Produkte werden gegenüber dem Einzelhandel gemeinsam vermarktet. Branche spürt Preisverfall.

Hamburg. Die beiden größten deutschen Milchverarbeiter, Nordmilch aus Bremen und Humana Milchunion bei Münster, bündeln ihren Vertrieb in einer neuen, gemeinsamen Gesellschaft. Vor dem Hintergrund sinkender Preise für die Erzeuger und einer weiteren Konzentration im Einzelhandel wollen die beiden Molkereien mit insgesamt 17 000 Milchbauern als Rohstofflieferanten ihre Position stärken. Zusammen mit der Großmolkerei Müller sind sie die einzigen Molkereien in Deutschland, die einen Umsatz von mehr als zwei Milliarden Euro erzielen.

"Wir wollen die Vermarktungsaktivitäten noch effizienter gestalten und Chancen zur Kostenoptimierung nutzen", sagte Nordmilch-Sprecherin Godja Sönnichsen. Das Unternehmen, das von 9000 Milchbauern beliefert wird, vertreibt die Marke Milram. Ob künftig die Zahl der Produkte reduziert wird, wollte Sönnichsen nicht sagen. Zu Humana gehören die Marken Ravensburger und Osterland.

Wenn das Kartellamt zugestimmt hat, soll der gemeinsame Vertrieb noch in diesem Frühjahr starten. Nordmilch beschäftigt 2900 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von 2,3 Milliarden Euro. "Es wird zu keinem Arbeitsplatzabbau kommen", versicherte Sönnichsen. "Bei uns sind von der Kooperation lediglich knapp 70 Mitarbeiter betroffen. Sie werden in eine neu zu schaffende Gesellschaft entsendet und erhalten auch keine neuen Arbeitsverträge." Gemeinsam sollen Käse, Milch, Joghurt, Butter, Sahne und Industrieprodukte vertrieben werden.

Humana und Nordmilch hatten in der Vergangenheit bereits eine Fusion beider genossenschaftlich organisierter Konzerne geprüft und verworfen. "Seitdem haben sich beide Unternehmen und der Markt weiterentwickelt", sagte Sönnichsen. "Die Zusammenarbeit findet jetzt vor anderen Vorzeichen statt." Gründe für den neuen Anlauf seien vor allem im Vertrieb stark schwankende Marktpreise und die fortschreitende Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel, Hauptkunde der Molkereien. Welche Bedeutung der neuen Vertriebsgesellschaft beigemessen wird, zeigt sich auch daran, dass die beiden Unternehmenschefs Josef Schwaiger (Nordmilch) und Rolf Janshen (Humana) an der Spitze der neuen Vertriebsgesellschaft stehen werden.

Die Bemühungen der Bauern, höhere Milchpreise durchzusetzen, waren bisher nicht erfolgreich. Mit 32 Cent pro Liter erhalten sie weniger Geld als vor dem Milchlieferstopp von Mai/Juni 2008. "Der Höchststand bei den Erzeugerpreisen wurde im November 2007 mit rund 42 Cent je Liter erreicht", sagt eine Sprecherin der Zentralen Markt- und Preisberichtsstelle für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ZMP). Seit diesem Zeitpunkt sei die Preistendenz sinkend. Im Jahr 2007 hatte vor allem die starke Nachfrage auf dem Weltmarkt die Preise steigen lassen. "Diesen preistreibenden Faktor gibt es inzwischen nicht mehr", sagt die Sprecherin. "Inzwischen sind alle Milchprodukte wieder günstiger geworden." Ein Stück Butter kostete im November 2008 im Durchschnitt 0,74 Euro, fast 40 Prozent weniger als 2007. Milch wurde um 25 Prozent günstiger.

Vor diesem Hintergrund wollen die noch stark zerklüfteten 100 Molkereien ihre Position stärken, "um Augenhöhe mit den Einzelhändlern zu erreichen", wie Westfalen-Lippes Bauernpräsident Franz-Josef Möllers sagte. Einige Fusionen gab es bereits. So hat die Molkerei Bauer den Konkurrenten Heideblume übernommen. Die Milchwerke Regensburg fusionierten mit der Genossenschaft Bayernland. Nordmilch und Humana bündeln zwar zunächst nur ihren Vertrieb. Weitere Schritte sind aber nicht ausgeschlossen.