern, die die Behörden für mehrere Millionen angekauft hatten. Äußerst detailliert hatte ein Informant dort aufgelistet, wer wann wie viel Geld nach Liechtenstein transferiert hat, um anschließend hierzulande keine Steuern mehr zu zahlen. Auch Klaus Zumwinkel hatte sich an diesem Spiel beteiligt und musste schon am frühen Morgen des 14. Februar einräumen, dass er massiv gegen die Gesetze verstoßen hatte.
Als Staatsanwältin trat ihm Margrit Lichtinghagen gegenüber, jene Frau, die seit vielen Jahren in der Bochumer Staatsanwaltschaft dafür gesorgt hat, dass Steuersünder kräftig zahlen müssen. Die Frau hat ihre Herkunft nie verleugnen können: Sie kam 1993 von der Steuerfahndung Essen zur Bochumer Anklagebehörde und erarbeitete sich rasch den Ruf, auch vor komplizierten Fällen nicht zurückzuschrecken.
Ihre Methode war umstritten und erfolgreich zugleich. Mit einer Mischung aus Repression und Kooperation brachte sie viele Steuersünder dazu, ihre Taten zu gestehen und Millionen an die Staatskasse zu zahlen; sie sorgte - wann immer es möglich war - dafür, dass die Herren nicht ins Gefängnis wanderten und mit einer Bewährungsstrafe davonkamen.
Von der Staatsanwältin zur Staranklägerin
Auch der Fall Zumwinkel passte in dieses Schema. Der Mann wurde kurzzeitig festgenommen und erst dann gegen eine Millionenkaution wieder auf freien Fuß gesetzt, als er gestanden hatte. Durch eine undichte Stelle hatte die Presse von dem Termin in Köln-Marienburg erfahren, und Margrit Lichtinghagen hat den Fehler gemacht, gemeinsam mit dem Angeklagten das Haus zu verlassen.
Das entsprechende Foto ist um die Welt gegangen, die Kommentare waren überwiegend freundlich und zeichneten das Bild einer tapferen Anklägerin, die auch vor großen Kalibern nicht kuscht.
Aus der Staatsanwältin wurde eine Staranklägerin. Ob das öffentlich gezeichnete Bild ihren Charakter verändert hat, darüber erhält man unterschiedliche Auskünfte, je nachdem, mit wem man in der Bochumer Behörde redet: Die eine Fraktion schildert dann eine unbelehrbare und rechthaberische Frau, die sich zunehmend isoliert und am Ende die Anklage gegen Klaus Zumwinkel ohne jede interne Absprache an die Kollegen vom Gericht schickt.
Andere wiederum erzählen von einer neuen Behördenleitung, die jede öffentliche Nennung des Namens Lichtinghagen als Affront wertet und erhebliche Mengen an Eifersucht produziert. Da Margrit Lichtinghagen im Zusammenhang mit der Liechtenstein- CD und den hinterzogenen Millionenbeträgen fast zwangsläufig täglich das Interesse der Medien auf sich zieht, entsteht eine Mischung, die in der zweiten Jahreshälfte zu explodieren droht.
"Da gibt es einen bösen Schein"
Kurz vor Weihnachten eskaliert der Konflikt. Der Bochumer Behördenleiter will die Fachfrau Lichtinghagen aus der Abteilung für Wirtschaftsstrafsachen abziehen, sie wehrt sich und nimmt die Degradierung nicht hin. Die Öffentlichkeit wird gezielt mit Einzelheiten aus dem Bochumer Alltag der Ankläger gespickt, und es entsteht das Bild einer Behörde, in der rechtsstaatliche Prinzipien offenbar mit Füßen getreten werden.
Margrit Lichtinghagen soll die vielen Millionen an Bußgeldern, die sie über Jahre eingetrieben hat, nach Gutdünken in der Republik verteilt haben und gelegentlich sogar amtierende Minister der Landesregierung in ihre Entscheidungsfindung einbezogen haben. "Da gibt es einen bösen Schein", muss am Ende sogar die Justizministerin zugeben, mehr ist bisher noch nicht gefunden worden.
Denn die Frau Staatsanwältin kann nachweisen, dass sie bei Weitem nicht so eigensinnig vorgegangen ist, wie ihr das rückwirkend ihre heutigen Vorgesetzen unterstellen.
Klaus Zumwinkel betrachtet das freilich aus einer gewissen Distanz. Ihn interessiert sein eigenes Schicksal. Ab morgen wird sein Steuerfall verhandelt, er kann angesichts einer hinterzogenen Steuersumme von rund einer Million Euro mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren und einer Geldbuße in Millionenhöhe rechnen. Den größeren Schaden hatte er auf immateriellem Gebiet: Er hat nicht nur seine Arbeit, sondern seine Stellung in der Gesellschaft verloren.
Wie die Geschichte für Margrit Lichtinghagen enden wird, ist noch nicht ausgemacht. Morgen werden Kollegen die Anklage Zumwinkel verantworten, die sie geschrieben hat. Sie selbst ist - angeblich freiwillig - an das Landgericht Essen gewechselt, aber im Moment krankgeschrieben. Stattdessen gibt sie Interviews, die wiederum die Akte des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf füllen. Der muss irgendwann darüber befinden, ob jemand in Bochum gegen Vorschriften verstoßen hat.